Hilfe für Geflüchtete Schule wird zum Zufluchtsort

Günther Geiling
Mitarbeiter der beiden Bauhöfe der Gemeinden Stettfeld und Ebelsbach zogen Trennwände in die Klassenräume. Foto: /Günther Geiling

In einer Gemeinschaftsleistung schaffen die Ebelsbacher und Stettfelder in einer ehemaligen Grundschule ein vorläufiges Zuhause für 27 Erwachsene und 33 Kinder. Die Schicksale der geflüchteten Familien berühren.

 
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Auch im Landkreis Haßberge zeigen viele Bürger und Kommunen ein Herz für ukrainische Flüchtlinge, richten mit Hochdruck Unterkunftsräume her und bereiten sich auf das Eintreffen ihrer Gäste vor. So war es auch in den vergangenen Tagen in Stettfeld, wo plötzlich aus einem Bus rund 60 Personen ausstiegen. 27 Erwachsene und 33 Kinder, mehr als geplant, davon 23 Kinder unter elf Jahren. Sie zogen in das ehemalige Schulhaus ein, das ihnen nun als ihr vorübergehendes oder auch längeres Zuhause dient.

Die beiden Kommunen Stettfeld und Ebelsbach waren zuvor dem Aufruf aus dem Landratsamt gefolgt, in ihren Gemeinden Flüchtlingsunterkünfte anzubieten. In einer Kooperation boten sie die ehemalige Grundschule in Stettfeld mit ihren fünf Klassenräumen an und bekamen dafür „grünes Licht“. Schnell fanden sich auch die Mitarbeiter der beiden Bauhöfe der Gemeinden ein und zimmerten zwei Tage lang mit OSB-Platten Trennwände zur kleineren Aufteilung der Klassenzimmer.

Auch an Abtrennungen für die Waschgelegenheiten wurde gedacht und der Duschraum hergerichtet, der zur kleinen Sporthalle gehört. Selbst Spielgeräte wurden organisiert und ein kleines Schiff mit Sandkasten im Freien aufgebaut.

Über Whatsapp und Flyer erfolgten Aufrufe an die Bevölkerung, dass man Betten und Bettzeug benötige, um in der alten Schule eine schöne Unterkunft für die ankommenden Flüchtlinge bereitstellen zu können. „Der Aufruf zu Spenden stieß auf ein riesiges Echo und wir bekamen Massen an Sachen wie Betten und Matratzen, die auf Grund ihrer Größe von den Bauhofmitarbeitern abgeholt und dann aufgebaut wurden“, gab Melanie Kaufhold als Organisatorin ihrer Freude Ausdruck: „Diese Hilfsbereitschaft war einfach der Wahnsinn!“

In Ebelsbach erfolgte ein ähnlicher Aufruf, der sich vor allem auf Kleider und Schuhe, aber auch die persönliche Hilfsbereitschaft bezog. „In einem Hau-Ruck-Verfahren hatten wir in kürzester Zeit viele Leute, die sich bei der Gemeinde meldeten und wir mussten einen Raum suchen, um alle Spenden zu sichten und zu ordnen“, betonte Sonja Horn, die Ehefrau von 1. Bürgermeister Martin Horn aus Ebelsbach. Dieser stellte einen früheren Brotzeitraum der Gemeindearbeiter zur Verfügung. Dadurch konnte sofort eine „Kleiderkammer“ mit einem großen Waren-Sortiment entstehen, denn die Geflüchteten kommen oft nur mit dem, was sie auf dem Leib tragen.

In Stettfeld begrüßten Helfer die Gäste aus dem Kriegsgebiet dann und verteilten sie auf ihre „Zimmer“. Die Feuerwehr Stettfeld hatte schon ein „Willkommensessen“ mit Gulasch, Brötchen, Obst vorbereitet. Im Hintergrund hatten hier auch die Bürgermeister Alfons Hartlieb, Stettfeld und Martin Horn, Ebelsbach mit ihren Verwaltungen viel zu organisieren. Melanie Kaufhold und Patricia Mück von der VG-Ebelsbach kümmern sich federführend um die formellen Vorgänge und können sich auf große Helferkreise verlassen.

Im Gespräch mit den ukrainischen Flüchtlingen erfährt man viel über die schreckliche Situation in ihrem Heimatland und kann manches gar nicht verstehen. Immer wieder rollen den Frauen die Tränen über die Wangen und es fällt ihnen teilweise schwer, weiterzusprechen. Total erschöpft zeigt sich dabei die ältere Ludmilla, die alleine ohne Familie angekommen ist. „Ich habe in der Heimat keine Angehörigen mehr außer meinem Sohn. Aber der bezeichnet sich als Patriot und wollte seine Heimat nicht verlassen.“

Daneben sieht man Tatjana, eine sehr positiv eingestellt und lebensbejahende Frau, die seit 35 Jahren Friseurin ist und deswegen in den vergangenen Tagen nahezu allen Mitbewohnern schon die Haare geschnitten hat.

