Ihr habt in letzter Zeit mit eurem Crowdfunding Projekt „Bist du Kumpel“ Aufmerksamkeit auf euch gezogen. Was steckt dahinter?
Anna Gosteli: Uns ist total schnell langweilig, wir müssen immer etwas Neues anpacken. Und wir haben gedacht, wenn Crowdfunding, dann so, dass es sich für alle lohnt. Also dass zum einen unsere Kosten gedeckt sind, aber dass zum andern auch alle Fans das Album gratis haben können.
Elia Rediger: Das Projekt hat dafür gesorgt, dass wirklich jeder unser Album „Digger“ gratis bekommt. Das ist schon ein tolles Gefühl für uns als Künstler, wenn wir wissen, es sind keine pseudowirtschaftlichen Fesseln mehr da, die deine Musik vom Musikliebhaber fern halten. Es ist eine Auseinandersetzung, der wir uns stellen müssen, vor allem in Zeiten von illegalen Downloads. Wie geht der Künstler mit seinem Eigentum um? Das war von uns ein Vorschlag, das ganze wirtschaftliche vorher zu erledigen, damit nachher die Musik frei sein kann. Die Musikliebhaber gibt es immer noch, die Bands gibt es immer noch, nur diese romantische Beziehung muss man wieder herstellen. Das ist ein bisschen wie eine ideologische Kunstidee, die wir als Band haben.
Musik sollte also eurer Meinung nach frei sein. Warum genau?
Anna Gosteli: Das Konsumverhalten von den Leuten ist heutzutage auf einzelne Songs ausgerichtet. Wenn alle dafür bezahlen würden, würde es ja gehen irgendwie. Aber mit den illegalen Downlads, da verdienen die kleinen Bands nichts. Allein vom Touren können sie nämlich nicht leben. Ich denke, es ist eine gute Möglichkeit, ein großes Publikum anzusprechen, wenn du die Musik für alle frei zugänglich machen kannst. Wir haben da mit unserer Crowdfunding-Idee eine Lösung aufgezeigt, wie es möglich sein könnte. Wenn jemand anders eine andere Idee hat, ist das auch in Ordnung, wir müssen nicht das Rad neu erfinden, wir springen auch gerne auf den Zug auf. Aber es muss sich einfach ändern, dass Bands wie wir denken müssen, nächsten Monat haben wir nicht so viele Konzerte, wie machen wir das dann finanziell. Wir sind eine ziemlich reaktionäre Band, obwohl wir Indiepop machen, steckt auch etwas punkiges in uns drin. Wir reagieren auf etwas, mit dem wir uns nicht zufrieden geben wollen, das wir ändern und auf den Kopf stellen wollen.
Warum habt ihr das Budget offen gelegt?
Anna Gosteli: Wenn die Leute 90.000 Euro hören, denken sie erst einmal um Gottes Willen, wo geht denn das ganze Geld hin? Deshalb war es ganz wichtig, dass wir erklärt haben, wofür wir das Geld brauchen.
Elia Rediger: Ich glaube, es hat nur deshalb funktioniert, weil wir ehrlich waren. Es hat auch zu Diskussionen geführt. Es ist nicht wegzuleugnen, dass eine Band wie wir ein bestimmtes Budget braucht, damit es weitergehen kann, obwohl wir volle Hallen haben und tolle Touren spielen.
Es hat 72 Tage gedauert, bis ihr das Geld zusammen hattet.
Elia Rediger: Es gab eine Deadline, bis zu der wir es schaffen mussten. Ein paar Tage vorher hat unser Manager Tim Renner uns um acht Uhr morgens angerufen und gesagt, ihr habt es geschafft. Das war ein sehr toller Moment.
Und ihr könnt von eurem Teil der 90.000 Euro gut leben?
Anna Gosteli: Unser Anteil soll einfach nur die Monate abdecken, die wir im Studio saßen, und am Album gearbeitet haben. Das Geld sollte nicht gleich für das ganze Jahr reichen, da hätten wir höher hinaus schießen müssen.
