Kronach Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Kunst

Karol Hurec
Das Bild zeigt biolumineszente Meeresalgen mit dem Namen Pyrocystis fusiformis Dinoflagellat aus der Familie der Pyrocystaceae. Ihr Lebenszyklus beträgt nur fünf bis sieben Tage. Wenn die Algen gestört werden, produzieren sie ein bläuliches Leuchten, das auch als "Meeresleuchten" bekannt ist. Die Algen kommen in Tiefen bis zu 200 Metern vor. Foto: Stefan Diller

Der gebürtige Kronacher Stefan Diller ist Makrofotograf. Er macht Unsichtbares sichtbar und Kleines ganz groß. Seine Arbeiten begeistern in der ganzen Welt.

 
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Kronach - Das Foto hat in Kunst, Wissenschaft und in den Medien für große Aufmerksamkeit gesorgt: Eine 25 Meter große Biene mit haarigen Beinen und wuscheligem Rücken, über und über mit Pollenkörnchen bedeckt, sitzt auf einer gigantischen Kamillenblüte. Der menschliche Betrachter ist in der Relation vor diesem Bild auf das Tausendfache geschrumpft. Aus der Ameisenperspektive wandert sein Blick über das 360-Grad-Panorama und entdeckt nie vorher gesehene Details und Strukturen, die das Bild messerscharf wiedergibt.

Das Foto war eine Auftragsarbeit des Künstlers Yadegar Asisi im Jahr 2018. Das Bild trägt den Titel "Carolas Garten" und misst satte 32 mal 40 Meter. Das "Fotoshooting" fand wenige Wochen vorher im Würzburger Fotolabor von Stefan Diller statt. Der gebürtige Kronacher ist seit mehr als 25 Jahren spezialisiert auf wissenschaftliche Fotografie. Seine Aufnahmen entstehen nicht mit dem Handy oder einer handelsüblichen Spiegelreflexkamera, sondern mithilfe von Raster- und Transmissionselektronenmikroskopen, die auf Basis von Lanthanhexaborid-Kathoden funktionieren. Wie gesagt: Diller arbeitet für Wissenschaft und Industrie. Zu seinem beruflichen Repertoire gehören Problemstellungen im Bereich Metalloberflächen, er macht Bruchstrukturen sichtbar, weist Nanopartikel nach oder analysiert das Alter von Schmiermitteln.

Aber Diller ist auch Künstler - genauer: ein Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Kunst. Wissenschaft und Kunst sind seit jeher in enger Verbindung. Bereits Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer waren Grenzgänger zwischen beiden Bereichen. Große Forschungsbetriebe der Elektronik, der Pharmazie oder das Max-Planck-Institut pflegen heutzutage engen Kontakt zur Kunst.

Dillers faszinierende Aufnahmen, die den Betrachter in die Welt des Mikro- und Makrokosmos entführen, sind preisgekrönt und erobern das Publikum in den renommiertesten Galerien und Museen der Welt wie dem Pariser Centre Pompidou, in dem er im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Berliner Künstler Andreas Greiner ausstellte. Im gleichen Jahr waren die Arbeiten von Stefan Diller auch im Kronacher Kunstverein zu sehen: "Inner Space - Outer Space" - Bilder des Lebens, so lautete der Titel der Ausstellung.

In Kronach zeigte Diller einen kleinen Querschnitt von Makro- und Mikrostrukturen in oft nur ein Haar breiten Bildfeldern. Die Besucher der Ausstellung entdeckten hier den Kosmos, der in den Mikrostrukturen von Pflanzen, wie in der Oberfläche eines Brokkolis, versteckt ist.

Die Aufnahmen von Stefan Diller zeigen zum Teil bizarre Formen von Oberflächen anorganischen Materials, von Pflanzen und Zellen, die vielfältige Aufgaben im Wechselspiel mit ihrer Umwelt erfüllen und eine ganz eigene Ästhetik haben. So fotografiert Diller beispielsweise teils gentechnisch veränderte Zellen des Menschen, Mikrometeoriten aus dem Weltall oder "Porträts" von Nutz- und Nahrungspflanzen aus dem Bestand des Botanischen Gartens Würzburg.

Die Strukturen sind in großen Farbbildern dargestellt. Dafür hat Stefan Diller eine spezielle Art der Kolorierung entwickelt: "Mein Rasterelektronenmikroskop kann auch Farbe mithilfe von farbigen Bildsignalen aus acht Detektoren erstellen. Es ist also keine Farbe, die mit der Wirklichkeit des Präparates etwas zu tun hat, sondern eine ästhetische Entscheidung des Mikroskop-Bedieners." Genau hier beschreibt Diller die Schnittstelle mit der bildenden Kunst: den Punkt, an dem der Wissenschaftler künstlerisch tätig wird.

Gewählte Bildausschnitte mit einer überlegten Verteilung von Kontrasten und eine einfühlsame Farbgebung zeichnen Stefan Dillers Bildkompositionen von hoher Ästhetik aus. Schon der große Künstler Paul Klee (1879-1940) sagte: "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar." Dillers elektronenmikroskopische Aufnahmen machen unsichtbare Strukturen für das menschliche Auge sichtbar. Sie sind Kunst.

Stefan Diller wurde unter anderem mit dem Sony World Photo Award in der Kategorie "Scientific Photography" ausgezeichnet sowie mit dem ersten Preis in der Kategorie Kurzfilm der Royal Microscopic Society London für eine Arbeit über T-Zellen. Das ZDF hat seine Aufnahmen über Glasflügelfalter im Terra-X-Beitrag "Nanoflights" gezeigt. Die Aufnahmen waren auch im Geo-Magazin zu sehen.

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