Arbeitsmarkt in den Haßbergen Arbeitskräftebedarf auch 2023 zentrales Thema

Christian Licha
Gut jeder dritte Beschäftigte war im vergangenen Jahr 2022 mindestens 50 Jahre alt und scheidet voraussichtlich in den nächsten 15 Jahren aus dem Erwerbsleben aus. Nur gut jeder Zehnte ist jünger als 25 Jahre. Foto: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Patrick Pleul

Das Fazit der Agentur für Arbeit für das vergangene Jahr fällt insgesamt positiv aus. Besonders erfreulich ist, dass es weniger Langzeitarbeitslose gab. Der demografische Wandel wird jedoch immer stärker spürbar.

 
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Erfreuliche Nachrichten hatte Thomas Stelzer, Leiter der Agentur für Arbeit Schweinfurt, am Dienstag bei einer Pressekonferenz zu verkünden. „Der Arbeitsmarkt in der Region Main-Rhön 2022 verzeichnete historische Rekordwerte: Die Zahl der Erwerbstätigen erreichte mit 179 176 Personen ein Allzeithoch. Der Stellenbestand verzeichnete mit 6583 offenen Stellen einen erneuten Höchststand. Die unterjährig erfreulich niedrige Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes und die im Jahresdurchschnitt um 0,1 Prozentpunkte rückläufige Arbeitslosenquote waren angesichts vielfältiger Herausforderungen im Jahr 2022 nicht zu erwarten gewesen“, fasste Stelzer das Geschehen am Arbeitsmarkt zusammen.

Ganz im Gegenteil. Der Arbeitsmarkt erholte sich weiter von den Auswirkungen der Coronapandemie und eilte von Monat zu Monat zu neuen Rekordwerten, obwohl die anhaltenden Lieferengpässe, der Ukrainekrieg und in Folge die Energiekrise die heimische Wirtschaft auf eine Belastungsprobe stellten. Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in der Region Main-Rhön lag mit 7836 Personen bei 3,2 Prozent. Damit liegt der heimische Bezirk der Agentur für Arbeit nahezu gleich auf mit der durchschnittlichen Arbeitslosenquote für ganz Bayern, die 3,1 Prozent ausmacht. Deutlich weniger als die 5,3 Prozent im Bundesdurchschnitt. Die Zahlen innerhalb des Schweinfurter Bezirks teilen sich wie folgt auf: Landkreis Schweinfurt 2,6 Prozent, Landkreis Haßberge 2,7 Prozent, Landkreis Rhön-Grabfeld 2,7 Prozent, Landkreis Bad Kissingen 3,0 Prozent und Stadt Schweinfurt 6,2 Prozent.

Die Kurzarbeit hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich abgenommen. Waren im Zeitraum Januar bis August 2022 lediglich rund 16 700 Personen von Kurzarbeit betroffen, so waren es 2021, im gleichen Zeitraum, mit 85 000 Personen deutlich mehr. „Im Jahr 2022 waren nach Betriebsgröße die Kleinstbetriebe, bis 19 Beschäftigte, mit rund 84 Prozent am stärksten von Kurzarbeit betroffen. Damit hilft das Instrument Kurzarbeit insbesondere den Kleinstbetrieben, eine schwierige wirtschaftliche Situation zu überbrücken“, teilt Stelzer mit. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erreichte mit 179 176 Personen ein Allzeithoch. Starke Zuwächse in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, im Vergleich zum Vorjahr, hatten primär die Bereiche der technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen (plus 338 Personen), die öffentliche Verwaltung (plus 321 Personen) sowie das Verarbeitende Gewerbe (plus 253 Personen), zu verzeichnen.

Auch beim Bestand der offenen Stellen verzeichnete die Agentur für Arbeit Schweinfurt mit 6583 eine nie da gewesene Nachfrage nach Arbeitskräften. Diese lag mit 1511 Stellenangeboten über dem Jahresdurchschnittswert von 2021. Im Jahr 2019, dem Vorjahr der Coronapandemie, wurden der Agentur im Jahresdurchschnitt 4991 Stellen gemeldet.

