C oburg - Was eint Clara und Robert Schumann, Gustav Mahler, Johannes Brahms, Richard Strauss, Carl Loewe und Wolfgang Rihm - außer der Tatsache, dass sie Komponisten sind? Sie alle vertonten Gedichte von Friedrich Rückert. Der erstaunliche Umfang und die Vielfalt seiner Lyrik sind - nicht zuletzt wegen dieser Lieder - heute bekannt, der Dichter selbst jedoch findet kaum noch Beachtung.

Dies will Dr. Wolfgang Weyers ändern: Im Freiburger Rombach Verlag erschien jetzt unter dem Titel "Der große Zauberer" eine Rückert-Biografie, die nicht nur das Leben des gebürtigen Schweinfurters erzählt, sondern es auch durch seine Verse illustriert. Alles, was ihn bewegte, reflektierte Rückert in seinen Poemen: Gott und die Welt, Ethik und Erziehung, Liebe und Tod. Auf 475 Seiten (plus umfangreichem Anhang) lässt der Autor das Leben des großen Dichters und Übersetzers Revue passieren. Weyers will Rückert dem Vergessen entreißen und bedauert im Vorwort, dass der Begründer der deutschen Orientalistik nicht in die 100-bändige "Bibliothek der deutschen Klassiker" (Carl Hanser Verlag 1982) aufgenommen wurde. Dieser Vernachlässigung in Deutschland steht eine umso größere Wertschätzung im Ausland gegenüber: Dort zählt Rückert nach wie vor zu den bekanntesten deutschen Dichtern. So sind zum Beispiel in Indien und im Iran Straßen nach ihm benannt. Außerhalb seiner fränkischen Heimat wird hierzulande Rückerts Andenken jedoch nicht weiter gepflegt.

Damit die vorliegende Neuerscheinung nicht nur als trocken wissenschaftliches Kompendium daher kommt, legt Weyers einen Schwerpunkt auf die vertonten Gedichte Rückerts und fügt dem Buch zwei CDs bei. Ob Franz Schuberts "Du bist die Ruh" (das auch von Fanny Mendelssohn Hensel in Noten gesetzt wurde), Robert Schumanns "Widmung" oder Gustav Mahlers "Ich bin der Welt abhanden gekommen": Alle Tonaufnahmen (von "Naxos" Deutschland) zeugen von der intensiven Beschäftigung und Auseinandersetzung der Komponisten mit dem Wort. Hochrangige Interpreten wie Tamara Takács, Mezzosopran, Julia Borchert, Sopran, Dorothea Craxton, Sopran, Hidenori Komatsu, Bariton, Thomas E. Bauer, Bariton, oder Markus Schäfer, Tenor, lassen den Rückert'schen Kosmos transparent auferstehen.

Magie der Sprache

Rückerts Leben in seinen eigenen Werken zu schildern, ist Wolfgang Weyers Anliegen: Die zitierten Gedichte sollen (so das Vorwort) "den biografischen Kontext vor allem illustrieren und nicht belegen". Daraus ergab sich auch die thematische Gliederung des Buches: Logisches Gerüst ist die Biografie des Schweinfurters, daneben jedoch ordnet Weyers unter Stichworten wie "Erziehung", "Glück", "Tod" oder "Politik" weitere Themen-Kapitel an.

"Der große Zauberer" : Zwar wurde Rückert dieser Beiname wegen seiner imposanten Erscheinung während einer Italienreise gegeben, doch die Bezeichnung passt auch deshalb zu ihm, weil er es wie kaum ein anderer verstand, die Magie der Sprache auszureizen, und auch selbst die Poesie als Zauberei bezeichnete: "Die Poesie ist freilich Zauberei;/Ob aber der
Poet/Mehr Zauberer, mehr selb bezaubert sei?/Ist, was in Frage steht."

Wolfgang Weyers: Der große Zauberer. Leben und Lieder von Friedrich Rückert. Rombach Verlag Freiburg, 528 Seiten, sechs Farbabbildungen, Paperback, mit 2 CDs. 28 Euro.

ISBN: 978-3-7930-9787-7.

Dr. Wolfgang Weyers

Dr. Wolfgang Weyers, geboren 1958 in Köln, ist Dozent für Dermatologie an der Universität Freiburg. Er war lange Zeit Sportreporter beim Ersten Deutschen Fernsehen, ehe er sich ganz der Medizin und seinem Spezialgebiet der Dermatopathologie widmete. Er ist Verfasser mehrerer Bücher zur Medizingeschichte, die in englischer Sprache erschienen sind. Im Jahr 2009 kam beim Rombach Verlag sein Kinderbuch "Der Auszug der Lamuca" heraus, ein Fabelepos für Kinder und Erwachsene. Im Jahr 2012 folgte "Die Schöpfung", eine Zeitgeschichte in Versen.


Friedrich Rückert

Der Dichter, Übersetzer und Mitbegründer der deutschen Orientalistik wurde am 16. Mai 1788 in Schweinfurt geboren und starb am 31. Januar 1866 in Neuses/Coburg. 1821 heiratete Rückert, der als Professor an den Universitäten von Erlangen und Berlin tätig war, die Coburgerin Luise Fischer, mit der er zehn Kinder hatte. Von 1848 an wählte er seinen Ruhesitz in Neuses, wo er seit 1821 heimisch war. Er besaß dort ein Gut und schuf sich mit dem Gartenhaus auf dem nahe gelegenen Goldberg ein Refugium. Friedrich Rückerts Grab befindet sich neben der Dorfkirche von Neuses.


Rückert-Preis

Der Coburger Rückert-Preis wird von der Stadt Coburg seit 2008 verliehen. Er ist mit 7500 Euro

dotiert. Die nächste Verleihung

ist für den 31. Januar 2016 vorgesehen, den 150. Todestag des Dichters. Im Mittelpunkt steht dann die türkische Literatur. Rückert hat sich mit 44 Sprachen befasst, wobei die des Nahen und Mittleren Ostens den Schwerpunkt seiner Arbeit bildeten. Daher wird der Coburger Rückert-Preis an Autorinnen und Autoren aus dem arabischen, iranisch/afghanischen, türkischen, indischen und anderen relevanten Sprachräumen verliehen.