Amtsgericht Kronach Filmriss schützt nicht vor Strafe

Jürgen Malcher
Wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung musste sich ein 26-Jähriger vor dem Amtsgericht Kronach verantworten. Foto: picture alliance/dpa/Biczysko

Ein 26-Jähriger schlägt im Vollrausch vor einem Kronacher Nachtlokal einen Saufkumpan nieder: An den Vorfall kann er sich nicht erinnern. Nun wurde er verurteilt.

 
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Kronach - Wegen gefährlicher Körperverletzung in einem minderschweren Fall sowie Beleidigung ist am Donnerstag ein 26-jähriger Mann aus dem Landkreis Kronach vor dem hiesigen Amtsgericht rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à zehn Euro verurteilt worden.

Der junge Mann hatte nach Überzeugung von Strafrichter Christoph Lehmann in der Nacht vom 17. auf den 18. September letzten Jahres gegen 2 Uhr einem 22-jährigen Besucher im Außenbereich eines Kronacher Nachtlokals durch den gezielten Schlag mit einem Cocktailglas eine Platzwunde am Kopf zugefügt und diesen obendrein als „Scheiß-Nazi“ bezeichnet.

Der bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getretene Beklagte gab zu Prozessbeginn an, aufgrund eines „Filmrisses“ keinerlei Erinnerung an den Vorfall mehr zu haben; aufgrund derartiger, vermehrt auftretender Totalausfälle in jüngerer Vergangenheit, gepaart mit psychischen Dispositionen, sei ihr Mandant auch in ärztlicher Behandlung, fügte Verteidigerin Jessica Gralher an.

Jede Menge Cuba Libre

Bereits mit „vier oder fünf Seidla Bier“ intus sei der Angeklagte nach seinen weiteren Ausführungen am Abend zum Vorglühen bei einem seiner beiden Kumpels gekommen. Und eine halbe Flasche Wodka sowie eine nicht mehr bezifferbare Menge an Cuba Libre später strandete das Herrentrio schließlich in besagter Kneipe, habe mit der Gruppe um den Geschädigten weitergezecht – und „aufgewacht bin ich am nächsten Morgen in meinem Bett“, so der Angeschuldigte. Sein Fazit mit Hinblick auf die Tatvorwürfe: „Das alles macht für mich so irgendwie keinen Sinn.“ „Für mich auch nicht“, entgegnete der Richter. Doch von der möglichen Anordnung eines fachärztlichen Gutachtens – und einer damit verbundenen potenziellen Unterbringung nach den Gesetzen des Maßregelvollzugs – ließ sich der 26-Jährige nicht beeindrucken und blieb bei seiner Version.

Genauer erinnerte sich da der 22-jährige Geschädigte: Nachdem er das Lokal kurz verlassen und sich auf einem Stuhl im Biergarten niedergelassen hatte, sei ihm der stark angetrunkene Beschuldigte gefolgt, habe eine Umarmung angedeutet und unversehens mit dem Glas zugeschlagen – flankiert mit besagter Beleidigung. Danach habe sich dieser aus dem Staub gemacht. Trotz anfänglicher Schmerzen habe ihn die Verletzung im Alltag in keiner Weise beeinträchtigt. Sein als Zeuge geladener, ebenfalls 22 Jahre alter Kompagnon bestätigte diese Darstellung mit geringen Abweichungen.

Fremdenfeindlich

Abseits des eigentlichen Verfahrensgegenstands bejahten beide Zeugen auf Lehmanns Nachfrage hin ferner unverhohlen ihre fremdenfeindliche Einstellung. Warum dies so sei, konnten sie allerdings nicht so recht erklären. „Ist halt so“, lautete etwa die wortkarge, wenig überzeugende Antwort des 22-Jährigen. Und vom Hörensagen habe man laut Geschädigtem „nur Schlechtes“ über Menschen mit Migrationshintergrund und „die Ausländer“ mitbekommen. Unter anderem traten sie mit gleichfarbigen Bomberjacken, einer mit kahl geschorenem Kopf auf.

Eine Alkoholpegelmessung beim Beklagten sei nach Aussage der polizeilichen Sachbearbeiterin aufgrund seines Verschwindens nicht möglich gewesen; erst Tage später konnte man seiner habhaft werden. Die Alkoholintoxikation beim Geschädigten bezifferte sie auf 1,32 Promille. „Das war eine Wechselwirkung zwischen Alkohol, Depression und Medikamenten“, unternahm die Verteidigerin einen letzten Versuch. „Es tut mir entsetzlich leid“, unterstrich auch der 26-Jährige in seinem Schlusswort.

Mit seinem Urteil blieb das Gericht deutlich über den Forderungen von Anklagevertretung und Verteidigung, die in seltener Einmütigkeit je eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à zehn Euro gefordert hatten. Zwar hob der Richter die Strafrahmenverschiebung wegen minderer Schwere hervor, da die Tat unter erheblichem Alkoholeinfluss wie auch mit „fehlender Wucht“ beim Zuschlagen geschehen sei. Dennoch war es „ein Schlag gegen den Kopf mit dem verstärkten Boden eines Glases. Reißen Sie sich in Zukunft zusammen!“

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