Amtsgericht Haßfurt Rucksackdieb kassiert Schläge

Martin Schweiger
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Zwei „Schutzengel“ sind bei ihrem Engagement über das Ziel hinausgeschossen. Dafür mussten sie sich nun vor Gericht verantworten.

 
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Haßfurt - Zunächst verhielten sich die zwei Angeklagten, die am Donnerstag, 29. Juli, auf der Anklagebank des Amtsgerichts Haßfurt saßen, vorbildlich. Sie saßen am Abend des 10. September vergangenen Jahres, einem lauen Spätsommerabend, mit einem Bier in der Hand auf einer Bank am Bahnhof in Ebelsbach, als sie plötzlich Zeuge eines Diebstahls wurden. Ein damals 25-Jähriger entriss einem Jugendlichen dessen Rucksack.

Die beiden Trinkkumpane zögerten nicht lange. Sie nahmen dem Dieb den Rucksack ab und übergaben letzteren dem rechtmäßigen Besitzer. Doch dabei beließen sie es nicht. Laut Anklageschrift prügelten sie anschließend auf den Dieb ein, bis er zu Boden ging. Als er am Boden lag, soll das Duo auf ihn eingetreten haben. Der ältere der beiden soll außerdem das Handy des Diebes gegen eine Wand geworfen und es so zerstört haben.

Vor Gericht einigten sich die beiden Rechtsanwälte der Angeklagten mit Staatsanwältin und Richterin in einem Rechtsgespräch auf eine Bewährungsstrafe für den Fall, dass die beiden Angeklagten ein Geständnis ablegten, was sie später auch taten.

Der geschädigte Dieb, der für den Diebstahl bereits verurteilt wurde, sagte im Zeugenstand, dass er damals betrunken war und sich nur noch daran erinnern könne, dass er am nächsten Morgen mit einem Kater in der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Haßfurt aufgewacht sei. Blaue Flecken oder sonstige Verletzungen habe er nicht gehabt.

Verteidiger Stefan Wagner erklärte, dass sein Mandant die Vorwürfe einräume. Hintergrund sei der, dass sich der Dieb „aufgeführt“ habe. Sein Mandant habe eingegriffen, dabei aber eine Grenze überschritten. Ähnliches berichtete Verteidiger Alexander Wessel über seinen Mandanten. Beide Angeklagte seien angetrunken gewesen. Die Situation sei eskaliert. Sowohl der 38-jährige als auch der 45-jährige Angeklagte sind seit Längerem arbeitslos. Beide sind mehrfach vorbestraft. Der Jüngere hat bereits sechs Eintragungen wegen Diebstahls in seinem Sündenregister stehen. Einschlägig wegen Körperverletzung verurteilt ist er allerdings nicht. Erst im Februar dieses Jahres erhielt er eine dreimonatige Bewährungsstrafe, weil er mit drei Saufkumpanen in Zeil einen Kasten Bier geklaut hatte (die Neue Presse berichtete). Als Bewährungsauflage musste er an zwei Suchtberatungsgespräche bei der Caritas teilnehmen. „Das war interessant“, sagte er vor Gericht. Ob er seitdem weniger trinkt, ließ er offen. Hinter Gittern saß er bereits auch schon, weil er eine Geldstrafe nicht zahlen konnte und daher eine „Ersatzfreizeitstrafe“ verbüßte. „Das muss ich mir nicht mehr antun“, lautete sein Resümee des Knastaufenthalts.

Sein älterer Kompagnon hat bereits zwölf Vorstrafen quer durchs Strafgesetzbuch in seinem „Portfolio“. Auch er saß bereits hinter schwedischen Gardinen. „Das war beschissen. Des langt mer. Aber aus Fehlern lernt man“, gab er zu Protokoll.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte für beide Angeklagte eine einjährige Bewährungsstrafe. Beide Verteidiger erachteten jeweils acht Monate für ausreichend. Die Zeugenaussage des Geschädigten sei kein Glanzstück gewesen, sagte Wessel. Zudem sei sein Mandant damals so betrunken gewesen, dass er sich übergeben musste.

Richterin Anne Völkl verurteilte den 45-Jährigen zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe. Als Auflage muss er 30 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten. Der Jüngere wurde zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Darin enthalten ist die Verurteilung vom Februar. Er muss 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Beide müssen außerdem zur Suchtberatung. „Sie haben überschwänglich gehandelt. Aus menschlicher Sicht ist es verständlich. Aber es war eine Straftat“, sagte die Vorsitzende abschließend.

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