Zahlen, Zahlen, Zahlen - nein, sie sind es nicht, die ein Kulturfestival ausmachen (sollten). Weil aber der "Provinzschrei" zwar eine Institution ist, die keine Institution im Rücken hat, sondern "nur" einen Verein von engagierten Leuten, darf man sie einmal an erster Stelle nennen: Zahlen zeigen nämlich, dass eine Privatinitiative Unglaubliches auf die Beine stellen kann - mit Hilfe eines begeisterungsfähigen Publikums.
Und da haben sich die Leute von Provinzkultur mit Claudia Neukirchner an der Spitze in den vergangenen 16 Jahren einen tollen Ruf erarbeitet: 45 500 Gäste zählten die Organisatoren des "Kunst- und Literaturfestes im Thüringer Wald" bislang - Ausstellungsbesucher nicht eingerechnet. 340 Künstler und Ensembles reisten in 15 Festivaljahren nach Suhl und in die Umgebung. Etwa 90 Partner wirken inzwischen mit - nicht nur als Financiers übrigens. "Wir haben ein richtiges Netzwerk geschaffen", sagt Neukirchner. Und das zu Recht mit Stolz, denn alles ruht hier auf wenigen Schultern - das finanzielle Risiko, mit einer Veranstaltung baden zu gehen, eingeschlossen.

Doch das ist noch nie wirklich passiert. Traditionell zum Weltfriedenstag am 1. September startet das Festival in seinen 16. Jahrgang. "Vielleicht unser schönstes Programm" sagt Mitorganisator Hendrik Neukirchner über das, was das fünfzigseitige Programmheft für die September- und Oktoberwochen offeriert.
Nomen est omen - für das Publikum zählen natürlich in erster Linie die Namen. Denn der "Provinzschrei" will Künstler in den Thüringer Wald holen, die sich sonst nicht so leicht hierher verirren. Das ist der Anspruch. Auch wenn es immer wieder Veranstaltungen gibt, die in erster Linie mit einem Thema punkten. Gleich beim Auftakt am 1. September wird es in diesem Jahr so sein, wenn Elias Bierdel, einst Kapitän auf der "Cap Anamur", in der Zella-Mehliser Schauburg seinen Dokumentarfilm über das Flüchtlingselend "Im Schatten Europas" vorstellt. 2014, bevor noch die Flüchtlingsthematik so brisant wurde wie sie heute ist, reiste er mit einer Gruppe von Filmemachern an die EU-Außengrenzen. Die Spurensuche führt von der griechischen Insel Lesbos nach Lampedusa und von der europäischen Stadt Ceuta, der Exklave in Afrika, nach Sizilien. Elias Bierdel trifft auf Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft, betroffene Aktivisten und die Bevölkerung vor Ort.

Das einstige Literaturfestival hat sich längst in nahezu allen Kunstsparten etabliert. Lesungen sind aber noch immer der Höhepunkt: Matthias Bersing und Susanne Kliemsch werden einen Strittmatter-Abend in der Suhler Stadtbücherei gestalten, Dominique Horwitz wird im Autohaus Ehrhardt aus seinem Roman "Tod in Weimar" lesen, Cornelia Scheel (die Adoptivtocher des späteren Bundespräsidenten) und Hella von Sinnen im "DruckWerk" auf dem Suhler Friedberg aus "Mildred Scheel - Erinnerungen an meine Mutter".

Daneben gibt es diese tollen Mischformen, in denen sich Künstler so richtig entfalten können: Peter Lohmeyer und der Club der toten Dichter wenden sich nach Rilke, Schiller und Heine diesmal im Congress Centrum Suhl Charles Bukowski zu. "Drei Frauen aus Deutschland" heißt das Programm, in dem sich im Autohaus Ehrhardt die Schauspielerinnen Karoline Eichhorn, Gesine Cukrowski und Barbara Auer mit Erika Mann, Else Lasker-Schüler und Bettina von Arnim beschäftigen.
Adele Neuhauser - bekannt als Wiener "Tatort"-Kommissarin - begibt sich mit Band lesend auf die Spur bedrohter Tierarten. Gerd Möbius erzählt und liest in der Suhler AWG-Geschäftsstelle mit musikalischer Begleitung über seinen Bruder Rio Reiser. Und dann gestalten auch noch Schauspieler Rolf Becker und Gitarrist Frank Fröhlich am 30. September eine Konzertlesung unter dem Titel "Das alte Prag" im Stadttheater Hildburghausen.

Schmankerl gefällig? Vielleicht ist das ja in diesem Jahr das Jazz-Lyrik-Prosa-Programm "Worte ohne Lieder" in der Suhler Sparkassenfiliale. "Freche Kreisler-Texte" verspricht Hendrik Neukirchner. Und erinnert daran, dass der brüllende Hirsch, das Vereins-Maskottchen, augenzwinkernd dafür steht, die Kunst im tiefen, tiefen Wald nicht nur bierernst zu nehmen. Frech will er eben auch sein, der Provinzschrei. Deshalb gibt's zum Abschluss auch eine Portion Linda Sixt - der ein oder andere wird die einst am Meininger Theater engagierte Schauspielerin noch kennen. "Paris d'autrefois" lautet ihr Chansonabend.

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www.provinzschrei.de

Verlosung

Für drei "Provinzschrei"-Veranstaltungen verlosen wir jeweils vier Freikarten. Wählen Sie heute die Gewinn-Hotline 01379 / 887312*, nennen Sie als Stichwort den Titel der gewünschten Veranstaltung sowie Ihren Namen, Ihre Rufnummer und Adresse. Die Gewinner werden benachrichtigt.

"Charles Bukowski - Gedichte neu vertont" - Peter Lohmeyer und der Club der toten Dichter.

In seinem zehnten Jahr hat Reinhardt Repkes Club der toten Dichter nach Heine, Busch, Rilke und Schiller nun Charles Bukowski neu vertont.

22. September, 20 Uhr, Congress Centrum Suhl

"Drei Frauen aus Deutschland"

Literarische Revue mit Barbara Auer, Karoline Eichhorn und Gesine Cukrowski. 200 Jahre deutsche Geschichte - beobachtet entlang der Lebensläufe der Schriftstellerinnen Erika Mann, Else Lasker-Schüler und Bettina von Arnim.

23.9., 20 Uhr, Ehrhardt AG, Suhl

"Tod in Weimar", Dominique Horwitz liest aus seinem ersten Roman, einer turbulenten Kriminal- und Liebeskomödie.

24. September, 16.30 Uhr, Ehrhardt AG, Suhl

* 0,50 Euro / Anruf aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk ggf. höher.