Herr Dr. Geppert, wie war Ihr erstes Jahr als Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes?

Das Wichtigste war, viel zu strukturieren und mit einer klaren Linie Lobbyarbeit zu betreiben. Wir haben uns gefragt: Was ist für die Zukunftssicherung unserer Branche wichtig? Davon abgeleitet haben wir feste Ziele definiert.

Welche?

Wir brauchen einen einflussreichen, modernen Verband als Marke mit klaren thematischen Schwerpunkten. Wir müssen mit einer einheitlichen Stimme sprechen. Wir sollten ein positives Branchen-Image vermitteln; damit lösen wir viele nachgelagerte Probleme. Aus all diesen Zielen ist der „Dehoga-Bayern-Plan“ entstanden, den wir „BHG 2020“ genannt haben. 2020 deshalb, weil er bewusst über die Amtszeit des aktuell gewählten Präsidiums hinausgeht.

Was sind die Schwerpunkte?

Zum Beispiel die Arbeitszeit. Wir wollen eine flexiblere gesetzliche Regelung, eine Umstellung von täglicher auf wöchentliche Arbeitszeit. Uns geht es nicht um Mehrarbeit, sondern um eine andere Verteilung des Arbeitszeitvolumens. Momentan haben wir eine starre Höchstgrenze der Tagesarbeitszeit: maximal zehn Stunden. Gerade in unserer Branche, wo das Wetter entscheidet, wann was los ist, oder wo eine Hochzeitsfeier mal länger dauert, braucht man enorme Flexibilität. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie würde eine wöchentliche Betrachtung hergeben. Damit wäre uns sehr geholfen, denn innerhalb einer Woche kann man alles wieder ausgleichen.

Ihre Beschäftigten würden da mitziehen?

Ja, es ist auch der Wunsch der Mitarbeiter. Es gibt ja weiterhin Ruhezeit-Regelungen; Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Mitarbeiterschutz wären in jedem Fall gewährleistet. Auch der Arbeitnehmer wünscht sich die Flexibilität. Wenn Sie an das Modell denken „Vier Tage arbeiten, drei Tage frei“, dann ist das sicherlich charmant. Der Dehoga Bayern hat im Bundesverband maßgeblich durchgesetzt, dass dazu eine deutschlandweite Kampagne stattfindet. Der Fokus, auch bei einer gemeinsamen Aktion mit der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, liegt auf dem Arbeitnehmer unter dem Motto „So möchte ich arbeiten“. Am Anfang waren viele sehr skeptisch. Am Schluss hat die CSU diesen Aspekt sogar in ihr Wahl- und Regierungsprogramm aufgenommen. Wir konnten überzeugen.

Ein weiterer Schwerpunkt?

Fairer Wettbewerb. Wenn Menschen Gleiches tun, sollte es unter den gleichen Bedingungen stattfinden. Den reduzierten Mehrwertsteuersatz bei der Hotellerie brauchen wir, um Wettbewerbsgleichheit mit dem Ausland zu haben. In den Gastwirtschaften haben wir nun die Forderung „Gleiche Steuern für Essen“. Die Currywurst im Sitzen wird mit 19 Prozent besteuert, die zum Mitnehmen mit sieben Prozent. Tütensuppe: sieben Prozent, Essen im Wirtshaus: 19 Prozent, Plastikgeschirr: sieben Prozent, Catering mit Porzellangeschirr: 19 Prozent. Alles Ungesunde, Schnelle, eigentlich gesellschaftlich nicht Gewünschte wird steuerlich bevorzugt. Das kann doch nicht sein!

Vereinsgastronomie und Sharing Economy sind dem Verband ja auch ein Dorn im Auge.

Wir haben nichts gegen Vereine oder Vereinsfeste. Aber es gibt Feuerwehrfeste, die über drei Tage gehen und bei denen richtig umgesetzt wird. Das ist massive Konkurrenz für unsere Betriebe. Zumal es kaum Hygiene-Auflagen und sonstige Bestimmungen gibt, die unsere Wirte nachweisen müssen. Unsere Forderung: eine Art Kleinstbetriebsregelung. Damit könnte man für kleine Dorfwirtshäuser dasselbe Regelwerk mit allen Ausnahmen anwenden wie für Vereine. Wir haben auch nichts gegen „Airbnb“ und „Wimdu“ und wie die alle heißen, aber: Wenn das eine Dimension annimmt, wo wie ein Hotelier aufgetreten wird, dann sollten auch die gleichen Bedingungen Anwendung finden. Zum Beispiel Brandschutzauflagen und vieles mehr.

