38 von 53 Pflegekräften fallen aus Bald ist niemand mehr da, der pflegen kann

Immer häufiger fallen Corona-Tests bei den Mitarbeitern des Seniorenzentrums Sankt Elisabeth in Ebern positiv aus. Foto: Archiv NP/Christian Schuster

Im Seniorenzentrum Sankt Elisabeth in Ebern sind von 53 Pflegekräften 38 ausgefallen. Der Leiter des Heims, Stefan Dünkel, steht vor einem immensen Problem. Ein Hilferuf bei Facebook löst eine Welle der Hilfsbereitschaft aus.

 
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Es sind Zeilen, die die ganze Ausweglosigkeit vieler Senioren- und Pflegeheime in der aktuellen Pandemiephase zusammenfassen: „Klingt echt dramatisch, dieser Hilferuf, der mich auf ganz unterschiedlichen Kanälen erreichte: Hilferuf aus dem Altenheim Ebern. Hilfe! Das Seniorenheim Ebern ist wegen Personalausfällen an seine Grenzen gelangt. Es gibt u. a. nicht mal mehr Personal zum Essen verteilen. Könnte aus den Reihen der Gruppe jemand helfen? Oder kennt ihr jemand? Wäre schön, wenn sich, wer helfen könnte, direkt bei Stefan Dünkel, Altenheim Leiter, meldet. Ihm hilft jede Hilfe, nicht für die Pflege, nur Essen verteilen, unterstützten bei Essen, einfach mit da sein. Danke.“ Gepostet wurde dieser Aufruf in der Facebookgruppe „Ebern in Unterfranken“. Und schon wenige Momente später mehren sich unter diesem in den Kommentaren die Hilfsangebote.

Bei Stefan Dünkel, dem Leiter des Seniorenheims Sankt Elisabeth in Ebern, beginnt zu diesem Zeitpunkt das Handy ununterbrochen zu schrillen, denn seine Nummer wurde ebenfalls, der Einfachheit halber, direkt mit angegeben. Auch die Neue Presse erreicht ihn noch am Dienstagabend, 15. März, kurz nach Veröffentlichung des Aufrufs. „Wir brauchen zwar auch Helfer, die das Essen austeilen“, berichtet er. „Aber hauptsächlich benötigen wir dringend Mitarbeiter, die auch pflegen würden, denn von 53 Pflegekräften sind 38 ausgefallen.“ Man versuche, sich über Wasser zu halten und sei auch guter Dinge, dass „wir das hinkriegen“, aber es sei nicht einfach. „Die Mitarbeiter können irgendwann nicht mehr. Sie können nicht rund um die Uhr arbeiten“, berichtet Dünkel. „Es ist deprimierend, wenn Mitarbeiter, die sich gut fühlen, zur Arbeit kommen, sich dort testen und dann zwei Striche auf dem Test erscheinen – sprich: positiv“, erklärt Dünkel die Not. Der Mitarbeiter müsse dann heimgehen – wohl wissend, dass es „jetzt noch mal einer weniger ist“. Der Betroffene sitze dann zu Hause und könne nicht mehr helfen. Eine Lösung hat er spontan nicht parat: „Das ist eine Geschichte, bei der die Politik hinterherhinkt und bei der wir keine Unterstützung erhalten“, bemängelt Dünkel.

Doch was könnte helfen? „Helfen würde wenn positive die Symptome haben wie bei einer Erkältung dass diese nicht in Quarantäne müssen“, so Dünkel. Doch: Selbst, wenn an Corona Erkrankte symptomfrei sind, können sie andere als Virusträger trotz Impfung immer noch anstecken. „Natürlich kann und wird man auch andere anstecken“, bestätigt Dünkel auf den Einwand hin. „Aber wenn man sieht, dass dreiviertel des Personals fehlt und dass vielleicht deshalb die Bewohner nicht mehr so gut versorgt werden...“, gibt er zu bedenken. Außerdem hätten die Bewohner häufig „gegebenenfalls Erkältungssymptome, mit denen sie aber bestens betreut und versorgt werden können.“ Angesichts des gravierenden Mangels an Mitarbeitern „dürfte dies mittlerweile die sinnvollere und bessere Lösung sein“, resümiert Dünkel.

Dass dieser Mitarbeitermangel auch der Impfpflicht geschuldet sein könnte, verneint der Leiter des Eberner Seniorenzentrums: „Die Impfpflicht belastet sicher viele Häuser. Bei uns sind aber fast alle Mitarbeiter geimpft. Deshalb können wir hier entspannt sein.“ Er befürworte zudem die Impfung – jedoch mit einer Einschränkung: „Ich finde, wenn, dann sollten alle und nicht nur bestimmte Berufsgruppen eine Impfpflicht haben.“

Der Hilferuf ist auch deshalb erfolgt, weil es in der Regel zwar einen Mitarbeiteraustausch mit anderen Einrichtungen gebe, “aber derzeit sind die anderen Einrichtungen ebenfalls nicht von Corona verschont geblieben.“ Doch was kann nun getan werden? Bis Mittwochmorgen, 16. März, sind nicht nur bei Facebook zahlreiche Hilfseingebote bei Dünkel eingetroffen. Menschen aus allen Bereichen und aller Altersstufen bieten ihre Unterstützung an. Doch welche Voraussetzungen benötigt jemand, der Dünkel und sein Team unterstützen möchte? „Benötigt werden Menschen, die Grundkenntnisse in der Pflege haben – für etwa zehn Tage“, erklärt Dünkel. „Gerne natürlich auch Fachkräfte.“ Die Ernährung sei zwar komplett sichergestellt – „Hier kommen wir klar.“ – aber auch Ungelernte könnten hier natürlich helfen und unterstützen. „Aber am meisten helfen aktuell Pflegekräfte“, betont der Leiter des Seniorenzentrums.

Allen Problemen und Schwierigkeiten zum Trotz möchte Dünkel aber auch das Positive seines Berufes hervorheben: „Die Pflege ist ein sehr schöner Beruf und ich hoffe, dass auch dieses Jahr viele die Ausbildung zur Pflegefachkraft beginnen. Wir bilden immer drei bis vier Schüler aus. Ein Ausbildungsplatz wäre derzeit noch vakant.“ Zudem sei er sehr stolz auf seine Mitarbeiter und den Zusammenhalt, den es im Team gebe. Und er blickt optimistisch in die nahe Zukunft: “In zwei Wochen sieht die Welt bei uns wieder gut aus.“ Und noch etwas liegt Dünkel am Herzen: ein Dank. „Ich bedanke mich bei allen für die Anteilnahme und die Bereitschaft zur Unterstützung und Hilfe.“

Kommentar
Wenn es soweit ist, dass Pflegekräfte rund um die Uhr arbeiten müssen oder dass Verantwortliche darüber nachdenken, ob man Mitarbeiter nicht auch an Corona erkrankt zur Arbeit zulassen sollte – dann ist garantiert nicht der richtige Zeitpunkt, sich über Lockerungen zu freuen, findet unsere Autorin. Den ganzen Kommentar finden Sie HIER.

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