Länderspiegel Genossen stehen unter Schock

Jürgen Umlauft
Die Vorwürfe reichen weit: Gestern hat die Polizei den Regensburger Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs festgenommen. Foto: Archiv

Mitten auf der SPD-Klausur im Kloster Irsee erfahren die SPD-Größen von der Verhaftung eines der ihren. In der Partei ist man fassungslos.

 
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Irsee - Auf der SPD-Klausur im Kloster Irsee schlägt die Meldung von der Verhaftung des Regensburger Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs am Vormittag wie eine Bombe ein. Die SPD-Stadtvorsitzende Margit Wild flieht kreidebleich für eine Beruhigungszigarette vor die Klostertüren ins Freie - und dort zittert sie nicht nur wegen der Allgäuer Winterkälte. Eine halbe Stunde später wirkt sie wieder gefasst, ist aber noch immer "geschockt". Ob ein Oberbürgermeister, gegen den ein Haftbefehl erwirkt wurde, denn im Amt bleiben könne, wird sie gefragt. "Diese Frage stellt sich, wir können sie aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten", sagt Wild noch in Unkenntnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse. Dann setzt sie sich ins Auto, um abends zu den eilends einberufenen Gremiensitzungen in Regensburg zu sein.

Erschüttert tigert der Oberpfälzer SPD-Bezirkschef Franz Schindler die Klosterflure entlang. Immer wieder schüttelt er ungläubig den Kopf und blickt nahezu flehentlich gen Himmel, als ob er mit dem Herrn da oben hadern wollte, der ihm nun auch noch diese Prüfung geschickt hat. "Es trifft uns als SPD in der Oberpfalz hart, wenn einer unserer führenden Repräsentanten in Haft genommen wird", seufzt Schindler. Für ihn ist das besonders bitter, denn er kennt Wolbergs schon seit dessen Jugendtagen und war stets von dessen Untadeligkeit überzeugt. "Das sind neue schwerwiegende Vorwürfe", staunt Schindler jetzt über die massiven Vorhalte der Staatsanwälte. Noch mag er nicht ganz vom Glauben an die Lauterkeit Wolbergs abrücken. "Mir hat der Oberbürgermeister mehrfach versichert, dass er alles widerlegen kann, das glaube ich ihm bis heute."

Ganz Jurist betont Schindler denn auch, dass für einen Untersuchungshäftling weiter die Unschuldsvermutung gelte. "Über eine Straftat entscheidet nicht der Staatsanwalt, sondern ein Gericht", erklärt er. Deshalb könne erst über personelle Konsequenzen nachgedacht werden, wenn sich die Vorwürfe in dieser Härte bestätigen sollten. Die Federführung habe die Regensburger SPD. Wolbergs müsse nun schnell für Klarheit sorgen, über Wochen oder Monate könne es keine Hängepartie geben. "Man wird nicht ewig auf eine Erklärung des Oberbürgermeisters warten können", macht Schindler Druck.

Dem schließt sich eine "bestürzte" SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen an. "Wir erwarten eine schnelle Aufklärung", sagt sie ebenso verstört wie hilflos. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, der noch tags zuvor fest davon überzeugt war, dass Wolbergs "nicht käuflich" sei, meidet nun Mikrofone und gezückte Kugelschreiber.

Für Bayerns SPD ist es in den vergangenen Wochen ohnehin knüppeldick gekommen. Erst wurde ihr inzwischen aus der Partei ausgetretener Abgeordneter Linus Förster inhaftiert, weil er eine willenlose Frau sexuell missbraucht und auch noch Kinderpornos besessen haben soll, dann starb überraschend der Memminger Oberbürgermeister Markus Kennerknecht nach nur 38 Tagen im Amt - und jetzt auch noch das. "Fatal" sei die Sache mit Wolbergs für die Partei, urteilt der Abgeordnete Horst Arnold, "das ist das Festklopfen der 14 Prozent". So tief nämlich ist die SPD in Bayern nach einer aktuellen BR-Umfrage inzwischen gesunken. Und Klaus Adelt, der sich jahrelang als Bürgermeister der Frankenwald-Gemeinde Selbitz "redlich abgestrampelt" hat, ist einfach nur verärgert und frustriert. "Wenn einer auch noch in die eigene Tasche wirtschaftet, dann hört es mit der Solidarität endgültig auf", macht er seinem Unmut Luft. "Es gibt schönere Tage", sagt Margit Wild noch vor ihrer Abreise. Es findet sich in Irsee niemand, der ihr widersprechen will.

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