Coburg Willkommen im Wald

Tim Birkner

Wo früher einer joggte, laufen jetzt fünf, wo drei radelten, sind es jetzt 20. Auch das ist eine Folge des Lockdowns. Dabei gilt nach wie vor: Jeder darf rein. Solange er sich an ein paar Regeln hält.

 
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Coburg - Für den Wald ist es der dritte trockene Sommer in Folge. Buchen und Kastanien sind verdörrt, die Fichten voller Borkenkäfer. Für die Menschen ist es der zweite Lockdown in diesem Jahr. Ihr Bewegungsdrang muss in unmittelbarer Nähe befriedigt werden. "Es sind heute mehr Leute im Wald. Das ist nachvollziehbar und absolut positiv", sagt Revierleiter Wolfgang Weiß.

Bitte Rücksicht nehmen!

Jeder darf in Bayern den Wald betreten - allerdings auf eigene Gefahr.

Radler müssen auf den Wegen bleiben.

Tabu sind Naturverjüngungen, unabhängig davon, ob sie eingezäunt sind oder nicht.

Absperrungen bei Baumfällarbeiten oder Drückjagden sind in jedem Fall zu beachten.


Jeder darf den Wald betreten. Das steht so im Bayerischen Waldgesetz. Allerdings auf eigene Gefahr und mit ein paar Regeln, die dafür sorgen sollen, dass Waldbesitzer, Jäger und Wanderer gut miteinander auskommen. Hubertus Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha ist Waldbesitzer: "Flächen mit Naturverjüngung sind tabu. Sie sind notwendig für einen gesunden Wald, die darf niemand tottrampeln oder totfahren."

Adrian Brasch fährt seit zehn Jahren im Callenberger Forst Rad. Eigentlich springt und fliegt er mehr, über Schanzen und Hindernisse, die im alten Steinbruch seit Jahrzehnten gebaut werden. "Das Loch" ist ein Treffpunkt der Biker, es liegt an einem Trimm-dich-Pfad. Hundebesitzer spazieren vorbei und Reiter kommen des Weges. "Viele bleiben stehen und schauen uns eine Weile zu", beobachtet Adrian. Wie zum Beispiel Rainer und Marika Gräf aus Weidach, die hier seit 40 Jahren vorbeilaufen. Am Anfang ohne Kinder, dann mit, jetzt wieder ohne. "Das hier ist ein wunderbarer Auslauf für die Kinder", sagt Marika Gräf. "Draußen sein ist doch besser, als am Computer oder Handy zu hocken und zu spielen", sagt Rainer Gräf. Adrian sieht das auch so: "Außerdem musst du voll mit dem Kopf dabei sein, das schult die Konzentration. Und die können alle dann auch wieder in der Schule gebrauchen." Adrian fährt mit seinem Team inzwischen Rennen wie die "111 Meilen" in Steinach. Er weiß, wann eine Rampe funktioniert und wie eine Strecke aussehen sollte. Auf den 23-Jährigen hören die Jüngeren oder fragen ihn nach Tipps, wenn sie im Baumarkt von ihrem Taschengeld eine Schaufel kaufen und das Gelände verändern wollen.

"Ich freue mich, wenn die jungen Fahrradfahrer da sind. Ich habe selbst drei Kinder", sagt Hubertus von Coburg-Sachsen und Gotha. Andere Waldbesitzer verbieten Strecken, würden das Loch vielleicht einfach zuschütten. "Jeder muss mit waldtypischen Gefahren rechnen", sagt er. Marcel ist seit 15 Jahren mit dem Rad hier. Heute hat er auch seine dreijährige Tochter Yuna mitgebracht. In all den Jahren hat er sich noch nichts gebrochen, "mal ein Bein aufgeschlitzt". Er fährt mit Helm und Brustpanzer. Ansonsten heißt es, konzentriert sein und mit den Gefahren umgehen: "Es ist halt kein Schach."

Wolfgang Weiß erlebt das mit Kindern, mit denen er schon früh in den Wald geht: "Wir suchen am Bausenberg den steilsten Hang - und den gehen wir dann gemeinsam hoch." Klar rutscht da mal einer aus oder scheucht einen Schwarm wilder Bienen auf. "Wem das passiert, der merkt es sich. Wir Menschen gehen intuitiv richtig mit Gefahren um." Ist das genug?

Zurzeit wird so viel Schadholz aus dem Wald geholt wie selten zuvor. "Motorsägen sind einfach gefährlich. Für den, der sie benutzt, aber auch für all diejenigen, die Absperrungen nicht befolgen", sagt Weiß. Mehr trockene Bäume im Wald bedeuten auch, dass mehr Äste herabstürzen können. "Wir sind im Wald. Da passiert so etwas. Wer es anders will, muss in den Hofgarten", findet Hubertus Prinz von Coburg-Sachsen und Gotha.

Doch je offizieller ein Weg ist, desto höher ist die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers. Der Trampelpfad von Pilzsuchern braucht weniger Aufmerksamkeit als ein Forstweg. Ein ausgeschilderter Wanderweg setzt noch höhere Maßstäbe. Und Sprungschanzen, von Kindern gebaut? "Das darf alles gerne auf meiner Fläche passieren", sagt der Prinz. "Aber wir brauchen eine Lösung, damit das abgesichert passieren kann."

Mit Lösungen kennt sich Adrian aus. Irgendwann hat der Müll überhandgenommen. Dosen, Flaschen und leere Tüten lagen im Wald. Er hat dann aus eigener Tasche einen Mülleimer gekauft und aufgestellt, den er selbst regelmäßig leert. Wanderer nutzen ihn, Hundebesitzer und natürlich auch die Biker.

Das Gelände sieht sauber aus. "Nehmt euren Helm, fahrt nicht immer Vollgas, es geht ums Gleichgewicht." Adrian betreut die Jüngeren, wenn er da ist. Das ist normalerweise drei- bis viermal in der Woche. Jetzt geht es um mehr. "Ich hätte gerne zwei legalisierte Strecken, eine schwere und eine leichte", sagt er. Mit Luis und Marcel hat er zwei Mitstreiter. Sie wären sofort dabei, einen Verein zu gründen.

Gesucht wird eine Organisationsform der Radler und eine Versicherung, die die Haftung übernimmt. Marika Gräf glaubt an findige Juristen: "Wenn das alle wollen, dann muss es doch einen Weg geben, die Haftungsfrage zu klären." Die Biker bauen seit Jahrzehnten Wege im "Loch", jetzt suchen sie einen Weg im Dickicht der Vorschriften und Versicherungen. "Ich möchte das durchziehen bis zum Beginn der kommenden Saison. Für die Kinder ist das gut", sagt Adrian. Zum Beweis springt die dreijährige Yuna mit ihrem Laufrad über eine Wurzel.

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