Elia Rediger: Dafür sind wir ja jetzt das ganze Jahr auf Tour. So halten wir die laufenden Kosten gedeckt.
Kann man bei „Bist du Kumpel“ denn aktuell noch mitmachen?
Elia Rediger: Ja, indem du auf ein Konzert von uns kommst und das Album kostenlos abholst. Das Geldsammeln ist erstmal vorbei. Aber du kannst vorsichtshalber schon mal Geld sparen dafür, wenn wir das nächste Mal so etwas durchziehen.
Anna Gosteli: Für viele ist es auch schwierig, wenn sie von dem Projekt gar nichts mitgekriegt haben und wir sagen, ihr könnt das Album jetzt wirklich kostenlos mitnehmen. Die kaufen dann halt T Shirts, das ist natürlich auch gut. Ich würde mich glaube ich auch schlecht fühlen, wenn eine Band einfach ihre CDs verteilt, denn es ist ja eine riesen Arbeit, die dahinter steckt. Aber es war ja die Idee des Projektes, dass wirklich jeder das Album kostenfrei haben kann.
Denkt ihr, euer Konzept könnte in der Musikindustrie in Zukunft auch für andere Musiker gut funktionieren?
Elia Rediger: Es ist einfach ein Vorschlag, ein Denkansatz, der für viele Diskussionen gesorgt hat – auch dadurch, dass wir es tatsächlich geschafft haben, die 90.000 Euro zu sammeln. Wir haben ja eine kleine Tradition als the bianca Story, dass wir solche Modelle ausprobieren, weil uns schnell langweilig wird, wenn es um die ganzen wirtschaftlichen Sachen geht. Eine Band muss Musik machen, Künstler sein, Spaß haben. Wenn das ganze wirtschaftlich so ein öder Trott wird, dann hat auch die Band keine Motivation, das voranzutreiben. Unsere Selbstüberlistung ist, dass wir uns Modelle ausdenken, die uns selbst Spaß machen. Zum Beispiel haben wir vor fünf Jahren ein Unikat-Album gemacht. Da hatten wir tierisch Spaß daran, einen Monat lang diese Skulptur zu bauen, die dann für 10.000 Schweizer Franken versteigert und in einem Museum ausgestellt wurde. Das war schon eine stolze Summe für uns als kleine Schweizer Indieband. Wir haben davon natürlich jahrelang in Saus und Braus gelebt.
Wie hat dieses Unikat-Album-Projekt genau ausgesehen?
Anna Gosteli: Wir haben 5 Monate lang jeden Monat einen Song mit Videoclip heraus gebracht. Diese Videos konnte man dann in der Riesenskulptur auf Bildschirmen sehen und auf Boxen in guter Qualität anhören. Die Skulptur war riesig, zwei mal zwei Meter mit 200 Spiegelelementen, sah aus, wie eine Quadratische Discokugel. Die Songs und Videos in wirklich guter Qualität gibt es nur ein Mal in dieser Skulptur. Alle andern durften das auf youtube schauen und als mp3 haben, aber die wirklich gute Qualität gab es nur ein Mal.
Elia Rediger: Es geht auf die Idee des Unikats zurück. Bei einem Gemälde gibt es ein Original. Eine Person hat das exklusivste Modell, und der Rest ist die Kopie vom Original.
Euer Manager Tim Renner ist kein Unbekannter. Wie seid ihr zu ihm gekommen?
Elia Rediger: Er hat von unserer Idee mit dem Unikat-Album gehört. Dann hat er sich unsere Songs angehört. Es hat ihm gefallen, seitdem sind wir eine Familie. Es macht ziemlich Spaß, mit dem Plattenlabel Motor zusammen in Berlin als zweite Heimat unsere Pläne zu schmieden. Wir haben die Crowdfunding-Idee auch gemeinsam mit Tim abends bei einem Bier ausgeheckt. Er fand das toll, und schon ging es los.
Macht es euch nichts aus, dass euer Album auf diesem Weg gar nicht in die Charts einsteigen kann?
