Regionalsport „Mutig, konsequent und selbstbewusst“

Debüt als Bundesliga-Schiedsrichter: Nach einer Verletzung des etatmäßigen Referees Deniz Aytekin leitete Christian Dietz am 27. November 2015 die zweite Halbzeit der Partie SV Darmstadt 98 - 1. FC Köln. Das Spiel endete mit einem torlosen Remis. Foto: Fredrik von Erichsen/dpa Quelle: Unbekannt

Seit 17 Jahren ist Christian Dietz Fußball-Referee. Am Samstag assistiert der Kronacher in Berlin beim DFB-Pokalfinale zwischen Frankfurt und Dortmund Schiedsrichter Aytekin als Linienrichter. Im Interview mit unserer Zeitung erzählt er von seiner Passion.

 
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Herr Dietz, wie sind Sie zur Schiedsrichtertätigkeit gekommen?

Zur Person

Geburtstag: 27. Juli 1984

Geburtsort: Kronach

Familienstand: Verheiratet mit Frau Emel

Kinder: Sohn Cem

Wohnort: München

Größe: 1,79 Meter

Gewicht: 75 Kilogramm

Beruf: Realschullehrer für die Fächer Wirtschaft/Recht, Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen und Erdkunde

Als Schiedsrichter aktiv für: FC Kronach 08

Schiedsrichter seit: 2000

Linienrichter seit: 2001

Größte Erfolge als Schiedsrichter: Nominierung zum Zweitliga-Schiedsrichter zur Saison 2012/2013. Das bedeutete auch den Sprung in die Bundesliga als Schiedsrichterassistent.

Hobbys: Sport, Reisen

Honorar und Fixgehalt

Wie der Kicker vermeldete, erhöhen sich ab der Saison 2017/2018 die Honorare für die Unparteiischen. Demnach gibt es für die Schiedsrichter pro Einsatz künftig 5000 Euro. Die Assistenten erhalten 2500 Euro und die Vierten Offiziellen bekommen 1250 Euro. Darüber hinaus steigen auch die Grundgehälter. Je Einstufung erhalten die Schiedsrichter zwischen 59 000 Euro und 79 000 Euro.

Ich wollte mein Taschengeld aufbessern. Darüber hinaus hat mich der Ehrgeiz angetrieben, ein Fußballspiel selbstverantwortlich gemäß dem Regelwerk zu managen.

Wo und wann haben Sie die Schiedsrichter-Prüfung absolviert?

Vor 17 Jahren, im März 2000, habe ich bei der Schiedsrichtergruppe Kronach die Prüfung erfolgreich abgelegt.

Wie haben wir uns eine Schiedsrichter-Prüfung vorzustellen?

Sie besteht aus zwei Teilen. Es gibt eine theoretische Prüfung über die 17 erlernten Fußballregeln - von Regel 1 "Das Spielfeld" bis Regel 17 "Eckstoß". Dazu kommt ein Praxistest in Form eines Rundenlaufes über 1000 Meter in acht Minuten.

Wie begann Ihre Karriere?

Wie jeder Schiedsrichter bin ich zuerst bei Juniorenspielen zum Einsatz gekommen. Nach einem halben Jahr durfte ich dann im Herrenbereich pfeifen.

Seit der Saison 2010/2011 pfeifen Sie regelmäßig Spiele der 3. Liga, seit 2012/2013 auch in der 2. Liga. Wie kam es zu diesem Aufstieg?

Ich hatte mich durch konstant gute Leistungen, die mir ein neutraler Schiedsrichter-Beobachter nach den jeweiligen Spielen attestiert hat, qualifiziert.

Gibt es Unterschiede zwischen der Leitung einer Partie in der 3. Liga und einer Begegnung in Liga zwei?

So große Differenzen gibt es meines Erachtens kaum noch, da das Medieninteresse für Drittliga-Spiele deutlich zugelegt hat. Zudem schließen sich oftmals ehemalige und damit erfahrene Bundesligaspieler den Teams in der 3. Liga an. Das macht die Spielleitung für einen Schiedsrichter nicht einfacher. Außerdem sind aufgrund der vielen Traditionsklubs die Zuschauerzahlen in Liga drei - mit Ausnahme der zweiten Mannschaften - oft vergleichbar mit dem Zuschauerinteresse in Liga zwei. Einzig Spieltempo und die Spielqualität sind in der 2. Liga höher.

Wie läuft nach den Spielen die Bewertung Ihrer Leistung ab?

Unmittelbar nach Spielschluss analysiert das Schiedsrichter-Gespann mit dem eingeteilten Coach das Spiel. Hier werden vor allem die wichtigsten spielentscheidenden Situationen - zum Beispiel Strafstoß ja oder nein, Abseits bei Tor-Erzielung ja oder nein, und und und - unter die Lupe genommen. Aber auch der Einsatz der Disziplinar-Kontrolle, die Persönlichkeit eines Schiedsrichters, sein Spiel-Management und die erforderliche Fitness werden in die Gesamtbewertung mit einbezogen. Am Ende des Tages gibt es dann ähnlich wie in der Schule eine "Note" beziehungsweise eine Punktezahl. Dieses System wird jedoch zur nächsten Saison abgeschafft.

Sie haben im November 2015 in der Bundesliga-Partie zwischen Darmstadt und Köln in Deutschlands höchster Liga an der Pfeife debütiert, nachdem sich Schiedsrichter Aytekin verletzt hatte. Wie haben Sie die Situation wahrgenommen?

