Coburg – Die Fraktionsvereinbarung haben die vier Stadträte am heutigen Freitag unterschrieben. In einer Pressekonferenz geben sie am Nachmittag Auskunft darüber, warum sie die neue Fraktion bilden.

Die SPD-Fraktion schrumpft damit auf elf Sitze im Coburger Stadtrat, bleibt aber stärkste politische Kraft. Fraktionsvorsitzende Bettina Lesch-Lasaridis und Oberbürgermeister Norbert Tessmer, SPD, haben für den späten Nachmittag Stellungnahmen angekündigt.

In der Coburger SPD gärt es seit geraumer Zeit. Zum einen gab es nur mühsam unterdrückten Streit über die Benennung einer Max-Brose-Straße. Hier bröckelt die Mehrheit, die sich bislang kategorisch gegen eine solche Widmung ausgesprochen hat. Das liegt auch daran, dass Oberbürgermeister Norbert Tessmer auf Brose-Gesellschafter Michael Stoschek zugegangen ist und mit dem Enkel von Max Brose über eine Ehrung des Begründers des Coburger Familienkonzerns gesprochen hat. Die Gegner in der SPD argumentieren damit, es sei noch immer unklar, welche Rolle Max Brose in der Zeit der Nazi-Diktatur gespielt hat.

Stadtrat Mathias Langbein erklärt in einer Vorlage zur Pressekonferenz, „die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, warum und wozu bestimmte Entscheidungen im Stadtparlament getroffen werden. Gegen die Bewohner, Handel oder Industrie zu regieren bringt Coburg nicht entscheidend nach vorne.“ Langbein zielt damit darauf ab, dass sich in der Coburger Bevölkerung eine deutliche Mehrheit für die Benennung einer Straße nach Max Brose abzeichnet. Die CSU-Fraktion, der IHK-Präsident Friedrich Herdan angehört, hat sich bereits 2004 für eine solche Widmung ausgesprochen.

Eine Zerreißprobe für die SPD-Stadtratsfraktion ist zudem Martin Ruggaber. Der SPD-Stadtrat hatte einen Strafbefehl erhalten, weil er bei einer Agentur, die der Thüringer Rechtsextreme Tino Brandt betrieben hatte, einen Prostituierten bestellt hatte. Der junge Mann hatte das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, was Ruggaber allerdings nicht gewusst hatte – ebenso wenig, dass Brandt die Agentur betrieb. Bei den Coburger Sozialdemokraten gibt es bis heute andauernde, heftige Debatten darüber, ob Ruggaber sein Stadtratsmandat behalten kann oder aus ethisch-moralischen Gründen abgeben muss. Die Fraktionsführung um Vorsitzende Bettina Lesch-Lasaridis hat bislang stets zu Martin Ruggaber gehalten.

Barbara Kammerscheid erklärt, ohne den Namen Martin Ruggaber zu nennen: „Wir müssen endlich dahin kommen, dass die Entscheidungsträger auch persönliche Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen. Begangene Fehler müssen den Bürgerinnen und Bürgern erklärt werden – und die für Coburg richtigen Korrekturen in Angriff genommen werden.“

Ein weiterer Streitpunkt ist der Bau einer Tiefgarage unter dem Schlossplatz. Während eine Gruppe der SPD-Stadtratsfraktion dieses Projekt für puren Luxus hält, den sich die Stadt nicht leisten könne, und lieber Parkplätze am Bahnhof schaffen würde, sehen andere jetzt, im Zuge der Generalsanierung des Landestheaters Coburg, die Chance gegeben, das Parkhaus doch noch zu bauen. Oberbürgermeister Norbert Tessmer hatte sich jüngst zu Überraschung aller im Stadtrat vertretenen Parteien zum Bau der Schlossplatz-Tiefgarage bekannt.

Der neue Fraktionsvorsitzende René Hähnlein wird in der Erklärung zur Pressekonferenz so zitiert: „Coburg ist eine wunderbare Stadt, die ein großes Entwicklungspotenzial aufweist“. Die Nähe zu den Wirtschaftsräumen Thüringen und Sachsen, der fortschreitende Anschluss an die Metropolregion Nürnberg und die hochwertigen Bildungseinrichtungen böten neben der vorhandenen Infrastruktur hierfür optimale Voraussetzungen. Investitionen müssten dort getätigt werden, „wo eine erfolgversprechende Weiterentwicklung von Coburg möglich ist“. Sie müssten aber auch aus den Bereichen abgezogen werden, „wo es weder für den Wirtschaftsstandort Coburg noch für dessen Einwohner erkennbare Vorteile gibt“.

Adelheid Frankenberger ergänzt laut Erklärung, „wir können Coburg nur dann als lebenswerte Stadt erhalten, wenn auch den Bürgerinnen und Bürgern eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird“. Dazu gehörten bezahlbare Mieten, ein flächendeckendes Nahverkehrsangebot „und vor allem günstige Preise für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen“.

Ein ähnliches politisches Erdbeben wie jetzt die SPD hatte die Coburger CSU im April 2007 erschüttert. Damals traten sieben Stadträte aus der CSU aus – unter ihnen der frühere 2. Bürgermeister Hans-Heinrich Ulmann und der frühere CSU-Kreisverbandsvorsitzende Christian Müller - und gründeten die Fraktion der Christlich-Sozialen Bürger (CSB). Ausschlaggebend war der Streit innerhalb der CSU um das Neue Innenstadtkonzept (NIK), das eine Gruppe um Brose-Gesellschafter Michael Stoschek und den damaligen HUK-Vorstandssprecher Rolf-Peter Hoenen erarbeitet hatte.


Die neue Sitzverteilung im Coburger Stadtrat sieht so aus: Die CSU hält jetzt zehn Sitze, die SPD elf, Grüne und CSB jeweils vier, Pro Coburg (früher Freie Wähler) drei, die CSU-nahen Jungen Coburger zwei, FDP und ÖDP jeweils einen. Die neue CSG-Fraktion hat vier Sitze.