Coburg Das Geschäft mit der Angst

Katja Diedler

Die Diagnose Krebs ist für alle Betroffenen ein großer Schock. Viele wissen weder aus noch ein. Diese Unsicherheit nutzen einige Menschen aus.

 
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Coburg - Einfach ein paar Kräuter mit Wasser oder Saft mischen, täglich einen Teelöffel voll davon einnehmen und nach ein paar Monaten ist eine fortgeschrittene Krebserkrankung geheilt, oder sogar Aids. Zu schön um wahr zu sein, denken sich wohl die meisten Leute. Und das ist es auch. Betroffene aber klammern sich an jeden Strohhalm und wenn es ein derart absurdes Versprechen auf Heilung ist.

Krebsinformationsdienst

Wer Informationen über die Behandlung einer Krebserkrankung sucht, kann sich auch an den Krebsinformationsdienst des deutschen Krebsforschungszentrums wenden. Unter der kostenlosen Hotline 0800-4203040 sind die Experten täglich zwischen 8 und 20 Uhr zu erreichen. Neben medizinischen Fragen klären sie auch solche zu vermeintlichen Wundermitteln. "Wir werden in unserer Arbeit oft mit so etwas konfrontiert", sagt Susanne Weg-Remers, die Leiterin des Krebsinformationsdienstes.

Wer ein solches Angebot erhalte, sollte es genau prüfen, vorsichtig sein - und unbedingt weitere Informationen einholen. Das funktioniere entweder über die Hotline, beim behandelnden Arzt oder auf der Website des Krebsinformationsdienstes. Dort gebe es Seiten, die sich mit diesen Mitteln beschäftigen, unter anderem ein Infoblatt, dass Kriterien zur Einordnung solcher Angebote nennt.

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www.krebsinformationsdienst.de

So ging es im Dezember einem Coburger Ehepaar, das anonym bleiben möchte. Der Mann ist an einer sehr aggressiven Form des Nierenkrebs erkrankt. Damals schien eine Heilung noch möglich, aber schwierig. Ein Bekannter, der davon erfahren hatte, kam auf die beiden zu und bat ihnen ein Mittel aus den USA an. Ein paar Löffel davon in Cranberry-Saft auflösen und schon sei die Heilung nah. 700 Euro hätte die Coburger eine Packung die Substanz gekostet. Um das Mittel zu erhalten, sollten sie eine Dame aus den USA anschreiben, mit der sie alles weitere klären könnten.

Die Informationen, die sie zu dem Mittel erhalten haben, seien äußerst dürftig - und vor allem in Englisch gewesen. Eine Werbemail liegt der Redaktion vor. Die Zusammensetzung wird darin nicht erklärt. Immer wieder ist lediglich von Kräutern die Rede, die schon Urahnen benutzt hätten. Wie und warum sie wirken, dazu fehlen Informationen. Stets wird damit geworben, welche Krankheiten das vermeintliche Zaubermittel heilen kann: alle Arten von Krebs, Hepatitis A, B und C, Aids, Lupus sowie viele andere Leiden.

Eine weitere Sache fällt auf: Damit das Mittel richtig wirken kann, müsse die bisherige konventionelle Therapie angebrochen werden. "Da war mir klar, dass das nichts sein kann", berichtet die Coburgerin. Ein paar Zweifel seien aber geblieben: "Es kann ja trotzdem sein, dass wir eine große Chance verpasst haben."

Die Sorge zumindest nimmt ihr Dr. Christof Lamberti, Leiter der Onkologie am Klinikum Coburg. "Nach allem was ich weiß, ist dieses Mittel nicht in der Lage, Krebs zu heilen. Leider werden oft die Ängste und Hoffnungen der Patienten bewusst ausgenutzt."

Viele Pflanzen, darunter auch Cranberry, aber auch die Heidelbeere oder Himbeere, enthalten Wirkstoffe wie Vitamine C und Antioxidantien, die grundsätzlich Tumore bekämpfen können, aber: "Damit das wirkt, müsste man eine ganze Wagenladung voll davon zu sich nehmen", erklärt Lamberti. Sinnvoll seien begleitende und unterstützende Maßnahmen, die zum Beispiel die Nebenwirkungen einer Chemotherapie bekämpfen und das Allgemeinbefunden verbessern. "Das ist ein zusätzliches Angebot, das man wahrnehmen kann, aber nur in Rücksprache mit dem Mediziner", sagt er. Es müsse in jedem Fall geklärt werden, ob es Wechselwirkungen mit anderen Präparaten gibt. Lambertis Mitarbeiter Hauke Lenz, Psychoonkologe, hatte schon Patienten, die ihn auf solche angeblichen Zauberkräuter angesprochen haben. "Oftmals verbreiten die sich über das Internet", erklärt er. Im Hintergrund stünde meist die Verschwörungstheorie, dass die Pharma-Lobby die eigentlich wirksamen Medikamente zurückhält.

Sei die Verunsicherung besonders groß, könne es hilfreich sein, verschiedene Ärzte zu konsultieren, eine Zweit- oder gar Drittmeinung einzuholen. "Auch ein Arzt mit der Zusatzqualifikation für Naturheilverfahren kann ergänzend ein Ratgeber sein", führt er aus. Allerdings solle der Patient alle Therapien immer mit seinem behandelnden Schulmediziner absprechen. "Letztlich hat aber jeder das Recht, an solche vermeintlichen Wundermittel zu glauben. Als Betroffener erscheint es jedoch dann ratsam, so offen zu sein und solche Vorhaben mit den Ärzten zu diskutieren, so dass weiterhin eine möglichst objektive und neutrale Aufklärung möglich ist."

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