Deniz Aytekin hatte in der Pause für sich entschieden, das Spiel nicht fortzusetzen. In solchen Fällen rückt automatisch der Vierte Offizielle oder der Schiedsrichterassistent nach. Somit gibt es bei jedem Bundesliga-Spiel immer mindestens einen Ersatz-Schiedsrichter im Team.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie erfahren haben, dass sie einspringen müssen?

Ich dachte mir, du leitest das Spiel, als wäre es eine Partie in deiner höchsten Spielklasse - mutig, konsequent und selbstbewusst.

Wie zufrieden waren Sie mit Ihrer Premiere?

Der eingeteilte Schiedsrichter-Coach wie auch die Schiedsrichter-Kommission waren mit meiner gezeigten Darbietung sehr zufrieden. Ich selbst war natürlich auch super glücklich und um eine unvergessliche Erfahrung reicher.

War das der einzige Einsatz an der Pfeife in der Bundesliga?

Ich hoffe nicht. Auch in den nächsten Spielzeiten werde ich meine Ziele akribisch verfolgen. Einzig etwas mehr Geduld wäre hilfreich.

Was fehlt noch bis zu einer dauerhaften Spielleitung in der 1. Liga?

Kontinuierliche Bestleistungen in den Spielleitungen.

Sie sind Schiedsrichter-Assistent von Bundesliga-Referee Deniz Aytekin. Seit wann haben Sie diese Aufgabe?

Seit 2012, dem Jahr der Nominierung zum Zweitliga-Schiedsrichter, bin ich mit Ausnahme weniger Spiele bei Deniz im Team.

Ist das ein festes Gespann? Oder ist es auch denkbar, einmal bei anderen Referees im Team zu sein?

Prinzipiell handelt es sich schon um ein festes Gespann. Es ist aber durchaus möglich, auch bei anderen Bundesliga-Schiedsrichtern zu winken.

Sind Sie bei Herrn Aytekin immer als Linienrichter tätig oder auch als Vierter Offizieller?

Ich bin ausschließlich als Assistent im Einsatz.

Laut Fußball-Internetportal www.transfermarkt.de haben Sie bisher in sämtlichen Ligen insgesamt 217 Spiele gepfiffen. Ist diese Zahl realistisch?

Ich meine noch mehr Spiele auf dem Buckel zu haben, da ich ja bereits seit 17 Jahren Schiedsrichter bin.

Wie viele Einsätze haben Sie als Linienrichter in einer Saison?

Im Schnitt sind es derzeit 15 Einsätze pro Spielzeit.

Zuletzt waren Sie im DFB-Pokalhalbfinale zwischen Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt an der Seitenlinie. Wie gehen Sie damit um, wenn bei strittigen Situationen 54 000 Zuschauer in Ihrem Rücken ihren Unmut äußern?

Man muss die Ruhe bewahren und auf seine Wahrnehmung vertrauen.

Bereitet man sich auf derartige Fälle gezielt vor, zum Beispiel in Schulungen des DFB?

Mit Druck- und Stresssituationen umzugehen, lernt man bereits in jungen Schiedsrichter-Jahren. Seit ein paar Jahren bietet der DFB zusätzlich eine sportpsychologische Betreuung an.

Was war der Höhepunkt Ihrer bisherigen Karriere?

In besonderer Erinnerung bleibt mir natürlich das Bundesliga-Kurzdebüt als Schiedsrichter in Darmstadt. Auch das am Samstag stattfindende Pokalfinale in Berlin zwischen Dortmund und Frankfurt werde ich sicher nicht vergessen. Da werfen 75 000 Zuschauer im ausverkauften Olympiastadion und viele vor dem TV-Gerät ihre Argusaugen auf uns.

Was war die skurrilste Szene Ihrer Laufbahn?

Den verrücktesten Zwischenfall erlebte ich sofort bei meinem ersten Assistenten-Einsatz in Hannover gegen Bremen. Hannovers Huszti schoss per Fallrückzieher in der Nachspielzeit den Siegtreffer. Bei seinem Torjubel zog er erst das Trikot aus, danach kletterte er auf den Stadionzaun. Der Regel entsprechend sind das zwei voneinander unabhängige, verwarnungswürdige Vergehen, sodass er dafür binnen Sekunden die Gelb-Rote Karte sah. Das war für mich der kurioseste Platzverweis in der Bundesliga-Geschichte.

Sie reisen als Schiedsrichter und Assistent in verschiedenen Ligen quer durch Deutschland. Bekommen Sie die Kosten für die Reisen und für die Unterkünfte bei etwaigen Übernachtungen vom DFB bezahlt?

Ja.

Gibt es vom DFB ein Jahres-Fixgehalt oder eine Bezahlung pro Partie?

Neben dem Spiel-Honorar für die jeweilige Klasse, steht jedem Unparteiischen entsprechend seiner Einstufung eine finanzielle Grundabsicherung in Form eines fixen Jahresgrundgehaltes zu.

Ab der Saison 2017/2018 wird es in der Bundesliga den Videobeweis geben. Wie stehen Sie dazu?

Grundsätzlich wird der Videobeweis neben der kürzlich eingeführten und bereits bewährten Torlinien-Technologie ein weiteres technisches Hilfsmittel für uns Schiedsrichter sein. So sollen möglicherweise schwerwiegende, klare Fehler im Spiel - Torerzielung, Elfmetersituationen, Platzverweis durch eine Rote Karte und Spielerverwechslungen bei persönlichen Strafen - nach Studium der TV-Bilder minimiert werden. Es wird jedoch kein Allheilmittel sein, um alle Fehlentscheidungen im Fußball zu vermeiden.

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