Nach zehn Verhandlungstagen fällt heute das Urteil im Prozess um die beiden toten Babys von Bad Alexandersbad. Damit findet ein Prozess seinen Abschluss, der so viel Aufsehen wie kaum ein anderer in den vergangenen Jahren erregt hat. Auch am Mittwoch ist der Gerichtssaal, der rund 130 Personen fasst, wieder gut mit Zuhörern gefüllt.

Die Verhandlung am Hofer Landgericht beginnt, Dagmar D. weint vor der Urteilsverkündung.

Freispruch für Dagmar D.! Das Gericht sie es als erwiesen an, dass sich alles so zugetragen hat, was im Lauf der Verhandlung ans Licht kam: Die Kinder kamen auf der Toilette der Wohnung in Bad Alexandersbad zur Welt, wurden nicht versorgt und starben schließlich. Deshalb hat sich Dagmar D. wegen Totschlags in zwei Fällen schuldig gemacht. Da die Tat bereits mehr als 25 Jahre zurückliegt, ist der Totschlag verjährt. Außerdem geht das Gericht davon aus, dass Dagmar D. bei den "Tatgeschehen" nicht alleine war. Der Richter zeigt sich überzeugt, dass auch der Ehemann davon wusste und vielleicht auch dabei half.

Als das Publikum die Worte des Vorsitzenden Richters Matthias Burghardt hört, geht ein lautes Raunen durch die Zuhörer. Der Vorsitzende Richter ermahnt das Publikum: "Wir sind hier in keiner Sport-Arena, sondern im Gerichtssaal". Dagmar D. nimmt die Worte des Richters regungslos auf. Sie weint inzwischen nicht mehr. Den Kopf gesenkt blickt sie nach unten. Sie klammert sich an ihre hölzerne Kreuz-Halskette und küsst das Kreuz, während der Richter noch einmal ausführt, wie ihre beiden Kinder starben.

Der Richter begründet das Urteil damit, dass trotz des ernomen Aufwands der Angeklagten ein zweifacher Mord nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Dagmar D. zeigt mit diesem Fall die Grenzen der Strafjustiz auf. Viele Hintergründe hätte nach so vielen Jahren nicht mehr geklärt werden können, zu wenig Anhaltspunkte habe es gegeben. Eine Verurteilung wegen Mordes setze voraus, dass ein niederer Beweggrund zweifelsfrei nachgewiesen wird - das war in diesem Prozess nicht der Fall.

Der Richter bat um einen Schweige-Moment für die beiden toten Kinder und betont, dass es um die Würde dieser beiden Menschen ginge, die heute ein Mann und eine Frau wären. Diese beiden Menschen haben es nicht verdient, als "Babyleichen" bezeichnet zu werden und für immer als solche in Erinnerung zu bleiben. Die beiden hätten nie eine Chance gehabt, eine Persönlichkeit zu entwickeln. Wie der Richter ausführt, möchte sich die Kammer nicht mal vorstellen, wie lange der Todeskampf der Kinder gedauert hat.

Der Haftbefehl wird aufgehoben. Dagmar D. fällt ihrem Mann in die Arme.Umarmt danach ihre Tochter, die den Prozess verfolgt hat. "Das stimmt nicht", schluchzt Dagmar D. "Die kennen uns nicht. Du brauchst die nicht - du hast uns", antwortet die Tochter.

Dagmar D. trägt lediglich die Kosten ihre Verteidigers. Eine Entschädigung für die Zeit, die Dagmar D. in Untersuchungshaft verbringen musste, steht ihr laut Aussagen des Gerichts nicht zu. Noch im Gerichtssaal nahmen Dagmar D. und ihr Verteidiger das Urteil an. Die Staatsanwaltschaft will das Urteil noch überprüfen.