Die stetig wachsende Bürokratie ist auch ein Problem, oder?

Wir haben eine Umfrage gestartet, bei der herauskam, dass Hotellerie und Gastronomie wöchentlich im Schnitt 13 Stunden mit bürokratischen Dokumentationspflichten verbringen müssen. Der große Betrieb hat vielleicht sogar einen, der sich nur um diese Sachen kümmert. Aber was ist mit der Masse der kleinen Familienbetriebe? Die machen alles selber. Das ist Zeit, die am Gast fehlt. Der ganze Bürokratie-Wust muss weg!

Der Dehoga Bayern hält in diesem Punkt auch als Dienstleister für seine Mitglieder dagegen.

Richtig. Wir wollen noch mehr Beratung anbieten. Ein Punkt ist zum Beispiel der Brandschutz. Darüber jammern ja alle. Viele Betriebe müssen aufgeben, weil neue Auflagen kommen und sie nicht mehr verdienen können, was sie dafür investieren müssten. Wir haben festgestellt, dass das Gesetz relativ viel Spielraum lässt. Aber es gibt private Prüfsachverständige, Architekten, Planer, die nicht immer nur das Minimum, das im Gesetz steht, fordern, sondern manchmal eins draufsetzen. Das Problem: Wenn ein Wirt mit einer Baumaßnahme mit diesem erstellten Konzept zu seiner Behörde geht und die ihre Unterschrift druntersetzt, dann kommt er da nicht mehr raus. Wenn im eigenen Konzept mehr drinsteht, als gefordert ist, dann ist man gehalten, das zu machen. Deshalb haben wir zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Baulicher Brandschutz des Werkfeuerwehrverbandes ein Maßnahmen-Paket geschnürt. Bei uns gibt es für unsere Mitglieder eine kostenfreie Erstberatung, dazu eine vergünstigte Erstbegehung. Mein Aufruf an alle Hoteliers und Gastronomen: Bevor Sie etwas machen, nehmen Sie zu uns Kontakt auf! Man kann sich mit dem richtigen Fachmann viel Geld sparen, obwohl alle Auflagen erfüllt werden.

Sie geben als Berufsverband also der Branche auch ganz konkrete Hilfestellungen?

Selbstverständlich. Nur so kann man den Verband zukunftssicher machen. Wir müssen auch unbedingt etwas für junge Leute tun. Der Branchennachwuchs ist generell ein Riesenthema. Wir planen hier ein „Forum Junge Gastgeber“. Wir wollen eine Plattform schaffen auf höchster Ebene, auf der sich gezielt junge Gastronomen und junge Hoteliers austauschen und engagieren können. So können sie den Verband nach vorne bringen.

Das bringt mich auf das Problem der Nachfolgeregelung in Familienbetrieben. Sind Wirtssöhne und Wirtstöchter eher bereit, selbst Wirt zu werden?

Auch das ist schwierig. Sie sehen zwar einerseits die Chancen, aber eben auch die Arbeit, die damit verbunden ist. Gerade hier müssen wir helfen. Grob schätzen wir, dass in zwanzig Prozent unserer Betriebe in den nächsten Jahren ein Generationenwechsel ansteht. Es gilt, auch mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums, für diese Übergaben optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Verband hilft da schon, aber es muss sicherlich noch mehr getan werden.

Und wie sieht es bei den Beschäftigten aus? Gibt es auch da Nachwuchsmangel?

Ja, das ist das größte Problem. Es gibt genügend Arbeit, aber es ist schwierig, Fachkräfte dafür zu bekommen. Wir haben zu dem Thema einige Programme entwickelt. Wir haben zum Beispiel 120 gastgewerbliche Ausbildungsbotschafter in Bayern. Die haben mit ihrer Qualitätsoffensive „Wertschätzende Ausbildung“ dazu geführt, dass bei uns die Ausbildungszahlen wieder steigen. Besonders erfreulich ist die Entwicklung beim Beruf Koch. Aber es ist natürlich ein enormer Bedarf an Fachkräften da.

Sie vertreten Ihre Positionen mit viel Leidenschaft. Bislang haben Sie vor allem für Parteien und Politiker gearbeitet. Fühlen Sie sich in einem Wirtschaftsverband jetzt wohler?

