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Parkraum wird immer knapper – und immer teurer. Am Ende könnten Auktionen stehen.

 
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Vielleicht hatte Louis Hagen einfach nur einen "Spleen". Was er sich prima erlauben konnte, da er als Bankier, Mitglied des BMW-Aufsichtsrates und Großaktionär des Kiepenheuer-Verlages sehr wohlhabend war. Jedenfalls so lange, bis er 1940 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in die USA emigrierte. Eventuell jedoch sah er einfach nur ein bisschen weiter in die Zukunft, als viele andere es zu seiner Zeit taten.

Sein Anwesen in der noblen Potsdamer Bertinistraße – unmittelbar am Jungfernsee – ließ er 1927 mit Dachterrassen, Turnhalle, Boxring und einem Schuppen bauen, in dem ein batteriebetriebenes Boot vor Anker lag. Vor allem aber gibt es unter dem Haus eine Tiefgarage mit 14 Stellplätzen. Womöglich ahnte er, dass es eines Tages etwas noch viel Wertvolleres geben könnte, als Villen-Viertel, unverbaubare Sicht oder privilegierten See-Zugang: Parkraum nämlich.

Die Nachfrage nach Fünf auf Zwokommadrei ist in der Regel größer als das Angebot. Jedenfalls da, wo immer mehr Leute hinwollen: in der Stadt. Und das Missverhältnis wächst, je näher man der City kommt. Gut ein Drittel des dortigen Verkehrs, schätzen Fachleute, entfällt inzwischen auf die Suche nach einer Abstellmöglichkeit. Eine millionenfache Irrfahrt. Tagaus, tagein.

Und ein Geschäft unvorstellbaren Ausmaßes. Denn wenn etwas knapp wird, steigt der Preis. Das oberste Gesetz des Marktes. Das gilt bei Mieten ebenso wie bei der Bleibe fürs Auto. Parken wird künftig, wer Geld hat. Komfortabel parken, wer viel Geld hat. Der Höhepunkt einer Entwicklung, die 1935 begann, als in Oklahoma City die erste Parkuhr der Welt aufgestellt wurde.

Jammern sollten wir allerdings nicht. Nicht über klamme Kommunen, die immer Geld brauchen können. Nicht über private Betreiber, die sich die Platznot reichlich vergelten lassen. Nicht darüber, dass es zu wenig öffentlichen Nahverkehr gibt. Allenfalls über uns selbst. Die wir uns freuen an jeder grünen Parkhaus-Anzeige, an jedem P-Symbol im Navi – und dankbar sind für jede App, die uns irgendwo zu einem Stellplatz lotst. Denn mit jedem Grad der Vernetzung wird alles noch teurer. Digitale Technik hilft dabei, den knappen Raum besser zu managen – vor allem aber hilft sie dabei, ihn noch besser zu vermarkten.

Es wird werden wie bei den Billigfliegern: Mittelplätze weit hinten ergattert man mit etwas Glück zum Schnäppchenpreis. Alles andere kostet extra: Fenster, Gang, Gepäck, Priority-Boarding. Sogar der Schluck Wasser an Bord.

In San Francisco kann man das bereits wunderbar sehen. Dort schwanken die Parkgebühren je nach Lage und Tageszeit zwischen 25 Cent und sechs Dollar die Stunde. Doch glaube keiner, das sei ein Phänomen weit weg. Der Parkhaus-Konzern Apcoa, der allein in Deutschland 200 000 Stellplätze in 80 Städten verwaltet, bietet Reservierungen an diversen deutschen Flughäfen an. Mit Rabatt für Frühbucher, und umso teurer, je weniger weit man zum Terminal laufen möchte. Gipfel der Vermarktung: das Angebot einer Park-Stornoschutz-Versicherung.

Worauf wir am Ende zusteuern? Auf riesige Datenbanken und Echtzeit-Auktionen für jedes noch so kleine Fleckchen Asphalt. Ein Auf-die-Plätze-fertig-los. Mit Reservierung gegen Aufpreis, Stoßzeiten-Zuschlag und zubuchbarem Premium-Parken. Wer gleich noch tankt oder das Auto waschen lässt, bekommt Nachlass. Und weil alles digital erfasst wird, erfolgt die Abrechnung sekundengenau – samt umgehender Meldung ans Ordnungsamt bei Überschreitung.

Würde Louis Hagen heute – 90 Jahre später – ein Haus zu bauen haben, er würde womöglich manches anders machen. Ganz sicher aber nicht bei den Stellplätzen. Allenfalls würde er über den Porsche-Design-Tower in Sunny Isle Beach nachdenken, einem Vorort von Miami.

Auf 60 Etagen verteilen sich dort 132 Appartements. Kleinere mit knapp 400 Quadratmetern – und größere. Ausreichend solvent sollte man daher schon sein. Das beste jedoch ist nicht die Aussicht auf den Atlantik oder der Pool – es sind die drei Aufzüge, in denen man seine Autos mit nach oben nehmen kann. Egal auf welchem Stockwerk. Selbst in den kleinsten Wohnungen ist gleich neben dem Livingroom noch Raum für bis zu vier Karossen. Da ist es dann so was von egal, was auf der Straße die Stunde kostet.

Die Villa Hagen übrigens ist nach wechselvollen Jahren nur mehr eine Ruine. Zum Abbruch freigegeben. An den Parkgebühren jedenfalls kann der Niedergang nicht gelegen haben . . .

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