Elia Rediger: Das verliert für uns nach und nach an Wichtigkeit. Das liegt auch an der Art und Weise, wie wir auf Tour sind und was wir für ein treues, geiles Publikum haben, das mit uns reist. Das ist super. Die Charts sind zurzeit alles andere als eine spannende Sache für uns als Popband. Auch ist uns nicht so wichtig, ob wir im Radio gespielt werden, Ich glaube, da muss man sich für ganz viel Geld einkaufen. Und das Geld verwenden wir lieber für andere Sachen, als uns in die Charts zu beamen.
Aber die Radiosender oder Charts würden euch helfen, einem größeren Publikum bekannt zu werden.
Elia Rediger: Ach, ich habe da keine Sorgen, das wird alles wachsen.
Anna Gosteli: Ich denke, es ist viel toller, wenn du bei jeder Tour merkst, da sind noch ein paar mehr Leute dazu gekommen. Das ist spannender, als wenn du nur einen Hit hast, der im Radio gepusht wird. Dann bist du vielleicht für einen Moment angesagt, und dann bald wieder weg vom Fenster.
Elia Rediger: Ich glaube, das Langsame hat seinen Zweck. Wir diskutieren das auch oft mit unserem Manager Tim und es herrscht bei uns die Philosophie, dass man heutzutage lieber ein treues, engagiertes Publikum aufbaut, das immer wieder kommt, mit dem man alt werden kann und das nicht einfach so davon rennt. An dem sind wir dran, und das macht Spaß.
Könnt ihr Songs aus dem aktuellen Album „Digger“ vorstellen?
Elia Rediger: Es war kein sehr glücklicher Moment, als ich „Dear Dead July“ geschrieben habe. Es geht um das Gefühl, das man hat, wenn man Angst hat, dass etwas Schönes so nie wieder kommt. Ich habe einen Freund, der hatte immer große Ängste, dass es nur noch schlechter werden kann. Das hat ihn wahnsinnig gemacht. Und deshalb kam der Song auch ziemlich persönlich rüber, Ich habe für ihn den Song geschrieben anhand eines Beispiels, nämlich dass der Juli immer und immer wieder kommen soll.
Und „Glück macht einsam“ ist ein Lied, in dem wir auch ein bisschen kokettieren, dass wir aus der reichen Schweiz sind. Dass man sich damit aber auch ziemlich einsam fühlen kann, dieses Gefühl wollten wir nach außen tragen, in andere Länder. Um zu zeigen, dass es manchmal gar nicht so toll ist, auf diesen Sockel gestellt zu werden. Und es ist eine Tatsache, wenn du die glücklichste Person auf Erden bist, sind alle anderen eifersüchtig, und genau deswegen bist du dann nicht mehr so glücklich.
„Digger“ klingt ein bisschen anders als das Vorgängeralbum „Coming Home“.
Elia Rediger: „Digger“ ist ein bisschen minimaler, beim vorigen haben wir mit Orchester und größeren Variationen gearbeitet, bei diesem Album sind wir in ein kleines Studio gegangen. Und es hat tierisch Spaß gemacht, nach der großen Produktion ganz klein zu werden und sich wirklich auf die Songs zu reduzieren.
Anna Gosteli: Ich finde, die Stimmen haben jetzt mehr Platz, es wirkt nicht mehr so angestrengt, die Songs haben danach gerufen, dass wir uns ein bisschen relaxter geben können. Das hat ganz gut getan, unser Stil kommt so viel besser zur Geltung.
Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben?
Elia Rediger: Ich finde Indiepop schön als Genre, weil sich das selbst auslöscht. Independant und popular sind ja ehr Widersprüche. Das finde ich super.
Beschreibt doch mal, wie bei euch ein Song entsteht.
Elia Rediger: Wir sitzen im Kreis, sagen alle unsere Ideen, dann streiten wir uns, es weint jemand, läuft raus, wir machen den Song fertig, die Person kommt wieder rein, und findet den Song dann trotzdem ziemlich gut.
