Amtsgericht Haßfurt Freispruch für vermeintlichen Dealer

Martin Schweiger
Symbolfoto Foto: picture alliance / dpa/David Ebener

Die Anklage sei laut Verteidigung völlig frei erfunden. Trotz belastender Indizien für Drogenhandel, macht sich der Hauptzeuge jedoch unglaubwürdig.

 
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Haßfurt - Zeuge redet sich am Amtsgericht um Kopf und Kragen

94 Gramm der Droge Amphetamin („Speed“) soll ein 41-Jähriger aus dem Maintal laut Anklageschrift einem Arbeitskollegen in Eltmann für insgesamt 1600 Euro verkauft haben. Am Donnerstag musste er sich deshalb am Amtsgericht verantworten. „Die Anklage ist völlig falsch“, erwiderte Verteidiger Christian Barthelmes die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Die Aussage des Arbeitskollegen bei der Polizei sei „frei erfunden“, sagte der Anwalt.

Bei dem Arbeitskollegen seien Schuldscheine gefunden worden, auf denen im Zusammenhang mit den angeklagten Rauschgiftmengen das Kürzel „Vic“ auftauche. Dies deute auf einen Mann namens Victor hin, der in der Drogenszene bekannt sei. Offenbar habe der Drogenkäufer die Ware von jenem Victor gekauft, den er jedoch nicht belasten will. Deshalb wolle er nun seinem Mandanten die Schuld in die Schuhe schieben, mutmaßte der Anwalt. „Ich werden ihn anzeigen“, drohte er.

Der Arbeitskollege wiederum war als Zeuge geladen, scheute aber vor einer Aussage zurück, weil er angeblich von dem Angeklagten bedroht worden sei. Noch während der Verhandlung rief er an, er sei an Corona erkrankt und könne daher nicht kommen oder wolle zumindest in einem extra Zimmer aussagen. Dies lehnte die Vorsitzende jedoch ab. Schließlich erschien der Zeuge doch noch vor Gericht, wo er zunächst eine Handy-Drohung des Angeklagten vorzeigte: „Du Penner lügst mich an. Ich schlag dich kaputt, wenn ich dich sehe“, soll der ihm gedroht haben. Die Nachricht sei nicht von ihm. Er habe eine andere Handynummer, warf der Angeklagte ein.

In seiner Zeugenaussage selbst belastete der Zeuge den Angeklagten nicht mehr direkt. Er sei damals im April 2019 nachts um 2 Uhr ohne Führerschein im Auto in Bamberg unterwegs gewesen und in eine Polizeikontrolle geraten. Dabei entdeckten die Polizeibeamten auf dem Handy des Zeugen zwei Fotos der beiden angeklagten Drogenmengen. „Die Aussage damals war erzwungen. Sie drohten mich da zu behalten. Ich war gezwungen auszupacken“, sagte er vor Gericht, ohne dabei den Namen des Angeklagten als den damaligen Verkäufer zu nennen. Auf die Frage, ob er einen Victor kenne, antwortete er: „Keine Ahnung wer Victor ist“.

Eine Lüge, wie sich im Anschluss herausstellte. Denn nach hartnäckigem Nachfragen durch Verteidiger und Richterin kam die Wahrheit schließlich ans Licht. Er kenne den ominösen Victor, habe ihn damals aber nicht belasten wollen, gab der Zeuge zu Protokoll. Victor und er seien noch Freunde. Rauschgiftgeschäfte habe er mit ihm jedoch nicht gemacht. „Wir fühlen uns veräppelt“, kommentierte die Vorsitzende Richterin Kerstin Leitsch die Aussage des Zeugen. Als sie zwei weitere Namen von Drogendealern nannte, räumte der Zeuge ein, sie zu kennen.

Mit seiner Salamitaktik konnte er vor Gericht nicht punkten. Die Aussage des Belastungszeugen reiche nicht für eine Verurteilung aus, sagte der Staatsanwalt. Jedoch sprächen viele Umstände für die Schuld des Angeklagten, wie Paysafe-Zahlungen, die auf dem Handy des Angeklagten gefunden wurden, sowie viele kleinere Zahlungen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung habe die Polizei Betäubungsmittel und Drogenutensilien sichergestellt. Der Anklagevertreter forderte daher eine elfmonatige Bewährungsstrafe für den nicht vorbestraften Angeklagten plus 3600 Euro Geldauflage.

Der Verteidiger kritisierte diese Forderung hart. Der Antrag sei nicht objektiv und „auf Biegen und Brechen zurechtgebogen“. Der Zeuge habe nichts geliefert, sondern habe nachweislich gelogen und seinen Mandanten falsch verdächtigt. Er habe nur den Dealer entlasten wollen, um weiterhin von ihm Drogen kaufen zu können. Dies sei „maximal schäbig“. Sein Mandant sei daher freizusprechen.

Dies sah die Vorsitzende genauso. Sie glaube, dass etwas gelaufen sei. Nachzuweisen sei dies jedoch nicht, weshalb nur ein Freispruch in Frage komme. Der Angeklagte sei mit einem blauen Auge davongekommen. „Das Leben kann auch ohne Drogen schön sein“, schloss sie.

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