Coburg - Sie können wunderlich sein oder weise, humorvoll oder ernst, depressiv oder lustig, manchmal auch hartnäckig und verbittert: die Charaktere sehr alter Menschen haben eine besondere Bandbreite. Heidi Fischer hat in ihrem Leben viele ältere Menschen kennen gelernt und wollte deshalb ein Buch über das Altwerden schreiben. Herausgekommen ist ihr zweites Werk: "Wer später stirbt, ist länger alt".

Am Dienstagabend feierte sie zusammen mit vielen Zuhörern in der Coburger Stadtbücherei die Premiere ihrer Sammlung kurzer Geschichten aus langen Leben. Ganz unterschiedliche Charaktere gehören zu ihren Protagonisten wie eine Witwe, die nach Mallorca reist und dort die Reinkarnation ihres verstorbenen Mannes zu erkennen glaubt, oder eine Mörderin, die nach 20 Jahren aus dem Zuchthaus entlassen wird und ein neues Leben beginnen muss. Auch wenn viele der beschrieben Menschen ein wenig sperrig und verschroben erscheinen, schreibt die Autorin so liebevoll und ehrlich über ihre Figuren, dass sie den Zuhörern schnell ans Herz wachsen.

Heidi Fischer verfügt über die besondere Fähigkeit, ihre Protagonisten auf eine menschliche und berührende Ebene zu stellen. Dadurch schafft sie es, Themen anzusprechen, die sonst wohl nur mit besten Freunden oder Hausärzten besprochen werden. Wie die Kurzgeschichte "Marga hätte es gefallen", in der sie von Reinhold erzählt, dessen Frau verstorben ist und der langsam zu vereinsamen droht. Noch einmal will er unbedingt seiner Marga so nahe sein wie früher, auch sexuell. Aber seine Erektionsprobleme machen ihm zu schaffen. Doch Reinhold gibt nicht auf und darf sich noch einmal lebendig fühlen. Heidi Fischer spricht ein Thema an, das für Viele als Tabu gilt. Sie beschreibt die Einsamkeit, die Reinhold nach dem Tod seiner Frau empfindet, aber so einfühlsam und normal, dass sich auch die kurzzeitige Anspannung bei ihren Zuhörern in der Stadtbücherei schnell wieder auflöst.

Viele Lacher gibt es bei der Geschichte über Ilse, die in einem Pflegeheim lebt und am liebsten jeden Tag ihren Geburtstag feiern würde. Manchmal singt sie sich sogar selbst ein Ständchen oder beschenkt sich mit Kleinigkeiten, um auf ihre Wünsche aufmerksam zu machen. Doch ihre Töchter, die sie abwechselnd besuchen, haben wenig für ihre Einfälle übrig. Ilses Rettung kommt in der Person eines Herrn, dessen Frau auch im Heim lebt und der beginnt, täglich mit Ilse ein Gläschen zu trinken.

Heidi Fischer beschreibt die kleinen Dinge im Leben, die glücklich machen können, wie die Sehnsucht nach einem Gespräch oder einer Umarmung. Vor ihrer Autorentätigkeit hat sie jahrelang mit Menschen gearbeitet, die ein Handicap haben, sie hat später ihre Eltern und auch eine Tante im Alter gepflegt. "Ich habe in meinem Leben viele ältere Menschen kennen- und lieben gelernt", erklärt sie rückblickend, deshalb wollte sie auch unbedingt ein Buch darüber schreiben. Das Schreiben, so sagt sie, sei immer ein Ventil und vor allem ein großes Vergnügen für sie gewesen.

Heidi Fischer schreibt bereits seit vielen Jahren Gedichte und Kurzgeschichten für Anthologien und Literaturzeitschriften. Im vergangenen Jahr erschien ihr erstes Werk, der Familienroman "Laufmaschen im Strickstrumpf".

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Heidi Fischer: "Wer später stirbt, ist länger alt", Kurzgeschichten, Der kleine Buch-Verlag, ISBN: 9 783765 091063

Zur Person

Heidi Fischer lebte als gebürtige Oberfränkin einige Jahre in München, um dann mit Ehemann und drei Kindern wieder nach Coburg zurückzukehren. Im März erschien im kleinen Buchverlag ihr neues Werk mit 19 Kurzgeschichten: "Wer später stirbt, ist länger alt". Das Buch wurde auch in Leipzig auf der Buchmesse vorgestellt.