50 Jahre Landkreis „Das Coburger Land ist das Herzstück Europas“

Sebastian Straubel steht als Landrat an der Spitze des Landkreises Coburg, der vor 50 Jahren geschaffen wurde. Das Landratsamt, vor dem Sebastian Straubel steht, wurde 1989 eingeweiht. Foto: /privat

Der Landkreis Coburg besteht seit einem halben Jahrhundert. Landrat Sebastian Straubel beleuchtet im Interview der Neuen Presse die Entwicklung und zeigt Perspektiven auf.

 
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Herr Landrat, vor 50 Jahren ist der Landkreis Coburg in seinem heutigen gegrafischen Zuschnitt entstanden. Ein Grund zum Feiern?

Sebastian Straubel: Definitiv! Damals ist entstanden, was den Landkreis Coburg bis heute ausmacht: eine starke Gemeinschaft aus 17 Städten und Gemeinden, ein starker Standort und vor allem einer mit Zukunft. Das ist insbesondere den vielen Bürgerinnen und Bürgern, ehrenamtlich Tätigen und Unternehmern zu verdanken, die den Landkreis gestalten. Darauf können wir stolz sein, und das darf auch gefeiert werden.

Neustadt bei Coburg hat 1972 seine Kreisfreiheit verloren. Wie haben die Neustadter das ihrer Beobachtung nach „verkraftet“, welchen Gewinn bringt die größte Stadt im Landkreis diesem ein?

Wenn Sie nach Emotionen fragen, dann habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Neustadter den Verlust der Kreisfreiheit gut verkraftet haben. Die Wogen der Emotionen, die damals hochgeschlagen sind, haben sich längst geglättet. Neustadt ist ein wichtiger Teil des Landkreises Coburg, nicht nur, was die Einwohner betrifft, sondern auch, was die Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze anbelangt.

Das Ziel der Landkreisreform in Bayern, die zum 1. Juli 1972 in Kraft trat, war, leistungsfähige Landkreise zu schaffen. Ist das für Coburg erreicht?

Das ist meiner Überzeugung nach gelungen: mit Neustadt und allen anderen 16 Städten und Gemeinden. Coburg ist ein leistungsfähiger Landkreis. Gemeinsam sind wir stark!

Ehemals selbstständige Gemeinden wie Beiersdorf, Scheuerfeld oder Creidlitz schlossen sich der Stadt Coburg und nicht dem Landkreis an, obwohl dieser die Einwohner dieser Orte umworben hatte. Bedauern Sie das?

Natürlich wäre es schön gewesen, wenn diese starken Gemeinden zum Landkreis gestoßen wären. Dass Beiersdorf, Scheuerfeld, Creidlitz und Co. sich der Stadt angeschlossen haben, ist aufgrund ihrer Lage am Stadtrand sinnvoll. Ein Bedauern darüber wäre heute fehl am Platze. Stadt und Landkreis Coburg bilden eine Region, der eine profitiert vom anderen.

Der Landkreis Coburg bekam dafür Gemeinden des ehemaligen Landkreises Staffelstein zugesprochen. Dem damaligen Landrat Klaus Groebe rutschte dabei der Begriff von „Scheißdörfern“ heraus, die er am liebsten nicht in seinem Zuständigkeitsbereich sehen wollte. Wie bewerten Sie diese Aussage 50 Jahre später?

Ich bin sehr froh, dass diese Dörfer zu unserem Landkreis gehören. Sie machen es genau wie all die anderen zu einem vielfältigen Ganzen. Nehmen Sie nur die Altstadt von Seßlach: Um die beneiden uns viele.

Was zeichnet den Landkreis Coburg heute aus, wo liegen seine Stärken?

Die vielen Ehrenamtlichen, das Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger für die Gesellschaft, ihren Ort, ihre Gemeinde, ihre Stadt, ihren Landkreis ist wirklich einzigartig. Das wollen wir durch die Ehrenamtswege künftig auch deutlich herausstellen.

Und wie sieht es wirtschaftlich aus?

Die vielen Unternehmen zeichnen den Landkreis Coburg aus. Wir sind ein wirtschaftsstarker Standort. Zahlreiche Produkte, die weltweit bekannt sind, kommen aus dem Coburger Land. Ohne die hier ansässigen Firmen wäre es in vielen Kinderzimmern langweilig, in Wohnzimmern unbequem, und es würde auch kein Auto fahren. Mit unserer Digitalen Manufaktur in Rödental stehen wir für Innovationen. Im Coburger Land finden auch digitale Gründer eine Heimat.

Wie steht es um die Lebensqualität?

Das Coburger Land wird auch als Herzstück Europas bezeichnet, weil es - schaut man auf die EU - sozusagen dort liegt, wo beim Menschen das Herz schlägt. Wir sind der Dreh- und Angelpunkt Europas, nicht zuletzt durch die sehr gute Verkehrsanbindung über Autobahn und ICE. Bei uns lebt es sich richtig gut. Das Land bietet Lebensqualität. Das haben wir gerade während der Corona-Pandemie nochmals mehr zu schätzen gelernt.

