Der Vater schluchzte laut und umarmte ihn immer wieder, obwohl er seinen eigenen Sohn kaum mehr erkannte. Ein schwerer Schlag für den damals 27-Jährigen war dann die Mitteilung, dass seine Mutter tot war. "Ich dachte, dass die Frau auf den Familienbildern, die mir mein Vater geschickt hatte, meine Mutter ist", verdeutlicht Siegfried Merettig. Er verbrachte nach der Zusammenführung zwar die Wochenende in der Familie seines Vaters; fühlte sich aber stets "fremd". Unter der Woche besuchte er einen Förderungskurs in der Jugendheimstätte Buckenhof, nahe Erlangen.
Die Jugendheimstätte war für junge Vertriebene eingerichtet worden, die als Kinder bei Kriegsende ihre Eltern verloren hatten. Zwei Jahre war er dort, um wieder Deutsch zu lernen und sich auf eine neue Zukunft vorzubereiten. Er war damals der Älteste. Im Anschluss fand er Arbeit im Steinbruch, wo er Radlader fuhr. 1968 heiratete er seine aus Weißenbrunn stammende Ehefrau, Erika. Zunächst wohnten sie bei ihren Eltern, danach in Wallenfels. Schließlich kauften sie das kleine Haus in Oberlangenstadt, wo beide nunmehr auch ihren Ruhestand verbringen.
Nach der Öffnung der von Russland annektierten Oblast Kaliningrad war Siegfried Merettig noch mehrmals dort. Die Stadt wirke sehr gepflegt. Wenn er heute zurückblickt, überlegt er oft, wie sein Leben ohne den Krieg verlaufen wäre. "Uns wurde alles genommen", sagt er, "die Kindheit, die Jugend, die Familie!"