Nachdenklich sitzen zwei jüngere Frauen und Schwestern auf einer Bank mit dem Blick auf ihr Handy. Sie haben beide ein Kind mit neun und 13 Jahren und sind mit ihnen aus Nikolajew geflohen, weil sie den schlimmen Kriegswirren in dieser Stadt entkommen wollten. „Wir wohnten zwar in einem Viertel, das durch den Fluss etwas abgeschottet war. Aber in anderen Vierteln und im Zentrum war alles schon zerschossen und dem Erdboden gleichgemacht. So wollten wir uns in Sicherheit bringen und haben uns auf den Weg nach Westen gemacht.“

Für ihre Männer, wie auch für alle ukrainischen, war die Fahrt in ein anderes Land verboten. „Sie sind zwar nicht direkt in der Armee tätig, helfen aber freiwillig die Wohngebiete und die verbliebenen Menschen dort zu schützen. Wir suchen jeden Tag den Kontakt mit ihnen“, berichtet sie, und weiter kommt sie nicht, weil sie das Weinen nicht unterdrücken kann.

Beide waren auch berufstätig gewesen, die eine im Lebensmittelbereich und die andere war Konditorin und zuletzt als Bedienung beschäftigt.

Am Herd im Untergeschoss steht Nasjwa und bereitet das Mittagessen für ihre Familie mit den zwei Töchtern und dem Sohn vor. Dazu gesellt sich auch die 15-jährige Tochter Güzel, die gerade von ihrem ersten Schultag am Gymnasium in Haßfurt zurückgekommen war. Dabei haben sich zwei Mädchen aus dem Ort im Schulbus um sie gekümmert.

In einem anderen Raum sieht man eine junge Familie, Jusuf und Sila mit Namen, zusammen mit ihren zwei Jungs Farouk und Agram (zwei und drei Jahre). Sie hatten mit ihrer Flucht keine Probleme, weil sie eigentlich aus Usbekistan stammen, aber zuletzt in der Ukraine wohnten. „Wir kommen aus Cherson und haben dort die letzten Wochen im Keller gewohnt, weil die russische Armee die Stadt schon Anfang März unter Kontrolle nahm. Deswegen haben wir uns entschlossen wegzufahren.“ Sie seien dann über die Slowakei nach Deutschland gekommen und hier in Stettfeld gelandet. Er war in der Ukraine als Händler für Obst und Lebensmittel tätig. Diese junge Familie zeigt sich sehr selbständig, ist schon mit dem Bus gefahren und hat auch Stettfeld schon etwas erkundet.

Die Stettfelder können sich glücklich schätzen, dass sie in ihren Reihen auch jemand haben, der gut russisch spricht und sofort von sich aus anbot, Dolmetscherdienste zu leisten und ebenso für alle anderen Fragen zur Verfügung zu stehen.

Seine große Hilfsbereitschaft ist offenbar in seiner eigenen Lebensgeschichte begründet. Der 40-jährige Alexander kam 1992 im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern als „Russlanddeutscher“ nach Deutschland. Vor zehn Jahren hat sich der gelernte Maschinenbauer ein Haus in Stettfeld gekauft und ist nun seit eineinhalb Jahren auch verheiratet. Seine Frau Nadiia stammt aus der Ukraine, arbeitete aber in Tschechien. Im Rahmen der Integration macht sie derzeit bei der AWO in Bamberg einen Sprachkurs, um die deutsche Sprache besser zu erlernen. Er ist deswegen für die kleine Emely in Elternzeit und kümmert sich gerne um die Landsleute aus der Ukraine.

Unter den Flüchtlingen waren auch zwei Frauen, die Hilfe dringend benötigten; eine mit ihrem Baby im Alter von nur vier Wochen, die andere war hochschwanger und brachte hier im Krankenhaus ihr Kind zur Welt. In der Zwischenzeit wurden auch einige Familien nach Breitbrunn umgesiedelt. Eine kleine Gruppe ist später wieder ausgezogen und hat sich mit dem Zug auf den Weg nach Hamburg gemacht. Einige wenige haben auch eine Privatunterkunft beziehen können. Auch in der Gemeinde Kirchlauter sind drei Familien untergebracht. Immer wieder hört man aus den Reihen der Ukrainer aber den Wunsch, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.

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