Angeklagter witzelte über Judenverfolgung Museumsbesuch als Auflage

Manfred Wagner
Am 30. Mai 2020, so die Staatsanwältin, postete der Angeklagte ein menschenverachtendes Bild in einer Chat-Gruppe im Internet. Foto: dpa/Arne Dedert

Ein Jugendlicher hatte antisemitisches Bild in WhatsApp-Gruppe gepostet. Das Jugendgericht stellte Verfahren mit der Auflage ein, dass dieser ein historisches Museum besuchen muss.

 
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Weil er in einer WhatsApp-Gruppe ein antisemitisches Bild weitergeleitet hatte, landete ein heute 20-Jähriger vor dem Jugendgericht der Kreisstadt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Da der nicht vorbestrafte Teenager sich jedoch sehr einsichtig zeigte und sein bisheriger Lebensweg untadelig ist, hielt ihm der Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot eine kleine Geschichtsstunde und stellte das Verfahren mit der pädagogischen Auflage ein, dass der Auszubildende ein historisches Museum besuchen muss.

Die Tat selbst liegt schon eine ganze Zeit zurück. Am 30. Mai 2020, so die Staatsanwältin, postete der Angeklagte ein menschenverachtendes Bild in einer Chat-Gruppe im Internet. Auf der Abbildung ist ein älterer Mann mit Judenstern zu sehen, dem ein SS-Mann mit Hakenkreuzbinde gegenübersteht. Auf Sprechblasen ist zu lesen, dass der Uniformierte zu dem jüdischen Bürger sagt: „Nein, Samuel, der Stern bedeutet nicht, dass du jetzt Sheriff bist!“

Ausgrenzung unterstützt

Das Amüsieren über jüdische Menschen im Nationalsozialismus wertete die Anklage als antisemitische Haltung. Damit komme zum Ausdruck, dass die Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten unterstützt werde. Weil die Chat-Gruppe insgesamt 179 Mitglieder umfasst habe, sei es zu einer großen Verbreitung gekommen.

Der junge Mann auf der Anklagebank erklärte, dass es in der Chat-Gruppe vor allem um Warnmeldungen vor Blitzern und um aktuelle Staumeldungen gegangen sei. Da der Vorgang schon so lange zurückliege, könne er sich auch nicht mehr genau daran erinnern. Der Vorsitzende verlas daraufhin aus der Akte einen Vermerk der Polizei, wonach die Abbildung zweifelsfrei vom Handy des Beschuldigten abgeschickt wurde.

Dass das Verfahren eingestellt wurde und es zu keiner Verurteilung kam, hat der junge Mann zu einem Großteil seinem bisherigen untadeligen Lebenswandel zu verdanken. Trotz nicht ganz einfacher Familienverhältnisse schloss er die Schule mit dem Quali ab und begann anschließend eine Lehre als Anlagenmechaniker. Gegenwärtig befindet er sich im dritten Ausbildungsjahr.

Unter der Gürtellinie

In einer kleinen Geschichtsstunde erinnerte der Richter den Angeschuldigten an die Tatsache, dass im sogenannten Dritten Reich sechs Millionen Juden umgebracht worden seien. „Sechs Millionen Einzelschicksale – Familien, Träume und Wünsche wurden vernichtet“. Heutzutage, so der Vorsitzende, werde im anonymen Internet zu diesem Thema „unheimlich viel verbreitet, was unter der Gürtellinie liegt“. Deshalb seien zu Recht vom Staat strafrechtliche Grenzen gesetzt worden.

Da der Angeklagte sich sehr einsichtig zeigte und auch der Vertreter der Jugendgerichtshilfe ihm eine ordentliche Lebensführung attestierte, stellte der Richter das Verfahren mit der Auflage ein, dass der Auszubildende binnen drei Monate den Besuch eines einschlägigen historischen Museums nachweisen muss. Ob er dabei in ein örtliches Museum wir in Kleinsteinach oder in ein größeres Dokumentationszentrum wie in Bamberg oder Nürnberg geht, bleibt ihm überlassen. Die Staatsanwältin gab dem jungen Mann den dringenden Rat, sich in Ruhe die Filme „Schindlers Liste“ und „Das Tagebuch der Anne Frank“ anzuschauen.

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