Das heißt, es gibt keinen alleinigen Songschreiber bei euch?
Anna Gosteli: Jeder von uns bringt seine Qualitäten mit. Trotzdem versuchen wir uns alle an allem, und das finde ich gut. Wir sind ganz verschiedene Charaktere, das macht auch unser Album so spannend und bunt und lässt vieles zu. Ich glaube, es würde anders klingen, wenn nur einer von uns die Songs schreiben würde.
Habt ihr musikalische Vorbilder?
Elia Rediger: Ich stehe zum Beispiel total auf Talking Heads, Scott Walker und Neil Young.
Anna Gosteli: Elia lacht mich aus, weil ich seit Jahren Radiohead höre. Ich bin ein melancholisches Mädel, mich macht melancholische Musik fröhlich. Aber ich höre auch viele 80ies Sachen und Partymusik. Ich bin ein bunter Hund.
Was bedeutet euer Bandname eigentlich?
Anna Gosteli: The bianca Story steht für das weiße, unbeschriebene Blatt: bianca ist italienisch und heißt weiß. Das bedeutet im übertragenen Sinn, dass wir uns bei jedem neuen Album wieder neu erfinden dürfen. Das ist die Lizenz, die wir uns selbst geben, wie ein weißes Baltt eben, das immer neu beschrieben werden darf:
Was erwartet Besucher bei euren Konzerten?
Elia Rediger: Der ganz normale Wahnsinn. Es geht rauf und runter. Am Schluss schwitzen alle auf der Bühne. Im schlimmsten Fall zieht sich der Keyboarder aus. Es gibt ruhige Songs, es gibt sehr tanzbare Songs. Wir lieben Livekonzerte so fest, dass wir das mit großem Herzblut für unsere Zuschauer umsetzen und dann erschöpft nach einem Konzert ein Bier trinken.
Was mögt ihr lieber – Auftritte in großen Hallen oder in kleinen Clubs?
Elia Rediger: Wir waren gerade an der deutschen Oper und haben da vor vollem Haus gespielt, das war toll. Jetzt spielen wir eine kleine Clubtour in Deutschland, das macht auch Spaß, weil man ganz nah an den Leuten ist. Das ist ein intensives Zusammensein.
Anna Gosteli: Geht mir genauso. Wir haben auch schon ganz kleine Lokale bespielt, wo alle so eng stehen, dass sie fast nicht mehr tanzen können, und trotzdem siehst du überall Lächeln auf den Gesichtern. Das ist Wahnsinn. Natürlich ist es auch toll, vor den Sportfreunden Stiller in ner ganz großen Hallo vor 2800 Leuten zu spielen, da merkst du auch schon die Energie. Wir sind da ziemlich flexibel.
Anna, wie ist es so als einziges Mädel in der Band?
Anna Gosteli: Ach die Jungs sind total süß. Das sind wirklich ganz gut erzogene, anständige Jungs, Vielleicht habe ich mir sie auch so ein bisschen anerzogen. Aber ich bin auch geprägt von ihnen. Es sind wirklich tolle Leute, ich genieße es sehr, mit ihnen unterwegs zu sein.
Elia Rediger: Ja, es läuft gut mit uns. Anna ist der Mann der Band.
Was steht als nächstes bei euch an?
Elia Rediger: Wir haben ja kürzlich unser Album „Digger“ an der deutschen Oper inszeniert. Das war der absolute Wahnsinn. Damit gehen wir jetzt auch in der Schweiz auf Tournee – gemeinsam mit der Deutschen-Oper-Crew. Das ist cool und ziemlich verrückt.
Anna Gosteli: Uns ist total schnell langweilig, wir müssen immer etwas Neues anpacken. Und wir haben gedacht, wenn Crowdfunding, dann so, dass es sich für alle lohnt. Also dass zum einen unsere Kosten gedeckt sind, aber dass zum andern auch alle Fans das Album gratis haben können.