Mit einem Verband wie dem Dehoga – mit der Mitgliedermasse, die man dahinter hat, mit der Verwurzelung, mit der Größe an hauptamtlichen Mitarbeitern – kann man tatsächlich noch mehr bewirken. Vor allen Dingen findet man mehr Gehör. Das macht schon Freude. Ich bin wirklich beigeistert. Ich will motivieren, Hoffnung geben und den Funken überspringen lassen. Ja, es ist vieles schlimm und es wird in mancherlei Hinsicht auch schwieriger, gerade auf bürokratischem Gebiet. Aber wir müssen immer nach vorne schauen. Da gibt es ein Licht, da ist Hoffnung.

Sie sind da mit Ihrer neuen Verbandspräsidentin, Angela Inselkammer aus Aying, auf einer Linie?

Ich bin so glücklich über Angela Inselkammer. Sie ist unheimlich authentisch, sehr bekannt und verwurzelt, sie hat ein sehr hohes Standing und Renommé auch in der höchsten Politik. Jetzt haben wir – mit ein bisschen Netzwerk von mir und von ihr – auf einmal Zugänge bekommen, die ich mir so nicht hätte erträumen können. Auch hier, bei Kabinettsmitgliedern, beim Ministerpräsidenten, konnten wir die Bedeutung des Gastgewerbes für Bayern gut verankern.

Aber zwei gute Lobbyisten machen ja noch keinen erfolgreichen Verband.

Deshalb habe ich am Anfang betont, wie wichtig es ist, dass wir alle mit einer Stimme sprechen. Keine Aktion darf ungeplant im luftleeren Raum stehen. Sie sollen voneinander abhängig sein. Nur so können wir gezielt unseren Vorteil, die regionale Verwurzelung bis auf Kreisebene, nutzen. Ein Beispiel: Einer unserer 750 Ehrenamtler trifft im Bayerischen Wald Minister Söder und spricht dort ein Thema an, das uns drückt. Und zwei Tage später ist Söder in Würzburg und trifft wieder einen von uns. Von dem kommt der Hinweis auf das gleiche Thema. Durch diese Koordination der regionalen Gliederungen bringen wir unsere Forderungen noch besser an den Mann. Diese einheitliche Stimme mit klaren Themen-Schwerpunkten ist wichtig. Das prägt sich besser ein.

Dieses Denken muss aber an der Basis auch verankert werden, oder?

Auch deshalb bin ich immer wieder gerne in den einzelnen Regionen, bin viel bei Versammlungen. Da kann man den direkten Austausch führen und Klartext reden. Wenn wir jetzt wirklich nach der Bundestagswahl ein paar Veränderungen erreichen, die von uns initiiert wurden, dann ist die Motivation natürlich noch tausendmal höher. Das wäre wichtig und gut für unser Land und vor allen Dingen für unsere Branche, für die es mehr als wert ist, zu kämpfen.

Sie haben sich nach einem Jahr richtig hineingesteigert in Ihre neue Aufgabe.

Ich war ja branchenfremd. Mir war die Bedeutung des Gastgewerbes so nicht bewusst. Man nimmt das als selbstverständlich hin. Jetzt weiß ich: Unser Land ohne Hotellerie und Gastronomie wäre dunkel. Es würde nichts mehr funktionieren.
Sie haben immer auch die gesellschaftliche Funktion des Gastgewerbes betont ...
… und seine Bedeutung für den ländlichen Raum. Wer gibt denn dem ländlichen Raum noch Zukunft, wer schafft denn da noch Arbeitsplätze? Da ist der Tourismus ein maßgeblicher Aspekt. Und die Gastronomie kann als Rückgrat des Tourismus‘ maßgeblich dazu beitragen, dass auf dem Land gleichwertige Lebensverhältnisse entstehen wie in den Metropolen.

Vor allem mit ihren kleinen, familiengeführten Betrieben?

Das ist doch ein starkes Stück Bayern und es macht Bayern zu dem, was es ist. Wir sind familiengeprägter Mittelstand, unsere Betriebe denken in Generationen, nicht in schnellen Gewinnmaximierungen. Deshalb müssen wir versuchen, sie zu erhalten. Wenn wir die dörfliche kleinstrukturierte Wirtshauskultur kaputtmachen oder nichts für ihren Erhalt tun, dann verlieren wir das, was Bayern wirklich ausmacht. Dann kommt man zu amerikanischen Verhältnissen, mit Systemgastronomie an hochfrequentierten Plätzen, aber in einem Dorf fehlt genau das, weswegen der Gast zu uns kommt.

