Mobilität und Energie Das Ziel: Die Batterie im Keller und 1000 Kilometer Reichweite

Von

Elektroautos fehlt es an Reichweite und Batterien für den Keller sind zu teuer. Das Fraunhofer- Institut in Hermsdorf arbeitet daran, Lösungen für beide Probleme zu finden.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Nein, was Roland Weidl da in seinem Koffer hat, ist nicht die neueste Kollektion eines Herstellers für Sexspielzeuge. Auch wenn die zylindrischen Formen der Bauteile diesen Schluss durchaus zulassen. Doch Weidl ist nicht in der Erotik-Branche tätig, er ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme in Hermsdorf in Ostthüringen. Dort, direkt an der Autobahn 9, sucht die Fraunhofer-Gesellschaft nach der Batterie-Technik von morgen. Und die weißen Zylinder mit der runden Spitze, die Weidl im dich mit Schaumstoff ausgepolsterten Musterkoffer mit sich herumträgt, sind die Kernstücke dieser Batterien. Weidl räumt ein, dass die Technik aber gar nicht von morgen ist, eher von vorgestern. Fraunhofer will Batterien auf Natrium-Basis zu einem neuen Durchbruch auf dem Markt verhelfen. "Die Technik stammt eigentlich aus den Achtziger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Vor allem AEG hat sie seinerzeit vorangetrieben", erzählt Weidl. Bis heute würden sie auch produziert und kämen vor allem in Gabelstaplern und in Elektrobussen zum Einsatz. "Im Grunde handelt es sich dabei um die billigste Batterie der Welt", sagt Weidl. Allerdings wurde sie in Deutschland kaum weiterverfolgt, als die Lithium-Ionen-Batterien den Markt eroberten. "Das Know-how ging in Deutschland verloren." Vor vier Jahren machte sich Fraunhofer daran, es zu reaktivieren. Denn die Wissenschaftler in Hermsdorf glauben daran, dass die Batterien die idealen Energiespeicher im Haushalt sein könnten. "Sie machen überall dort Sinn, wo sie langsam geladen und dann wieder entladen werden können", sagt Weidl. Im Elektroauto sind sie nach seiner Auffassung daher eher nicht zu gebrauchen. In seinen heimischen Keller würde er sich eine Batterie auf Natrium-Basis aber durchaus bauen. Eher als eine Lithium-Ionen-Batterie. "Die Speicher, die derzeit angeboten werden, haben zwei Nachteile: Sie sind so teuer, dass sie sich erst nach zwölf Jahren rechnen, dann müssen sie aber in der Regel schon wieder ausgetauscht werden. Außerdem möchte ich keine Lithium-Ionen-Batterie im Keller haben, wenn es einmal brennt", sagt Weidl. Batterien auf Natrium-Basis könnten sich im Notfall einfach kurzschließen.

Die Hermsdorfer Wissenschaftler haben einen weiteren Vorteil ihrer alten, neuen Batterietechnik ausgemacht: "Lithium-Ionen-Batterien vertragen Temperaturschwankungen nicht so gut, das weiß jeder, der sein Handy schon ein paar Mal im Winter im Auto vergessen hat. In Entwicklungsländern oder selbst im heimischen Keller ist eine Temperatur von konstant 20 Grad aber kaum zu garantieren", erklärt Weidl. Bei den Batterien mit einem Kern aus Keramik, an denen die Fraunhofer arbeiten , handelt es sich hingegen im Hochtemperatur-Batterien. Erst bei 300 Grad Celsius setzt der Prozess ein, der die gespeicherte Energie freisetzt. Frost kann diesen Batterien also kaum etwas anhaben. Trotzdem sei der Wirkungsgrad hoch, auch wenn ein Teil der Energie darauf verwendet werden muss, die 300 Grad zu erreichen.

Das Ziel der Hermsdorfer Wissenschaftler ist es, die Batterien auf Natrium-Basis deutlich einfacher zu konstruieren. Der Kern aus Keramik ist dabei einer der Schlüssel. In der Serienfertigung seien diese bislang sehr aufwendig geformt, das mache die Produktion anfällig. Ein Ausschuss von 20 bis 30 Prozent sei keine Seltenheit, sagt Weidl. Für günstige Energiespeicher für den heimischen Keller ist das zu viel. Hier kommt Weidls Musterkoffer ins Spiel. Die Zylinder, die sich darin befinden, sind Muster der neuen Batteriekerne, die Fraunhofer entwickelt hat. Eine eigene Projektgruppe am Institut hat sich über Jahre nur damit befasst, das richtige Keramikpulver zu finden. Die Idee der Hermsdorfer: Die Wollen die keramischen Bauteile mit Hilfe eines Extruders Formen. Das soll die Kosten senken. Dafür ist jedoch ein Pulver mit den perfekten Rieseleigenschaften nötig.

Weidl ist davon überzeugt, dass in nicht allzu ferner Zukunft Batterien mit einem Kern aus Keramik nach Hermsdorfer Vorbild in vielen Kellern hängen könnten. Nur damit mache eine Solaranlage auf dem eigenen Dach wirklich Sinn. Und nur damit sei gewährleistet, dass Fahrer von Elektroautos diese zu Hause auch zu jeder Zeit aufladen könnten. Oder zumindest alle 1000 Kilometer. So lange soll der Akku in Elektroautos künftig nämlich halten. Auch daran arbeiten Fraunhofer-Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern von Thyssen-Krupp. Erst vor wenigen Monaten begann ein Forschungsprojekt, dass Lithium-Ionen-Batterien deutlich günstiger und leistungsfähiger machen soll. Ein Auftrag im Lastenheft der Forscher: 1000 Kilometer Reichweite. Und das zu einem bezahlbaren Preis. Selbst die besten Elektroautos kommen derzeit nur auf 500 Kilometer Reichweite - und haben einen exorbitanten Preis. Die Wissenschaftler rund um Roland Weidl haben einen Ansatz schon ausgemacht. Die Schwachstelle aller bisherigen Batterien sei der runde Kern. Dadurch gehe zu viel Raum verloren, in dem keine Energie gespeichert werden könne. Fraunhofer will mehrere Flächen übereinander legen, um dieses Problem zu lösen. Noch ist es Zukunftsmusik. "Immerhin, der erste funktionstüchtige Demonstrator existiert", sagt Weidl. Er ist davon überzeugt, dass das Elektroauto nur in seiner Reinform eine Zukunft hat. "Kunden, die sich für Elektroautos entscheiden, wollen weg vom Verbrennungsmotor. Sie haben häufig noch eine Solaranlage auf dem Dach. Sie wollen ihre eigenen Elektronen verbrauchen." Fraunhofer forscht mit 700 Mitarbeitern daran, dass das gelingt. 150 davon arbeiten in Hermsdorf, direkt an der A9, dort, wo zur Zeit noch Verbrennungsmotoren im Sekundentakt über die Autobahn rauschen.

Autor

Bilder