Coburg - „Ich hau Sie gleich!“ Wenn Blome ihm von rechts ins Wort grätscht, kann Augstein schon mal grantig werden. Das ist zwar nicht die feinste Form der Streitkultur, aber es bleibt ja bei der schmollenden Gewaltandrohung – und ein bisschen Show muss schließlich sein. Dass sie im Grunde ein Herz und eine Seele seien, der „Freitag“-Herausgeber und „Spiegel“-Kolumnist Jakob Augstein und der Bild-Vizechef Nikolaus Blome, ist sicher zu hoch gegriffen.

Doch sie sind ein eingespieltes Duo, das in der Nachfolge von Kienzle & Hauser (ZDF) - und mit ein paar Anleihen bei Waldorf & Statler (Muppet Show) - seinen politischen Dissens unterhaltsam zu inszenieren versteht. Rinks und lechts kann man wirklich nicht velwechsern, wenn sie in den Ring steigen – sei es von „Phoenix“-Kameras oder in der Aula der Coburger Hochschule.

Am linken Tisch der aufgeknöpfte Kapitalismuskritiker Augstein (50), am rechten Tisch der rechtsliberale Schlipsträger Blome (54) – dazwischen nicht nur das Banner der Coburger Literaturtage, die mit diesem Duell ein neues Format erproben. Sondern auch eine weltanschauliche Kluft, über die nur eine gangbare Brücke führt: die des gegenseitigen Respekts und des zivilisierten Dialogs.

Darum geht es den beiden prominenten Journalisten in ihren saloppen Streitgesprächen, die in ihr Buch „Links oder rechts?“ eingeflossen sind. Das nutzen sie live nur als Startrampe ihrer fundierten Streitlust, die in so ziemlich jedem politischen Winkel reichlich Treibstoff findet. Natürlich auch in den USA, wo sie aus dem gemeinsamen Befremden über die Witzfigur im Weißen Haus ganz unterschiedliche Schlüsse ziehen: „Das System ist stärker als Trump“ beschwichtigt Blome, während Augstein im Aufblühen der Populisten dies- und jenseits des Atlantik einen Beleg für den Zerfall eines „runtergerockten Systems“ sieht: „Das sind Angstsymptome der ins Schlingern geratenen westlichen Demokratie“. Und Blomes Rechtfertigung der US-Bomben auf Syrien als Signal an Moskau bringt Augstein regelrecht in Rage: „Das waren 59 Show-Bomben. Aber die Toten waren echt“.

„Überzeugt Sie das?“ fragt Blome ins Publikum – und erntet zu seinem Erstaunen ein vielstimmiges „ja“. Applaus-Sieger ist an diesem Abend ist eindeutig der Herzenslinke, während mit polemischen Sticheleien beide punkten: „Der Kollege kann schreiben, also technisch....“ disst Blome seinen Kontrahenten, und Augstein kontert schon mal derb, wenn sein Gegenüber die Armutsstatistik schönrechnet: „Das ist zynisch, Sie reden totalen Quatsch!“ .

Ob sich ihr Disput an den Einkommensunterschieden zwischen Frau und Mann entzündet, am Klaffen der sozialen Schere oder an der Regierungsbilanz Angela Merkels: Letztlich führt er stets zurück zu den Bezugspunkten unterschiedlicher politischer Koordinatensysteme. Während Blome an die Möglichkeit einer sozialen Marktwirtschaft glaubt, ist der Kapitalismus für Augstein von Haus aus ungerecht und unanständig. Während Blome Fehler im System einräumt, hält Augstein das System selbst für den Fehler.

Ob denn schon mal einer den anderen argumentativ habe überzeugen können, möchte am Ende ein Zuhörer von den Kontrahenten wissen. Augstein feixt schlagfertig: „Er traut sich nicht, das zuzugeben. Und mich hat er natürlich nicht überzeugt“.