Als Extremist war der mutmaßliche Schütze nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht bekannt. Seit dem 12. Dezember sei er im legalen Besitz einer halbautomatischen Pistole gewesen, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Dabei habe es sich um die Tatwaffe gehandelt.
Die Waffenbehörde erhielt nach Angaben des Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F.. Ziel des unbekannten Schreibers sei es gewesen, das Verhalten und die waffenrechtlichen Vorschriften in Bezug auf Philipp F. überprüfen zu lassen. Die unbekannte Person habe ferner geschrieben, dass die psychische Erkrankung von F. möglicherweise ärztlich nicht diagnostiziert sei, da sich F. nicht in ärztliche Behandlung begebe. F. habe laut dem Schreiben eine besondere Wut auf religiöse Anhänger gehegt, besonders auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber.
Die Beamten der Waffenbehörde hätten nach dem Hinweis weiter recherchiert. Anfang Februar sei F. von zwei Beamten der Waffenbehörde unangekündigt aufgesucht worden. Dies sei eine Standardkontrolle gewesen, die nach einem anonymen Hinweis erfolge. F. habe sich kooperativ gezeigt, sagte Meyer. Es habe keine relevanten Beanstandungen gegeben. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen.
Der 35-Jährige gab am Donnerstagabend mehr als 100 Schüsse ab. „Insgesamt hat er 9 Magazine à 15 Schuss verschossen“, sagte der Hamburger Staatsschutz-Leiter Radszuweit.
Nach den Schüssen fand die Polizei laut Staatsanwaltschaft in der Wohnung des mutmaßlichen Täters auch eine größere Menge Munition. Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Ralf Peter Anders, sprach von 15 geladenen Magazinen mit jeweils 15 Patronen und 4 Schachteln Munition mit weiteren 200 Patronen. Außerdem wurden Laptops und Smartphones sichergestellt, die noch ausgewertet würden.
Der Amoktäter stammt aus dem bayerischen Memmingen
Der Amoktäter stammt aus dem bayerischen Memmingen. Studiert habe er in München, sagte Radszuweit. Seit 2015 war er dpa-Informationen zufolge in Hamburg gemeldet, aufgewachsen ist er demnach in Kempten im Allgäu.
Mögliche Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft schließen die Ermittler nicht aus. Polizeipräsident Meyer sagte, es gebe Hinweise auf einen Streit „möglicherweise aus dem Bereich der Zeugen Jehovas“. Das müsse geprüft werden, in den Akten habe man dazu nichts gefunden. Radszuweit sagte, die Frage von Streitigkeiten sei derzeit Gegenstand der Ermittlungen. Seinen Angaben zufolge hatte der Amokschütze Philipp F. die Hamburger Gemeinde vor anderthalb Jahren freiwillig verlassen, „aber offenbar nicht im Guten“.
Die Zeugen Jehovas zeigten sich in einer Erklärung „tief betroffen“. Zahlreiche nationale und internationale Politiker reagierten schockiert und betroffen auf den tödlichen Vorfall, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, äußerte sich „erschüttert“ über die „menschenverachtende Gewalttat in Hamburg“. Sein Gebet gelte den Verstorbenen, den Verletzten und den Angehörigen, schrieb der katholische Bischof am Freitag auf Twitter. „Wir trauern um Menschen, die unschuldig ihr Leben verloren haben. Es gibt keine Worte für dieses Verbrechen, das Leben ausgelöscht hat.“