Amtsgericht Haßfurt Freispruch trotz Hämatom

Martin Schweiger
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Einem 29-Jährigen wird vorgeworfen, eine 19-Jährige gegen ihren Willen geküsst und ihre Hand in seine Hose gesteckt zu haben. Der Staatsanwalt äußert Zweifel an der Nötigung – weil das Mädchen dem Mann schließlich „in die Dunkelheit gefolgt“ sei.

 
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Haßfurt - Weil er eine 19-Jährige im Oktober vergangenen Jahres am Rande einer Feier in einem Sportheim im Steigerwald sexuell genötigt und verletzt haben soll, musste sich am Mittwoch ein 29-Jähriger aus dem südlichen Landkreis am Amtsgericht verantworten. Nach fast sechs Stunden Verhandlung sprach das Schöffengericht den Angeklagten mangels eindeutiger Beweise frei.

Laut Anklage hat der Angeklagte am 3. Oktober vergangenen Jahres kurz nach Mitternacht die junge Frau unter Alkoholeinfluss gebeten, das Festzelt, in dem eine Geburtstagsfeier stattfand, mit ihm zu verlassen. Im Freien soll er sie dann in der Dunkelheit gegen einen Zaun gedrückt und sie gegen ihren Willen geküsst haben. Dabei soll er ihren Kopf festgehalten und mit seiner Hand ihre Hand in seine offene Hose gesteckt haben. Die 19-Jährige konnte davonlaufen. Sie erlitt ein Hämatom und einen Kratzer am Arm, zudem hatte sie Schmerzen.

Auf der Anklagebank wies der Angeklagte die Vorwürfe von sich. Er habe damals Blickkontakt mit der vermeintlich Geschädigten gehabt. Darauf habe er ihr angeboten „draußen zu plaudern“. „Jeder weiß, was das heißt“, ließ er das Gericht wissen. Gemeinsam habe man das Zelt verlassen und sich im Freien einvernehmlich geküsst, bis die 19-Jährige plötzlich davongelaufen sei. Sie habe seine Zungenküsse erwidert. Ihre Verletzungen könne er sich nicht erklären.

Die Geschädigte, die als Nebenklägerin auftrat, sagte im Zeugenstand unter Tränen, sie habe nicht gewusst, warum sie mit dem Angeklagten nach draußen gehen sollte. Gegen ihren Willen habe er sie geküsst und ihre Hand in seine Hose gesteckt, bis sie sich habe befreien können. Sie stehe nicht auf Männer, sondern auf Frauen. Sie könne seit dem Vorfall nicht mehr richtig schlafen und müsse Tabletten nehmen, um über den Tag zu kommen. Außerdem habe sie Angst, alleine die Wohnung zu verlassen, aus Angst, ihm zu begegnen. Zwei Tage nach der Tat habe sie mithilfe einer Freundin Anzeige erstattet. Der Polizist, der damals die Anzeige aufnahm, sagte, die Aussage der 19-Jährigen sei schlüssig gewesen. Er habe keinen Zweifel am Wahrheitsgehalt gehabt.

Dies sah der Staatsanwalt anders. Er erkannte Widersprüche in der Aussage der Geschädigten. Schließlich sei sie dem Angeklagten, den sie damals zum ersten Mal gesehen habe, in die Dunkelheit gefolgt. Dies ließe Zweifel aufkommen, ob sie wirklich gegen ihren Willen geküsst worden sei. Bei der polizeilichen Aussage habe sie zudem noch von einem gemeinsamen Zungenkuss gesprochen, was sie vor Gericht verneint habe. Möglicherweise habe sie die Küsse erst im Nachhinein als unangenehm empfunden, führte er aus. Es gebe zu viele Fragezeichen. Daher plädierte der Anklagevertreter auf Freispruch.

Dies konnte die Nebenklagevertreterin, Anwältin Martin Leuteritz, nicht verstehen. Ihre Mandantin habe kein Interesse an Männern. „Ein Nein muss ein Nein bleiben“, argumentierte sie und forderte eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Da der Angeklagte nicht vorbestraft sei, könne die Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden – plus einer Geldauflage. Verteidiger Helmut Gebhardt schloss sich dem Antrag des Staatsanwalts ebenso an, wie das Schöffengericht. „Wir haben von keiner Seite gehört, was wirklich passiert ist“, urteilte der Vorsitzende Richter Christoph Gillot. Es gebe zu viele Ungereimtheiten und zudem keine Beweise dafür, dass die 19-Jährige ein klares „Nein“ gesagt habe. Er empfahl daher, den „Mund zum Reden zu benutzen, um Missverständnisse zu vermeiden“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Nebenklage kann noch Rechtsmittel einlegen.

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