Aus der Region SPD will Übertritt von Noten lösen

Von Jürgen Umlauft
Geht es nach einem SPD-Experten, sind Zeugnisse kein geeigneter Gradmesser, in welcher Schule Kinder lernen dürfen sollten. Quelle: Unbekannt

Schlechtes Zeugnis - na und! Geht es nach den Genossen, sind Zensuren in der Grundschule egal. Wenn die Eltern es wollen, sollte jedes Kind aufs Gymnasium dürfen.

 
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München - Nach einem von der SPD im Landtag in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten ist das bayerische Übertrittsverfahren von der Grundschule an die Realschulen und Gymnasien verfassungswidrig. In seiner Expertise kommt der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Bildungsrecht und Bildungsforschung an der Ruhruniversität Bochum, Professor Wolfram Cremer, zu dem Urteil, dass die für den Übertritt geforderten Notendurchschnitte gegen die in der bayerischen Verfassung verbrieften Elterngrundrechte und gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes verstoßen. Demnach hätten Eltern das Recht, selbst zu entscheiden, welche weiterführende Schule ihr Kind besuchen soll. Eine Auslese nach Leistung sei "unter keinem Gesichtspunkt verfassungsrechtlich gerechtfertigt", schreibt Cremer.

Der SPD-Bildungsexperte Martin Güll forderte deshalb die Abschaffung des bisherigen Übertrittsverfahrens. "Wir wollen keine Sortier-Grundschule, sondern eine pädagogische Schule", sagte er vor der Presse in München. Das "Grundschulabitur" sorge für "unfassbaren Stress in den Familien" und für Lernen in ständiger Angst statt Freude am Unterricht. Beim Übertritt solle es künftig eine unverbindliche Empfehlung der abgebenden Schule und eine professionelle Schullaufbahnberatung geben, auf deren Basis der freie Elternwille gelten müsse. Güll appellierte an Kultusminister Ludwig Spaenle, entsprechend tätig zu werden. Ansonsten erwarte er, dass Eltern gegen das bisherige Verfahren klagen werden. Ob die SPD in der Sache vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VGH) ziehen werde, sei noch offen. Das Kultusministerium wies die Forderungen Gülls umgehend zurück. Das Übertrittsverfahren sei nach einem VGH-Urteil von 2014 verfassungskonform, erklärte ein Ministeriumssprecher.

Unabhängig davon hat sich Güll über die weiterhin zwischen Stadt und Land stark divergierenden Übertrittsquoten im Freistaat beklagt. So lag zu Beginn des Schuljahres 2015/16 die Übertrittsquote ans Gymnasium in städtischen Regionen um rund zehn Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt von 39,1 Prozent, in ländlichen Bereichen oft deutlich darunter - und das, obwohl die Quote der fürs Gymnasium geeigneten Kinder bayernweit fast überall um die 50 Prozent schwankte. In Oberfranken lag die Übertrittsquote bei 39,2 Prozent. Diesen Wert drückten vor allem die Städte Bamberg (54,4 Prozent), Bayreuth (50 Prozent) und Coburg (45,6 Prozent) nach oben. In den Landkreisen lagen die Werte mit Ausnahme Kulmbachs (39,4 Prozent) alle unter dem Durchschnittswert. Schlusslichter waren Wunsiedel (32,8 Prozent) und Kronach (31,2 Prozent). Für die niedrigen Quoten auf dem Land machte Güll vor allem fehlende Angebote und lange Schulwege verantwortlich. Dem müsse mit einer wohnortnahen Gemeinschaftsschule entgegengesteuert werden, die Bildungswege bis zum Abitur anbiete.

Der Gymnasiallehrerverband BPV lehnte eine völlige Freigabe des Elternwillens beim Übertritt ab. Dies würde zu mehr Bildungsungerechtigkeit führen, erklärte der BPV-Vorsitzende Max Schmidt.

Wir wollen keine Sortier-Grundschule, sondern eine pädagogische Schule.

Wolfram Cremer, Bildungsforscher


Gut zu wissen

Für den Übertritt ans Gymnasium muss ein Schüler in der 4. Klasse in Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachkunde einen Notendurchschnitt von 2,33 erreichen, für die Realschule von 2,66. Wer diese Hürde reißt, hat die Möglichkeit, an einem dreitägigen Probeunterricht in Deutsch und Mathrematik an der aufnehmenden Schule teilzunehmen. Dieser muss mindestens mit einer 3 und einer 4 abgeschlossen werden. Bei zwei Mal Note 4 können die Eltern den Übertritt durchsetzen. Zum Schuljahr 2015/16 gingen 1834 Viertklässler in den Probeunterricht am Gymnasium. 1184 davon (64,6 Prozent) beendeten ihn erfolgreich, bei weiteren 247 (13,5 Prozent) setzten die Eltern ihren Willen durch. An den Realschulen gab es 5755 Teilnehmer am Probeunterricht. Für 1679 (29,2 Prozent) verlief er erfolgreich, 1082 (18,8 Prozent) schafften den Sprung über den Elternwillen. jum


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