Elia Rediger: Das Projekt hat dafür gesorgt, dass wirklich jeder unser Album „Digger“ gratis bekommt. Das ist schon ein tolles Gefühl für uns als Künstler, wenn wir wissen, es sind keine pseudowirtschaftlichen Fesseln mehr da, die deine Musik vom Musikliebhaber fern halten. Es ist eine Auseinandersetzung, der wir uns stellen müssen, vor allem in Zeiten von illegalen Downloads. Wie geht der Künstler mit seinem Eigentum um? Das war von uns ein Vorschlag, das ganze wirtschaftliche vorher zu erledigen, damit nachher die Musik frei sein kann. Die Musikliebhaber gibt es immer noch, die Bands gibt es immer noch, nur diese romantische Beziehung muss man wieder herstellen. Das ist ein bisschen wie eine ideologische Kunstidee, die wir als Band haben.
Musik sollte also eurer Meinung nach frei sein. Warum genau?
Anna Gosteli: Das Konsumverhalten von den Leuten ist heutzutage auf einzelne Songs ausgerichtet. Wenn alle dafür bezahlen würden, würde es ja gehen irgendwie. Aber mit den illegalen Downlads, da verdienen die kleinen Bands nichts. Allein vom Touren können sie nämlich nicht leben. Ich denke, es ist eine gute Möglichkeit, ein großes Publikum anzusprechen, wenn du die Musik für alle frei zugänglich machen kannst. Wir haben da mit unserer Crowdfunding-Idee eine Lösung aufgezeigt, wie es möglich sein könnte. Wenn jemand anders eine andere Idee hat, ist das auch in Ordnung, wir müssen nicht das Rad neu erfinden, wir springen auch gerne auf den Zug auf. Aber es muss sich einfach ändern, dass Bands wie wir denken müssen, nächsten Monat haben wir nicht so viele Konzerte, wie machen wir das dann finanziell. Wir sind eine ziemlich reaktionäre Band, obwohl wir Indiepop machen, steckt auch etwas punkiges in uns drin. Wir reagieren auf etwas, mit dem wir uns nicht zufrieden geben wollen, das wir ändern und auf den Kopf stellen wollen.
Warum habt ihr das Budget offen gelegt?
Anna Gosteli: Wenn die Leute 90.000 Euro hören, denken sie erst einmal um Gottes Willen, wo geht denn das ganze Geld hin? Deshalb war es ganz wichtig, dass wir erklärt haben, wofür wir das Geld brauchen.
Elia Rediger: Ich glaube, es hat nur deshalb funktioniert, weil wir ehrlich waren. Es hat auch zu Diskussionen geführt. Es ist nicht wegzuleugnen, dass eine Band wie wir ein bestimmtes Budget braucht, damit es weitergehen kann, obwohl wir volle Hallen haben und tolle Touren spielen.
Es hat 72 Tage gedauert, bis ihr das Geld zusammen hattet.
Elia Rediger: Es gab eine Deadline, bis zu der wir es schaffen mussten. Ein paar Tage vorher hat unser Manager Tim Renner uns um acht Uhr morgens angerufen und gesagt, ihr habt es geschafft. Das war ein sehr toller Moment.
Und ihr könnt von eurem Teil der 90.000 Euro gut leben?
Anna Gosteli: Unser Anteil soll einfach nur die Monate abdecken, die wir im Studio saßen, und am Album gearbeitet haben. Das Geld sollte nicht gleich für das ganze Jahr reichen, da hätten wir höher hinaus schießen müssen.
Elia Rediger: Dafür sind wir ja jetzt das ganze Jahr auf Tour. So halten wir die laufenden Kosten gedeckt.
Kann man bei „Bist du Kumpel“ denn aktuell noch mitmachen?
Elia Rediger: Ja, indem du auf ein Konzert von uns kommst und das Album kostenlos abholst. Das Geldsammeln ist erstmal vorbei. Aber du kannst vorsichtshalber schon mal Geld sparen dafür, wenn wir das nächste Mal so etwas durchziehen.
