Als am vergangenen Donnerstag in Frankfurt Lufthansa-Flug LH 507 aus Sao Paulo kommend genau um 10.01 Uhr am Ausleger des Gates C 16a des Terminals 1 festmachte, da waren die meisten Passagiere einfach nur froh, den Flug von elf Stunden und 19 Minuten endlich hinter sich zu haben. Für einen Passagier in der Boeing 747/8 bedeutete die Landung hingegen das Ende eines langen Albtraums: Michael J. konnte jetzt mit dem Jahr abschließen, das er in einem brasilianischen Gefängnis unter sehr unerfreulichen Bedingungen zugebracht hatte.

Der mutmaßliche Komplize des wegen Untreue verurteilten ehemaligen NKD-Geschäftsführers Michael Krause war nach längerer Flucht am 19. November 2015 im brasilianischen Sao Paulo aufgrund eines internationalen Haftbefehls aus Hof festgenommen worden. Über ein Jahr hatten sich die Verhandlungen über die Auslieferung hingezogen - für Brasilien eine ganz normale Spanne.

Michael J. hatte seinen anfänglichen Widerstand gegen die Auslieferung längst aufgegeben, er wollte nur noch raus aus dem brasilianischen Knast. In den Gefängnissen des südamerikanischen Landes sind die Verhältnisse so verheerend, dass die deutschen Gerichte Haftzeiten in Brasilien mindestens mit dem Faktor 2 anerkennen. Für jeden Tag in brasilianischen Gefängnissen fallen mindestens zwei deutsche Hafttage weg.

Michael J. wird beschuldigt, an den kriminellen Geschäften des ehemaligen NKD-Geschäftsführers Michael Krause beteiligt gewesen zu sein, bei denen dem Textil-Discounter mit Hauptsitz in Bindlach insgesamt 3,7 Millionen Euro verloren gingen. J. ist ein Jugendfreund von Krause. Wie er stammt er aus dem niedersächsischen Ammerland. Beide Michaels machten eine beachtliche Karriere - Krause als Manager, J. als Immobilienunternehmer. Seinen letzten Wohnsitz in Freiheit hatte er im Schweizer Steuerparadies Zug.

Die Beteiligung von J. an dem Raubzug und deren Ausmaß wurden erst während des Untreue-Prozesses gegen Krause deutlich. Während gegen den inhaftierten Manager vor dem Landgericht Hof verhandelt wurde, setzten sich Beamte der Bayreuther Kriminalpolizeiinspektion für Zentralaufgaben (KPI/Z) auf die Spur der verschwundenen Millionen. Sie führte zunächst nach Zypern, wo eine Firma die Millionenzahlungen der NKD für angebliche Informationen über die Einkaufsbedingungen ihrer Mitarbeiter entgegennahm. Hinter dieser Firma stand den Ermittlungen zufolge Michael J. Von Zypern aus trat das Geld eine Rundreise über den halben Erdball an. Stationen war immer Konten dubioser Firmen, hinter denen J. stehen soll. Gut 40 solcher Firmen haben die Bayreuther Ermittler identifiziert. Zumindest einen Teil des Geldes verwendete Michael Krause später für den Kauf einer noblen Villa in Potsdam.

Den Ermittlungen zufolge war Michael J. aber noch an zwei anderen Versuchen beteiligt, die NKD auszunehmen: Er und seine Mutter verantworten einen in Berlin ansässigen Fonds, der das Jagdschloss Falkenhaube bei Bad Berneck kaufte und sanierte. Für eine Jahresmiete von 220.000 Euro wurde das Schloss dann als Tagungsstätte an die NKD langfristig vermietet. Der spätere Erwerber der NKD, ein britischer Fonds, machte von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch, um die Immobilie wieder loszuwerden.

Michael J. soll auch hinter angeblichen Unternehmungsberatung Index Consulting an seinem letzten Wohnort Zug gestanden haben. Zu Zeiten des NKD-Geschäftsführers Michael Krause kassierte die Firma 1,25 Millionen Euro für angebliche Beratungsleistungen. Als später externe Prüfer der NKD nachfragten, worin die Beratungsleistungen eigentlich bestanden haben sollte, wurde das Geld kommentarlos zurücküberwiesen - ausgerechnet von dem Konto, bei dem auch die anderen 3,7 Millionen Euro der NKD eingegangen waren.

Michael J. tauchte noch während des laufenden Prozesses gegen Krause ab. Die flehentlichen Appelle seines Männerfreundes, ihm mit einer Zeugenaussage in Hof aus der Patsche zu helfen, ließ J. unbeantwortet. Er dürfte geahnt haben, dass er den Sitzungssaal in Handschellen verlassen hätte. Auf Forderungen der Krause-Verteidiger nach einem freien Geleit für den Zeugen, ließen sich weder Staatsanwaltschaft noch Gericht ein. Aufgrund eines Haftbefehls aus Hof wurde J. Ende 2014 in Dubai inhaftiert, nach kurzer Zeit aber wieder freigelassen. Seine Festnahme in Brasilien war keine allzu große Überraschung, denn Michael J. ist mit einer Brasilianerin verheiratet.

In Sao Paulo wurde J. von zwei Beamten der Bayreuther KPI/Z abholt. Nach einer Nacht in einer Frankfurter Zelle führten sie J. am Freitag vor dem Landgericht Hof vor. Blass, hager und mit grauen strähnigen Haaren betrat der sichtlich gealterte 38-Jährige in Häftlingskleidung den Sitzungssaal 019. Dort war oft gegen seinen Freund Krause verhandelt worden. Er traf dort auf die selben Richter, die im April 2015 nach über 60 Verhandlungstagen Krause wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt hatten.

J. erging es besser: Schon wegen der Länge der Untersuchungshaft in Dubai und Sao Paulo wurde gegen ihn der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Seine Verteidigerin Sonka Mehner-Heurs konnte ihn noch am selben Tag mitnehmen.

Davon kann Michael Krause nur träumen. Nachdem er auch noch wegen Mordplänen gegen seine Richter schuldig gesprochen worden war, verbüßt der Ex-Manager in einem brandenburgischen Gefängnis eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren. Sie wurde zuletzt vom Oberlandesgericht Bamberg bestätigt.
Ob er im Verfahren gegen Michael J. als Zeuge nach Hof gebracht wird, ist noch nicht bekannt.