Mobilität und Energie "Die Bauindustrie ist nicht nur Beton"

Bayern muss Bus, Bahn und Straßenverkehr besser vernetzen. Das fordert die Bayerische Bauindustrie. Die Finanzierung von neuen Straßen könnten private Investoren übernehmen.

 
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Herr Schmid, in Ihrem Positionspapier "Bayern Mobilität 2030" spricht sich die Bauindustrie Bayern klar für ein Miteinander von Stadt und Land aus.

Das ist ein Thema, das nicht nur für uns von Bedeutung ist. Es ist für ganz Bayern wichtig. Wir müssen den Austausch zwischen dem Land und den Metropolregionen einfacher gestalten. Der Druck auf die Städte ist wahnsinnig groß, dadurch bluten andere Regionen aus. Unser Anliegen ist es, diesen Trend zu stoppen oder vielleicht sogar umzukehren.

Sind deshalb die in Ihrem Papier geforderten gleichwertigen Lebensverhältnisse für Bayern so wichtig?

Es muss möglich sein, in Bayern auf dem Land zu leben und in der Stadt arbeiten zu können. Oder umgekehrt. Das gibt uns bei der Entwicklung der Bevölkerung ganz neue Möglichkeiten.

Das, was Sie angesprochen haben, ist aber nur möglich, wenn die Menschen pendeln.

Die Distanz ist dabei oft gar nicht das Problem. Es ist die Zeit. Die kritische Marke liegt bei einer Stunde. Wenn jemand kürzer unterwegs ist, erträgt er das Pendeln leichter und nimmt es weniger als Belastung wahr.

Wie kann man diese Zeiten verringern?

Es muss attraktiv sein, mit dem Zug von einem zum anderen Punkt zu fahren. Wir müssen den Verkehr besser miteinander vernetzen. Das wäre schon ein großer Schritt. Das schließt die Parkplätze am Bahnhof genauso ein, wie Möglichkeiten, ein Fahrrad sicher abzustellen. Es gibt bereits Handy-Apps, die einem anzeigen, ob es freie Parkplätze gibt. Damit kann man gleich einen Platz reservieren. Die Digitalisierung muss mit allen Veränderungen Schritt halten. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Fahrpläne.

Was stimmt mit denen nicht?

Die Takte von Bussen und Zügen müssen besser aufeinander abgestimmt werden. Ein Vorschlag ist, Freizeitangebote weiträumig mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu vernetzen. In München kann man mit der Bahn direkt vom Hauptbahnhof ins Skigebiet nach Garmisch-Partenkirchen fahren. Statt im Stau stehen die Menschen dann auf der Skipiste.

Oberfranken hinkt in Ihrem Positionspapier in dieser Entwicklung hinterher. Woran liegt das?

Nehmen wir als Beispiel die Region direkt an der Grenze zu Tschechien. Während auf deutscher Seite noch Diesellokomotiven fahren, sind die Fahrgäste auf tschechischer Seite schon mit elektrifizierten Zügen unterwegs. Das kann nicht sein. Die bayerische Bauindustrie spricht sich für die komplette Elektrifizierung aus. Es ist eine saubere und zukunftsweisende Lösung. Schließlich ist die Bauindustrie nicht nur Beton. Wir möchten schonend mit Ressourcen umgehen.

Stichwort Osteuropa: Wieso ist das in Ihrem Konzept so wichtig?

Durch den Fall der Mauer sind ganz neue Märkte und Verbindungsachsen entstanden. Und Bayern ist mittendrin in diesem Spinnennetz. Die meisten transeuropäischen Verbindungsstraßen führen durch den Freistaat. Egal ob sie in Nord-Süd- oder Ost-West-Richtung verlaufen. Diese Lage ist eine große Chancen für einen Industriestandort.

Konkret zu Oberfranken. Wie sehen die Pläne der Bauindustrie für den Regierungsbezirk aus?

Wir können nur Vorschläge machen. Am Ende bauen wir das, was genehmigt wird. Vordringlich sehen wir den Ausbau der B 303 neu als Lückenschluss zwischen der Autobahn A 70 und Tschechien. Auch der Ausbau der B 173 zwischen Hof und Lichtenfels ist eines unserer Anliegen. Beim Schienenverkehr wünschen wir uns ganz klar, dass die Franken-Sachsen-Magistrale modernisiert und die Strecken nach Nürnberg und Regensburg elektrifiziert werden.

