Auf ein Wort Die Meinung des Autors

Ein Mann zeigt einen Abstrich für das Testverfahren auf das Virus SARS-CoV-2. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild

Es gibt Leserreaktionen, die sind verblüffend. Etwa, wenn jemand, der sich immer auf Meinungsartikel äußert, plötzlich Zustimmung gibt und nicht die erwartete Kritik kommt.

 
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Oder aber, wie gestern geschehen, eine Mail auf den Tisch kommt, die man mehrfach lesen muss, weil man schlichtweg nicht glauben möchte, was da steht.

In der gestrigen Ausgabe war ein Leitartikel zu lesen, der mit "Reden statt verbieten" übertitelt war und sich mit der diskutierten Verschärfung von Corona-Regeln befasste. "Könnte mir vorstellen, dass es für die Redaktion etwas Überwindung gekostet hat, endlich, endlich das zu schreiben, was viele Normalbürger beschäftigt", schreibt der Leser. So etwas zu lesen macht nachdenklich und betroffen. Denn natürlich kostet es eine Redaktion keine Überwindung, Meinungen zu äußern. Das ist unser tägliches Handwerk. Doch es ist gar nicht "die Meinung" der Redaktion. Ein Kommentar, und zu dieser Gattung gehört ein Leitartikel, ist immer die Meinung des Autors. Die muss auch nicht von allen Kolleginnen und Kollegen geteilt werden. Nicht vom Chef, nicht von der Kanzlerin, weder aus Washington noch aus Moskau - um nur einige Möglichkeiten zu nennen, die gerne mal von Kritikern vorwurfsvoll geäußert werden -, braucht der Autor ein Okay.

Wir erfreuen uns an der Vielfalt der Meinungen. Es gibt keine Themen, über die zu schreiben tabu ist. Keiner unserer Kommentatoren möchte Ihnen, den Lesern, (s)eine Denkweise aufzwingen.

Natürlich ist es das Ziel eines jeden Kommentars, dass man über das Thema spricht, dass man sich gerne auch an ihm reibt. Dann ist unsere Aufgabe als Journalisten erreicht: wachzurütteln, nachdenklich zu machen, zum Nachdenken anzuregen - und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Meinungsvielfalt in den Kommentarspalten wie auch in vielen privaten Debatten ist somit ein unverzichtbarer Baustein unserer Demokratie. Nichts wäre schlimmer, als wenn die Zeitung berechenbar, farblos und verzichtbar wäre.

Und noch etwas Grundlegendes zu einem Kommentar: Ein Kommentar ist klar und strikt von Nachrichten und anderen reinen Informationstexten zu trennen. Aus diesem Grund sind Kommentar, Leitartikel und natürlich auch die Glosse als solche deutlich erkennbar. Kerstin Dolde

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