Coburg Weil Rita alles wissen will

Siggi Seuß
Die wissbegierige Rita wirbelt das Leben des zynischen Literaturprofessors gründlich durcheinander: Anna Schindlbeck und Ingo Pfeiffer in "Bildung für Rita". Quelle: Unbekannt

Dreister Einbruch ins bürgerliche Bildungsgebäude: Die Maßbacher eröffnen ihre Theatersaison mit einer klugen, Mut machenden Zwei- Personen-Komödie.

 
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Maßbach - Very sophisticated, diese Komödie, mit der die Maßbacher - krisenbedingt in der theaterfreundlich ausgestatteten Lauertalhalle - ihre Herbst-Winter-Saison beginnen. Wenn Rita ins Büro des Literaturprofessors Frank stürzt, wenn also die junge Friseuse regelrecht in die heilige Echokammer gehobener Bildung einbricht und das mit dem Ruf begründet "Weil ich alles wissen will!", dann ist das nicht nur der überraschende Auftakt eines Theaterstücks. Es ist vor allem ein erster Beleg fürs Publikum, dass wieder einmal dieser hintergründige britische Humor im Spiel ist, der so viel Weltklugheit in sich birgt und so wenig zur Schau gestellte Moral.

"Bildung für Rita", ein 1980 uraufgeführtes, erfolgreich verfilmtes und nun von Rolf Heiermann inszeniertes Stück des britischen Autors Willy Russell, geht davon aus, dass Bildung - in diesem Fall: literarische Bildung - nicht nur soziale Kompetenz ermöglicht, sondern auch den sozialen Status des Wissenden gegenüber dem weniger Wissenden festigt. Bildung ist also Herrschaftsinstrument, das immer noch wesentlich leichter privilegierteren Schichten zugänglich ist als ärmeren.

Rita durchbricht dieses festgefügte Muster mit Lust und Leidenschaft, mit Courage, Naivität und Neugierde und mit der wunderbaren Gabe, über Neues und Unbekanntes zu staunen. Und sie trifft auf einen hochgebildeten, vom Leben und vom Alkohol gezeichneten Akademiker, dessen poetische Adern längst von professionellem Zynismus verkrustet sind. Plötzlich tritt diese hübsche, kunterbunt gekleidete Frau frech-frivol in sein Leben und provoziert nicht nur seine pädagogischen Fähigkeiten, sondern auch die erotischen Träume eines in akademischen Ehren ergrauten Intellektuellen, dem die Flasche näher ist als das Fleisch.

Eine kluge und Mut machende Geschichte, die natürlich mit Stereotypen spielt. Sie braucht nur einen Raum und lässt trotzdem in zwölf Szenen ein ganzes Universum lebendig werden. Robert Pflanz hat dazu eine heimelig-oxfordianische Bücherkammer geschaffen und Kostümbildnerin Daniela Zepper präsentiert den Bewusstseinswandel der beiden Protagonisten binnen eines Studienjahrs mit einem aufregenden Wechsel der Moden.

Der Regisseur hat ein klares Bild der Dramaturgie, bis ins kleinste Detail des Gesagten und Gezeigten. Und er hat zwei Schauspieler, die wie geschaffen dafür sind, die Charakterkontraste in allen Nuancen zu mimen: Anna Schindlbeck als Rita - ein wahrer Wirbelwind an Gedanken und Gefühlen, der das starre bürgerliche Bildungsgebäude aufmischt wie einst der Tornado Dorothys Häuschen im "Zauberer von Oz". Die junge Schauspielerin verfügt über ein erstaunliches Gespür für den augenblicksgenauen Einsatz von Sprache, Gestik und Mimik ihres Rollencharakters. Ingo Pfeiffer hingegen füllt als zerstruppelter Professor passgenau das Klischee, das man sich von einem frustrierten älteren Akademiker macht.

Bleibt zum Schluss die Frage, ob Ritas Bildung jenes naive Staunen, jenen frisch-fröhlich-freien Blick auf die hohe Literatur bewahrt. Oder passt sich die Wissenshungrige mit der Zeit den Gepflogenheit des üblichen Umgangs mit Bildung als Statussymbol an? Verbildungsbürgerlicht sich Rita etwa selber? Glücklicherweise ist das Finale nicht so happy wie man es befürchten könnte. Ritas Weg ist noch nicht zu Ende. Unabhängig davon: Ihr Kampf um die Deutungshoheit von Bildung ist erheiternd und erleuchtend, very sophisticated also, und somit: Unbedingt sehenswert!

Vorstellungen in der Region: 20. Oktober in Haßfurt (Stadthalle, 20 Uhr), 9. November in Lichtenfels (Stadthalle, 19.30 Uhr). Infotelefon 09735/235. www.theater-massbach.de

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