Bei einer Tagung des Bundes der Architekten haben Sie den Vorschlag gemacht, möglichst viel Verkehr in den Untergrund zu bringen. Wie stellen Sie sich das praktisch vor?

Für München ist die Antwort einfach. Ich fordere ganz klar die zweite Stammstrecke, damit der Verkehr nicht zusammenbricht. Was dort möglich ist, muss auch in anderen Metropolen wie etwa Nürnberg funktionieren. Auch auf dem Land ist das ein Thema. Beim Bau von Umgehungsstraßen gibt es nichts Ökologischeres als einen Tunnel.

Ökologisch vielleicht, aber auch teurer. Wie wollen Sie das der Politik vermitteln?

Schauen Sie sich nur mal das Beispiel der Stromtrassen an. Die Bevölkerung wird hohe Strommasten in Zukunft sicher nicht mehr einfach so hinnehmen. Wenn wir einen Anspruch an die Ästhetik der Landschaft haben und den Flächenverbrauch verringern möchten, müssen diese Projekte uns das Geld wert sein.

Wie kann die Bauindustrie zum mobilen Bayern beitragen?

Wir hatten das Glück, unser Konzept Ministerpräsident Horst Seehofer vorstellen zu können. Er hat den Mehrwert, den wir mit unserem Papier schaffen wollen, sofort erkannt. Nächstes Jahr wird die bayerische Bauindustrie mit dem Innenministerium eine Tagung zum Thema organisieren. Am Ende möchten wir dafür sorgen, dass genug Geld da ist, damit die Verkehrsprojekte gebaut werden können.

Sie haben sich auch schon dafür ausgesprochen, die Finanzierung von Straßenbauprojekten anders zu gestalten. Wieso?

Wenn der Bundeshaushalt aufgestellt wird, steht anfangs relativ viel drin. Wenn dann gespart werden muss, leiden in der Regel immer die Investitionen. Für die Bauindustrie und die Unternehmen ist das schlecht. Sie können nicht planen. Leichter wäre es für sie, wenn die Mittel für den Straßenbau nicht mehr durch den Bundeshaushalt, sondern in einer ausgegliederten Gesellschaft verwaltet würden.

Der Ausbau der Autobahn A 8 von Augsburg nach Ulm wurde im Rahmen einer Public-Private-Partnership (PPP) durchgeführt. Wäre das auch eine Lösung für die Zukunft?

Im Hochbau haben wir sehr positive Erfahrungen mit PPP gemacht. Im Straßenbau ist es schwieriger. Das sind bisher sehr große Projekte, die vom Mittelstand kaum übernommen werden können. Beim Ausbau der A 8 von München bis Augsburg hat das Konsortium Autobahnplus den Zuschlag bekommen. Das Unternehmen hat die Autobahn gebaut. Darüber hinaus betreibt und unterhält es die Straße für 30 Jahre. In Zukunft sollen solche Projekte auch für mittelständische Unternehmen möglich sein.

Sehen Sie auch Risiken in den Public-Private-Partnerships?

Unsere Erfahrung ist, dass PPP-Projekte schneller, kostengünstiger und in sehr guter Qualität beendet werden. Ich bin aber strikt gegen Modelle, in denen Straßen komplett verkauft werden. Autobahnen und Bundesstraßen müssen im Eigentum der Bundesrepublik bleiben.

Was haben Sie mit dem Projekt "Mobilität 2030" bereits erreicht?

Wir haben in der Politik schon ein gutes Bewusstsein für unsere Projekte geschaffen. Es ist aber noch ein langer Weg, den wir vor uns haben. Chancen bieten vor allem die neuen Technologien. Mit der A 9 haben wir bereits eine Teststrecke für selbstfahrende Autos. All diese Dinge sind möglich. Wir müssen sie nur gemeinsam anpacken.

Interview: Christopher Michael

Zur Person

Thomas Schmid, 54, ist seit 2014 Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbandes. Zuvor war der Politik- und Europawissenschaftler im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland in Kanada tätig und von 2002 bis 2014 Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen. Er war zunächst Mitglied der CSU und trat 2008 in die CSB ein.

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