Vom Rückgang der Arbeitslosigkeit waren die Kunden der Arbeitsagentur sowie die der Jobcenter unterschiedlich betroffen. In der Agentur für Arbeit Schweinfurt, im Bereich der Arbeitslosenversicherung, waren 3.903 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen, dies entsprach einem Rückgang von 724 Personen (minus 30,0 Prozent). In den Jobcentern, umgangssprachlich Hartz IV, waren 3934 Personen arbeitslos gemeldet. Dies entsprach einem Zuwachs von 450 Personen (plus 12,9 Prozent), der ursächlich auf die aus der Ukraine geflüchteten Menschen zurückzuführen war. Ein positives Zeichen war die Reduzierung der Anzahl der Langzeitarbeitslosen, also Menschen, die ein Jahr und länger arbeitslos gemeldet waren, im Vergleich zum Vorjahr um 217 Personen (minus 8,6 Prozent).

Der demografische Wandel macht sich von Jahr zu Jahr stärker bemerkbar. Gut jeder dritte Beschäftigte (35,6 Prozent beziehungsweise 63 723 Personen) war mindestens 50 Jahre alt und scheidet voraussichtlich in den nächsten 15 Jahren aus dem Erwerbsleben aus. Nur gut jeder Zehnte (11,2 Prozent; 20 082 Personen) ist jünger als 25 Jahre. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten ausländischen Mitbürger stieg im vergangenen Jahr überproportional an (plus 12,2 Prozent beziehungsweise plus 1722 Personen). Rein rechnerisch gesehen ging nahezu der gesamte Beschäftigungsaufbau auf das Konto dieser Personengruppe. „Zwar bremsen Inflation, steigende Zinsen und der Krieg in der Ukraine das Wirtschaftswachstum aus, dennoch war in nahezu allen Wirtschaftsbereichen ein Beschäftigungsaufbau zu beobachten.“ Zu erwarten sei, dass auch zukünftig in der Region Main-Rhön ein höherer Bedarf an gut ausgebildeten Fach- und Arbeitskräften bestehen wird, da unter anderem die sogenannte Babyboomer-Generation, das sind die Jahrgänge 1957 bis 1969, in den kommenden Jahren das Renteneintrittsalter erreichen wird. „Ohne Migration hätte es im vergangenen Jahr nahezu kein Beschäftigungswachstum gegeben“, so Stelzer.

Ebenfalls gab der Chef der Schweinfurter Agentur für Arbeit einen Ausblick auf den Arbeitsmarkt 2023: „Die unterschiedlichsten wirtschaftlichen Auswirkungen der verschiedenen Krisen im Jahr 2022 sind noch nicht endgültig überwunden. Zusätzlich beeinflussen die bekannten Herausforderungen, wie der strukturelle und demografische Wandel sowie die Digitalisierung den Arbeitsmarkt. Der Arbeitskräftebedarf bleibt auch 2023 eines der zentralen Themen am Arbeitsmarkt der Region Main-Rhön.“ Der limitierende Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen werde sein, ob es gelingt, die notwendigen Arbeitskräfte zu gewinnen. Hierfür sei es erforderlich, dass „alle Akteure am Arbeitsmarkt das inländische Potenzial wie beispielsweise Arbeitslose, stille Reserve, Geringqualifizierte heben und die Zuwanderung als Chance nutzen.“ Weiterbildung und Qualifizierung könnten den Beschäftigten, in den vom Strukturwandel betroffenen Branchen, neue Perspektiven bieten. „Für das Jahr 2023 stehen für die Region Main-Rhön über 15 Millionen Euro bereit, um die Qualifizierung von Arbeitslosen und Beschäftigten zu fördern. Auch der Ausbildungsmarkt bietet den jungen Menschen zahlreiche Möglichkeiten“, so Stelzer.

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