Jubiläum in Haßfurt Erfolg, der elektrisiert

Christian Licha
Günter Lieberth (links) mit seinem CityEL an der Ladestation im Jahr 2006. Mit im Bild ein anderer E-Autofahrer Foto: /Christian Licha

Vor 20 Jahren hatte Günter Lieberth eine gute Idee. Heute erst wird klar, wie weitsichtig er damals agiert hat. Seine Haßfurter Ladestation steht noch immer „unter Strom“.

 
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Haßfurt - Am Anfang war die Vision: Wie komme ich möglichst umweltfreundlich zu meinem Arbeitsplatz? Das fragte sich vor mehr als einem Vierteljahrhundert Günter Lieberth, der heute Energieberater beim Umweltbildungszentrum in Oberschleichach ist. Zunächst zu Fuß oder per Bus unterwegs, legte sich der heute 62-Jährige bereits 1996 sein erstes Elektro-Auto zu. Damals eine Rarität im Landkreis, denn außer dem „CityEL“, einem dreirädrigen Kabinenroller, den Günter Lieberth sein Eigen nannte, gab es nur noch ein zweites baugleiches Modell in den Haßbergen.

Damals stand die E-Mobilität noch am Anfang aller Entwicklungen. Der einsitzige Elektroflitzer von Günter Lieberth schnitt zwar verhältnismäßig gut in Crash-Tests ab, was man von seinem Äußeren her nicht vermutet hätte. Aber natürlich war die Reichweite der eingebauten Batterie noch enge Grenzen gesteckt. Gerade einmal etwas mehr als 50 Kilometer konnte man zurücklegen, bis man wieder „nachtanken“ musste. „Im Winter musste man dann manchmal die Heizung ausmachen, um sein Ziel zu erreichen“, erzählt Günter Lieberth in Erinnerung an alte Zeiten.

„Wie schön wäre es, wenn das E-Auto wieder voll aufgeladen ist, wenn man mit dem Zug zur Arbeit fährt und nach acht Stunden zurückkommt?“, träumte der gelernte Schreinermeister. Das Stadtwerk Haßfurt mit seinem Geschäftsführer Norbert Zösch hatte zwar in den 1990er-Jahren draußen am Betriebsgelände an der Augsfelder Straße zwei frei zugängliche Ladesteckdosen und selbst ein kleines Elektroauto. Der Fußweg von dort zum Bahnhof kostete aber viel Zeit. Die Lösung dieses Problems lag für Günter Lieberth schon auf der Hand. Eine Ladestation am Haßfurter Bahnhof musste her. Allerdings gab es um das Jahr 2000 herum noch keine Elektro-Tankstellen, die in Serie produziert wurden. Mit der Agenda21 wurde damals eine Initiativgruppe „Mobilität und Verkehr“ gegründet, dessen Leitung Günter Lieberth als privater Akteur inne hatte.

2001 erfolgt der Startschuss

Nach einiger Zeit der Planung war es schließlich im Herbst 2001 soweit. Der damalige Landrat Rudolf Handwerker und der frühere Haßfurter Bürgermeister Rudi Eck weihten die Ladestation am Bahnhofs-Parkplatz im Rahmen des Straßenfestes ein. „Nach heutigen Maßstäben kann man fast sagen, dass es sich um eine „analoge“ Ladestation handelt“, sagte Landrat Wilhelm Schneider augenzwinkernd am Sonntag bei einer kleinen Feierstunde zum 20. Jubiläum.

Fünf Schuko-Steckdosen mit jeweils zehn Ampere und eine CEE-Steckdosen mit 16 Ampere hat die Station am Bahnhof. Nichts wurde seit der ersten Installierung verändert. Von Außen ist die Ladestation ein normaler Elektro-Schaltkasten, der nur mit einem eigenen Schlüssel zu öffnen ist. Das Landratsamt hat sich seinerzeit bereit erklärt, die Ausgabe und Verwaltung zu übernehmen. Für 15 Euro Kaution bekamen die heute 45 Nutzer jeweils ihren Zugang zur elektrischen Zapfsäule. Der Betonklotz außen herum wurde von einer Gruppe aus dem Kunstunterricht vom Regiomontanus-Gymnasium Haßfurt durch farbige Gestaltung Agenda21-Graffiti verschönert.

Nach zehn Jahren zündet der „Booster“

Es brauchte danach allerdings noch ein ganzes Jahrzehnt, bis aus diesem Pionier-Projekt im Landkreis eine inzwischen immer schneller wachsende Ladeinfrastruktur entstand, errichtet vor allem durch die regionalen Energieversorger Stadtwerk Haßfurt, ÜZ Mainfranken und Stadtwerke Zeil. Als das Stadtwerk zum zehnten Geburtstag der Bahnhof-Ladesäule am Freizeitzentrum eine weitere größere Ladestation, mit Solarstrom-Modulen überdacht, erstellt hat, waren die kleinen Elektro-Leichtmobile schon etwas größer und mit 16 E-Autos im Landkreis auch mengenmäßig gewachsen. Seit dem letzten Jahr hat sogar auch der Elektroauto-Pionier Tesla im Landkreis am Euro-Rastpark Knetzgau gleich mehrere Super-Schnell-Ladestationen errichtet, sagte Landrat Wilhelm Schneider. Aktuell sind in den Haßbergen etwa 42 Ladestationen mit insgesamt 84 Ladepunkten aufgebaut, weitere sind in Planung. Auch die Anzahl der im Landkreis zugelassenen reinen Batterie-Elektroautos liegt bei stolzen 657. Allein in den letzten sechs Monaten ist damit die Zahl um 217 E-Autos angewachsen.

Auch das Stadtwerk Haßfurt, das den Strom für die Ladestation am Bahnhof kostenlos zur Verfügung stellt, hat den Boom gespürt. Der technische Leiter Felix Zösch erzählt, dass in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft der Stromverbrauch für die Aufladung der E-Autos nach oben gestiegen ist. Dabei handelt es sich übrigens um 100 Prozent Öko-Strom, den das Stadtwerk selber mit einer Photovoltaik-Freifeldanlage hinter seinem Betriebsgebäude produziert. Während der zwei Jahrzehnte wurden insgesamt knapp 50 000 Kilowattstunden Strom am Bahnhof gezapft. „In 20 Jahren konnten 50 Tonnen Kohlendioxid eingespart und so rund 250 000 Kilometer mit elektrischem Antrieb zurückgelegt werden“, ergänzt Felix Zösch.

Hat das Projekt Zukunft?

Und wie geht es in der Zukunft weiter? Irgendwann hat die historische Ladesäule ausgedient. Bei den Planungen für den anstehenden Umbau des gesamten Bahnhofumfeldes, haben natürlich auch mehrere moderne Energietankstellen und die dazugehörigen Parkplätze ihren Platz. Günter Lieberth fährt inzwischen seinen dritten Renault Zoe, der eine Reichweite von über 400 Kilometern hat. Er würde nie wieder auf diese Technologie verzichten wollen. „Den E-Autos gehört die Zukunft“, ist sich der Stöckacher sicher. Passend zum Thema reisten die Gäste der Feierstunde mit der Freizeitlinie „Burgenwinkel-Express“ anschließend zur Mobilitätsschau nach Ebern, um dort die umweltschonenden Neuheiten der Automobilindustrie zu erkunden.

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