Anna Gosteli: Für viele ist es auch schwierig, wenn sie von dem Projekt gar nichts mitgekriegt haben und wir sagen, ihr könnt das Album jetzt wirklich kostenlos mitnehmen. Die kaufen dann halt T Shirts, das ist natürlich auch gut. Ich würde mich glaube ich auch schlecht fühlen, wenn eine Band einfach ihre CDs verteilt, denn es ist ja eine riesen Arbeit, die dahinter steckt. Aber es war ja die Idee des Projektes, dass wirklich jeder das Album kostenfrei haben kann.
Denkt ihr, euer Konzept könnte in der Musikindustrie in Zukunft auch für andere Musiker gut funktionieren?
Elia Rediger: Es ist einfach ein Vorschlag, ein Denkansatz, der für viele Diskussionen gesorgt hat – auch dadurch, dass wir es tatsächlich geschafft haben, die 90.000 Euro zu sammeln. Wir haben ja eine kleine Tradition als the bianca Story, dass wir solche Modelle ausprobieren, weil uns schnell langweilig wird, wenn es um die ganzen wirtschaftlichen Sachen geht. Eine Band muss Musik machen, Künstler sein, Spaß haben. Wenn das ganze wirtschaftlich so ein öder Trott wird, dann hat auch die Band keine Motivation, das voranzutreiben. Unsere Selbstüberlistung ist, dass wir uns Modelle ausdenken, die uns selbst Spaß machen. Zum Beispiel haben wir vor fünf Jahren ein Unikat-Album gemacht. Da hatten wir tierisch Spaß daran, einen Monat lang diese Skulptur zu bauen, die dann für 10.000 Schweizer Franken versteigert und in einem Museum ausgestellt wurde. Das war schon eine stolze Summe für uns als kleine Schweizer Indieband. Wir haben davon natürlich jahrelang in Saus und Braus gelebt.
Wie hat dieses Unikat-Album-Projekt genau ausgesehen?
Anna Gosteli: Wir haben 5 Monate lang jeden Monat einen Song mit Videoclip heraus gebracht. Diese Videos konnte man dann in der Riesenskulptur auf Bildschirmen sehen und auf Boxen in guter Qualität anhören. Die Skulptur war riesig, zwei mal zwei Meter mit 200 Spiegelelementen, sah aus, wie eine Quadratische Discokugel. Die Songs und Videos in wirklich guter Qualität gibt es nur ein Mal in dieser Skulptur. Alle andern durften das auf youtube schauen und als mp3 haben, aber die wirklich gute Qualität gab es nur ein Mal.
Elia Rediger: Es geht auf die Idee des Unikats zurück. Bei einem Gemälde gibt es ein Original. Eine Person hat das exklusivste Modell, und der Rest ist die Kopie vom Original.
Euer Manager Tim Renner ist kein Unbekannter. Wie seid ihr zu ihm gekommen?
Elia Rediger: Er hat von unserer Idee mit dem Unikat-Album gehört. Dann hat er sich unsere Songs angehört. Es hat ihm gefallen, seitdem sind wir eine Familie. Es macht ziemlich Spaß, mit dem Plattenlabel Motor zusammen in Berlin als zweite Heimat unsere Pläne zu schmieden. Wir haben die Crowdfunding-Idee auch gemeinsam mit Tim abends bei einem Bier ausgeheckt. Er fand das toll, und schon ging es los.
Macht es euch nichts aus, dass euer Album auf diesem Weg gar nicht in die Charts einsteigen kann?
Elia Rediger: Das verliert für uns nach und nach an Wichtigkeit. Das liegt auch an der Art und Weise, wie wir auf Tour sind und was wir für ein treues, geiles Publikum haben, das mit uns reist. Das ist super. Die Charts sind zurzeit alles andere als eine spannende Sache für uns als Popband. Auch ist uns nicht so wichtig, ob wir im Radio gespielt werden, Ich glaube, da muss man sich für ganz viel Geld einkaufen. Und das Geld verwenden wir lieber für andere Sachen, als uns in die Charts zu beamen.