 Wir haben großartige Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Dafür stehen Rad- und Wanderwege in allen unseren 17 Städten und Gemeinden. Lassen Sie mich exemplarisch Ausflugsziele wie die Alexandrinenhütte bei Meeder oder die Hofmannsteiche in Weitramsdorf, die ThermeNatur in Bad Rodach, den Wildpark Tambach, die Altstadt in Seßlach, die Freizeiteinrichtungen in Rödental, Neustadt und Sonnefeld, den Planetenweg in Untersiemau oder die Alte Schäferei in Ahorn nennen. Im Landkreis Coburg gibt es unheimlich viel zu entdecken, natürlich auch in Ebersdorf, Großheirath, Niederfüllbach, Grub am Forst, Lautertal, Weidhausen, Itzgrund und Dörfles-Esbach.

Was macht den Landkreis Coburg lebenswert?

Das Lebensumfeld, das er bietet, seine Menschen, die ihn gestalten.

Welche großen Projekte stehen in den nächsten Jahren für den Landkreis Coburg an?

Wir werden weiter in die Zukunft investieren: So in die Bildung unserer Kinder, indem wir unsere Schulen auf den modernsten digitalen Stand bringen. Hier haben wir zum Beispiel für die Realschule Coburg II viel Geld in die Hand genommen. Derzeit investieren wir kräftig in die Sanierung des Arnold-Gymnasiums in Neustadt. Und auch in anderen Bereichen haben wir viel vor, weitere Projekte werden angegangen.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Gerne. Wir kümmern uns um eine weiterhin gute Anbindung, indem wir unser Kreisstraßennetz erhalten und dort, wo es notwendig ist, verbessern. Die Mobilität verändert sich. Deshalb werden wir innovative Lösungsansätze für den Öffentlichen Personennahverkehr und ein Radwegekonzept entwickeln. Wir stärken den Brand- und Katastrophenschutz. Das wird, schaut man sich die Ereignisse in den vergangenen Monaten an, immer wichtiger und steht somit weit oben auf unserer Agenda. Ein weiteres Thema ist natürlich unsere Gesundheitsversorgung, die oberste Priorität genießt. Hier bringen wir mit dem Neubau des Klinikums ein Leuchtturmprojekt auf den Weg, das über die Landkreisgrenzen hinaus strahlen wird.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Coburg, das den Status einer kreisfreien Stadt hat?

Wir sind eine Region, und die Stadt Coburg ist mit ihren Angeboten natürlich wichtig für den Landkreis. Umgekehrt gilt das auch. Wir ergänzen uns und profitieren voneinander. Gemeinsam verwirklichen wir viele Projekte. Exemplarisch dafür stehen der Tourismus, die Gesundheitsversorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, das Radwegekonzept. Wir werden sicher auch weitere Projekte angehen, die uns als gemeinsame Region stark machen.

Wo sehen Sie die Qualitäten des Landkreises, wenn sie auf die nächsten zehn Jahre blicken?

In der innovativen Wirtschaft sowie in der landwirtschaftlichen Entwicklung. Und, wie gesagt: Der ländliche Raum, unser Coburger Land, ist lebens- und liebenswert, durch unsere gute Verkehrsanbindung sind wir gut vernetzt und sozusagen mittendrin.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Landkreises Coburg?

Weiterhin so engagierte und gestaltungsfreudige Bürgerinnen und Bürger.

Zahlen und Fakten

• Der Landkreis Coburg in seinem heutigen geografischen Zuschnitt ist am 1. Juli 1972 im Zuge der ersten bayerischen Gebietsreform entstanden. Damals wurde der Landkreis Staffelstein aufgelöst. Teile davon, beispielsweise Itzgrund und der Raum Seßlach, wurden dem Kreis Coburg zugeschlagen. Die Stadt Neustadt verlor ihren Status der Kreisfreiheit, bekam dafür aber den Status einer „Großen Kreisstadt“. 1978 folgte die zweite Stufe, als „Großgemeinden“ gebildet wurden.

• Der Landkreis Coburg besteht aus 17 Städten und Gemeinden: Ahorn, Bad Rodach, Dörfles-Esbach, Ebersdorf bei Coburg, Großheirath, Grub am Forst, Itzgrund, Lautertal, Meeder, Neustadt bei Coburg, Niederfüllbach, Rödental, Seßlach, Sonnefeld, Untersiemau, Weidhausen bei Coburg und Weitramsdorf.

• Im Landkreis Coburg leben knapp 87 000 Einwohner.

• Der Landkreis Coburg umfasst eine Fläche von 592 Quadratkilometern und verfügt über ein rund 1400 Kilometer langes Wander- und Radwegenetz sowie 200 Kilometer Kreisstraßen.

• Der Landkreis Coburg verfügt über 50 Kindergärten und Kindertagesstätten, 21 Grund- und Mittelschulen, zwei Realschulen und ein Gymnasium, etwa 800 Vereine, 7000 Betriebe und mehr als 30 000 Arbeitsplätze.

• Sebastian Straubel (CSU) ist 2019 zum Landrat des Landkreises Coburg gewählt worden. Vorher, ab 2014, war Straubel Bürgermeister der Gemeinde Lautertal. Coburger Landräte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren Karl Bauer (1945-1946), Rudolf Kaemmerer (1946- 1964), Klaus Groebe (1964-1972), Helmut Knauer (1972-1990), Karl Zeitler (1990-2008) und Michael Busch (2008- 2018)..

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