Eigener Inhalt Mein Staub, dein Staub

Wolfgang Plank
 Quelle: Unbekannt

Wer Kleinst-Partikel aus den Städten bringen will, hat gut zu tun. Nur Diesel-Autos auszusperren reicht nicht

 
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Der Diesel mal wieder. Klar. Geht am einfachsten. Alter-Stinker-Plakette drauf, städtische Verordnung dazu – und schon war’s das mit der Fahrt in die City. Von Amts wegen. Da freut sich der Bundesverkehrsminister. Denn das ist Alexander Dobrindts Plan. Nicht selbst tätig werden, sondern Länder und Kommunen machen lassen.

Stuttgart macht. Muss machen. Die Deutsche Umwelthilfe hat die Stadt, wie andere auch, schlicht verklagt. Auf saubere Luft. Genau darauf zielt auch ein Verfahren der EU-Kommission. Denn was man am Neckar atmet und andernorts in der Republik, ist beständig schlechter als gemeinsame Obergrenzen es erlauben.

Doch im Grunde müssen die Stuttgarter Stadtoberen – und in der Folge die Diesel-Fahrer – nur dafür büßen, dass andere ihren Job nicht gemacht haben. Die Autobauer nicht redlich – und die verantwortlichen Politiker überhaupt nicht. Die einen wollten uns glauben machen, aus einem modernen Selbstzünder käme die Luft hinten sauberer heraus als sie vorne hineingelangt sei. Und Herrn Dobrindt, wie zuvor auch schon die Herren Ramsauer, Tiefensee oder Stolpe, hat nicht die Bohne interessiert, dass all die hübschen Schadstoff-Werte nur auf dem Papier standen.

Indizien gab es zu Genüge. Seit zehn Jahren dringt die EU auf ein Verbot technischer Tricks. Ohne Erfolg. Abschalt-Einrichtungen? Zyklus-Erkennung? Thermo-Fenster? Im Kraftfahrtbundesamt kein Thema. Stets haben die Bundesverkehrsminister auskömmliche Renditen der Hersteller schwerer gewichtet als folgenlos atembare Luft. Dass Dieselmotoren die ohnehin laxen Grenzwerte nur im Labor einhalten und auf der Straße das Zehnfache und mehr ausstoßen – bestimmt nur Gerüchte…

In Stuttgart werden derweil harte Fakten geschaffen: City-Fahrverbot für alle Diesel unterhalb der neuesten Norm. Da sind auch Euro-5-Autos dabei, die vor anderthalb Jahren auch hierzulande noch als Neuwagen verkauft werden durften. Nicht nur Automobilverbände sehen das gefährlich nahe an der kalten Enteignung. Mindestens ist es ein Schritt, der weit über alles hinausgeht, was an Einschränkungen im Zuge einer blauen Umwelt-Plakette diskutiert wurde.

Wenn es wenigstens helfen würde. Doch leider ist das für Stuttgart beschlossene Diesel-Fahrverbot purer Aktionismus. Selbst Fachleute im Umweltbundesamt halten den Effekt für höchst überschaubar. Denn erstens sind selbst modernste Diesel in Sachen Feinstaub nicht viel sauberer also solche der Normen Euro 4 und 5, und zweitens wiegt etwas anderes viel schwerer: Die Kleinst-Partikel in den Städten stammt nur zu gut einem Viertel aus Motoren – und im Übrigen auch aus direkt einspritzenden
Benzinern.

Der mit Abstand meiste Feinstaub entsteht durch Abrieb. An Kupplungsscheiben, an Bremsbelägen, an Reifen und Keilriemen. Völlig egal, mit welchem Sprit man unterwegs ist. Er fällt bei Kraftwerken an, bei Industriebetrieben, in der Landwirtschaft – und selbstverständlich kommt er aus jedem heimischen Schornstein. Und dann wären da noch Ruß, Sandkörnchen, Salzkristalle und Pollen. Selbst wer einen Sack Zement in den Mischer kippt oder nur ein Teelicht entzündet, setzt Feinstaub frei. Italienische Forscher haben gar ermittelt, dass der Rauch einer Zigarette dem entspricht, was ein Dieselmotor ohne Partikelfilter in 90 Minuten hinausbläst.

Bis heute ist nur unzureichend erforscht, wie Feinstaub genau Gesundheitsschäden verursacht. Wenig weiß man auch davon, welche Konzentrationen und Zusammensetzungen besonders riskant sind. Fest steht, dass sich im Winter besonders viel davon sammelt, weil kaltes Wetter den Luftaustausch hemmt. Im Fall Stuttgart kommt noch die besondere Lage in einem Talkessel dazu.

Wer wirklich dauerhaft saubere Luft will, müsste tatsächlich alle Staub-Quellen ins Visier nehmen. Schon gar nicht dürften die verantwortlichen Politiker zu Hause ein Feuerchen entfachen. Für ein gemütliches Stündchen vor dem lodernden Kamin oder am Schwedenofen kann man nämlich guten Gewissens 100 Kilometer mit dem Auto fahren. Sogar mit einem Euro-5-Diesel.

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