Und der Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft fiele auch weg.

Genau. Es gab eine Studie (zusammen mit dem Wirtschaftsministerium) mit dem Claim „Stirbt das Wirtshaus, stirbt das Dorf“. Da ist durchaus was dran an dieser Funktion.

Die Gastronomie prägt also das Bild Bayerns nach außen?

Das Gastgewerbe ist die Visitenkarte Bayerns. Erinnern Sie sich noch an den G7-Gipfel, wo US-Präsident Obama mit dem Weißbierglas in der Hand fotografiert wurde? Dieses Bild ging durch alle Gazetten. Daran sieht man, dass das Gastgewerbe die Visitenkarte Bayerns ist.

Sie besuchen mehrmals im Jahr Ihre Eltern in Arzberg. Was fällt Ihnen dabei an der Gastronomie im Fichtelgebirge auf?

Das Fichtelgebirge hat unendlich viel Potenzial. Man hat vielleicht auf den Tourismus ein bisschen zu spät gesetzt. Wenn in der Industrie alles toll läuft (so war es ja mit der Porzellanindustrie), dann kommt man nicht immer gleich auf die Idee, gleichzeitig auf den Tourismus zu setzen. Aber jetzt ist für mich das Fichtelgebirge in einer sehr guten Entwicklung, ich bin vom touristischen Angebot hier begeistert. Da kann man wirklich selbstbewusst auftreten. Was mir immer auffällt, ist: Qualität setzt sich durch. Ein tolles Lokal muss nicht in der Großstadt sein. Wenn ein tolles Lokal mit einer guten Qualität in einem Kleinstdorf ist, dann wird es trotzdem genauso gut laufen, als wäre es in irgendeiner Großstadt. So etwas spricht sich relativ schnell herum. Es muss nicht immer ein Leuchtturm-Projekt sein – Leuchtturm-Projekte sind auch schön – aber wenn es etwas Gemütliches, Uriges ist, was vor allem die Regionalität mit einbezieht, dann hat das auf jeden Fall auch Zukunft bei uns.

Gilt das auch im Blick auf ganz Oberfranken?

Man kann zuversichtlich und selbstbewusst seine Chancen ergreifen und wirklich stolz sein auf das, was es gibt. Wenn man dann wirklich mit dieser Regionalität punktet, passt das perfekt. Oberfranken hat Charme, Oberfranken hat als Genussregion viel Potenzial und deshalb auch Zukunft. Auch, wenn es eine schwierige Zeit hinter sich hat. Aber: Man darf sich selber nicht schlechtreden. Mit Blick von „hier unten“ aus, also aus Oberbayern, aus München, muss ich sagen: Der Ruf Oberfrankens ist bei Weitem nicht so schlimm, wie es vielleicht der eine oder andere vor Ort denkt. Im Gegenteil.

Was müsste aus Verbandssicht die Regionalpolitik gerade in Oberfranken noch konkret leisten? Welche Defizite müssten behoben werden?

Die Kommunen und die lokalen Akteure sollten endlich grenzübergreifend Tourismus denken und danach leben. Für einen Gast gibt es keine kommunalen Grenzen. Wir sollten unsere Betriebe in den Vordergrund stellen, regionale Befindlichkeiten beiseite lassen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Vielleicht kann man auf kommunaler Ebene noch mehr versuchen, mit dem Wirt oder dem Hotelier vor Ort gemeinsam Lösungen zu finden, um Auflagen zu erfüllen. Und sich weniger am Reißbrett theoretisch was ausdenken und versuchen, das dem Unternehmer überzustülpen. Man sollte eigentlich einen offenen fairen Austausch suchen. Es geht darum, das in der Region zusammenzuhalten, das ist das A und O. Wenn wir das hinkriegen, dann wäre vieles noch besser, als es eh schon der Fall ist.

Das Gespräch führte Rainer Maier

Starker Verband
Der Hotel- und Gaststättenverband in Bayern vertritt die Branche mit etwa 39.500 Unternehmen, die einen Umsatz von 15,8 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaften. Das Gastgewerbe hat rund 400.000 Erwerbstätige, das heißt, jeder Zwanzigste in Bayern ist in der Hotelerie und Gastronomie beschäftigt. Dazu etwa 10.000 Auszubildende, jeder zehnte Azubi im Freistaat macht seine Lehre hier.