Eigener Inhalt Pass in die Spitze

Wolfgang Plank

Nun also auch Alfa Romeo. Seit mehr als 100 Jahren schon bauen die Italiener Autos. Zumeist schnelle, auf jeden Fall extravagante. Und manche zum Niederknien schön. Eins aber einte sie alle: Ihr Revier war la strada oder il circuito – Straße oder Rennstrecke. Nicht aber abseits davon. Doch jetzt dürfen Freunde der Drachenschlange aufatmen: Dank "Stelvio" ist nicht mehr Schluss mit Alfa, wo der Asphalt endet. Nun geht im Zeichen des Scudetto auch Schotter.

 
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Mit dem Namen bleibt Alfa Romeo zwar am befestigten Boden, dass der Neue aber Fahrspaß und Kletterkunst vereint, soll deutlich werden. Und so ist Stelvio eine Hommage an das Stilfser Joch – mit knapp 2800 Metern höchster Pass Italiens und nach dem Col de l’Iseran zweithöchster der Alpen: 48 Kehren von Prad im Vinschgau bis hoch zum Sattel – und noch einmal 40 hinunter nach Bormio. Eine einzigartige Strecke, bei der nicht nur Alfisti feuchte Augen bekommen.

Das dürfte ebenso für die Kurven des neuen Wagens gelten. Denn auch der Stelvio ist zuallererst einmal Alfa und erst dann SUV. Das Design deshalb ähnlich dynamisch wie bei der aktuellen Giulia, wegen der sechseinhalb Zentimeter mehr Bodenfreiheit aber deutlich wuchtiger und dennoch mit italienischem Gespür für Proportionen. Alles in allem sitzt man am Ende 19 Zentimeter höher als bei der flotten Schwester – vorne üppig und hinten kommod. Zumindest wenn man keine allzu langen Beine hat. Dafür packt der Stelvio hinter der elektrischen Klappe gut einen halben Kubikmeter Fracht weg.

Unter der vorderen Haube brummt zum Marktstart an diesem Wochenende entweder ein 210-PS-Diesel mit einem Normverbrauch von 4,8 Litern – oder ein 280-PS-Benziner, der in 5,7 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt. Ein Triebwerk für den Kopf, eines für den Bauch. In naher Zukunft reicht Alfa selbstzündend 180 PS nach, mit Kerzen 200. Und ja: Das variabel geladene V6-Herz mit 510 PS aus der Giulia Quadrifoglio wird zum Jahresende auch im Stelvio schlagen. Alle Modelle übertragen ihre Kraft per Acht-Stufen-Automatik zuvörderst ans Heck, bei Bedarf aber auch an alle vier Räder. Der kleine Diesel wird zusätzlich auch mit ausschließlichem Hinterradantrieb angeboten.

Freude am Fahren speist sich aber nicht allein aus Vortrieb. Doch für einen flotten Geländegänger ist den Italienern ein sehr überzeugender Spagat gelungen. Klug gewählter Radstand bei 4,69 Meter Länge und ideal verteilte Masse bescheren eine ausgewogene Balance. Dazu eine direkte und präzise Lenkung, bissige und vor allem standfeste Bremsen sowie ein angenehm straffes Fahrwerk, das trotz Feder-Reserven für schlechte Wege den 1,67 Meter hohen Stelvio auch in sehr schnellen Kurven ordentlich im Lot hält. So sportlich kann ein SUV sein.

Alles auch eine Frage des Gewichts. Für Motorhaube, Heckklappe, Türen, Kotflügel und Teile der Radaufhängung verwendet Alfa Romeo nicht ohne Grund Aluminium, für die Kardanwelle Kohlefaser. Unterm Strich stehen zwar immer noch runde 1,6 Tonnen, aber eben auch Volant-Vergnügen direkt vom Erzeuger. Besonders dann, wenn man die stabilisierende Elektronik über die serienmäßige Fahrdynamik-Regelung stufenweise zurückdrängt. Ganz nebenbei lässt der Stelvio dann auch deutlich brabbelnder von sich hören.

Doch nicht nur optisch und technisch strebt Alfa nach Höherem. Der Stelvio soll ein Pass in die Spitze werden. Gebaut wird er darum in Cassino südlich von Rom. Das Werk unweit der berühmten Benediktiner-Abtei ist für die Premium-Modelle des FCA-Konzerns reserviert. Auf Wunsch gibt’s also auch genarbtes Leder und Echtholz-Einlagen. Die Konkurrenz trägt schließlich Weiß-Blau, Rössle, Stern oder Ringe.

Selbstverständlich kann der Stelvio auch Spur und Abstand halten, in den toten Winkel äugen und für Fußgänger bremsen – autonomes Dahingleiten allerdings sollte man nicht erwarten. Dazu sitzen die Alfa-Ingenieure in Gedanken dann doch zu sehr auf der Fahrerseite.

Apropos: Die Türe dort öffnet sich ab 47 500 Euro für den Diesel, wer die 280 PS des Benziners möchte, muss mindestens 49 000 Euro anlegen. Dafür gibt’s ganz ohne Aufpreis einen Startknopf direkt im Lenkrad. Wer dann an die Straße zum Stilfser Joch denkt und nicht drücken will, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen.

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