Aber die Radiosender oder Charts würden euch helfen, einem größeren Publikum bekannt zu werden.
Elia Rediger: Ach, ich habe da keine Sorgen, das wird alles wachsen.
Anna Gosteli: Ich denke, es ist viel toller, wenn du bei jeder Tour merkst, da sind noch ein paar mehr Leute dazu gekommen. Das ist spannender, als wenn du nur einen Hit hast, der im Radio gepusht wird. Dann bist du vielleicht für einen Moment angesagt, und dann bald wieder weg vom Fenster.
Elia Rediger: Ich glaube, das Langsame hat seinen Zweck. Wir diskutieren das auch oft mit unserem Manager Tim und es herrscht bei uns die Philosophie, dass man heutzutage lieber ein treues, engagiertes Publikum aufbaut, das immer wieder kommt, mit dem man alt werden kann und das nicht einfach so davon rennt. An dem sind wir dran, und das macht Spaß.
Könnt ihr Songs aus dem aktuellen Album „Digger“ vorstellen?
Elia Rediger: Es war kein sehr glücklicher Moment, als ich „Dear Dead July“ geschrieben habe. Es geht um das Gefühl, das man hat, wenn man Angst hat, dass etwas Schönes so nie wieder kommt. Ich habe einen Freund, der hatte immer große Ängste, dass es nur noch schlechter werden kann. Das hat ihn wahnsinnig gemacht. Und deshalb kam der Song auch ziemlich persönlich rüber, Ich habe für ihn den Song geschrieben anhand eines Beispiels, nämlich dass der Juli immer und immer wieder kommen soll.
Und „Glück macht einsam“ ist ein Lied, in dem wir auch ein bisschen kokettieren, dass wir aus der reichen Schweiz sind. Dass man sich damit aber auch ziemlich einsam fühlen kann, dieses Gefühl wollten wir nach außen tragen, in andere Länder. Um zu zeigen, dass es manchmal gar nicht so toll ist, auf diesen Sockel gestellt zu werden. Und es ist eine Tatsache, wenn du die glücklichste Person auf Erden bist, sind alle anderen eifersüchtig, und genau deswegen bist du dann nicht mehr so glücklich.
„Digger“ klingt ein bisschen anders als das Vorgängeralbum „Coming Home“.
Elia Rediger: „Digger“ ist ein bisschen minimaler, beim vorigen haben wir mit Orchester und größeren Variationen gearbeitet, bei diesem Album sind wir in ein kleines Studio gegangen. Und es hat tierisch Spaß gemacht, nach der großen Produktion ganz klein zu werden und sich wirklich auf die Songs zu reduzieren.
Anna Gosteli: Ich finde, die Stimmen haben jetzt mehr Platz, es wirkt nicht mehr so angestrengt, die Songs haben danach gerufen, dass wir uns ein bisschen relaxter geben können. Das hat ganz gut getan, unser Stil kommt so viel besser zur Geltung.
Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben?
Elia Rediger: Ich finde Indiepop schön als Genre, weil sich das selbst auslöscht. Independant und popular sind ja ehr Widersprüche. Das finde ich super.
Beschreibt doch mal, wie bei euch ein Song entsteht.
Elia Rediger: Wir sitzen im Kreis, sagen alle unsere Ideen, dann streiten wir uns, es weint jemand, läuft raus, wir machen den Song fertig, die Person kommt wieder rein, und findet den Song dann trotzdem ziemlich gut.
Das heißt, es gibt keinen alleinigen Songschreiber bei euch?
Anna Gosteli: Jeder von uns bringt seine Qualitäten mit. Trotzdem versuchen wir uns alle an allem, und das finde ich gut. Wir sind ganz verschiedene Charaktere, das macht auch unser Album so spannend und bunt und lässt vieles zu. Ich glaube, es würde anders klingen, wenn nur einer von uns die Songs schreiben würde.
Habt ihr musikalische Vorbilder?
Elia Rediger: Ich stehe zum Beispiel total auf Talking Heads, Scott Walker und Neil Young.
Anna Gosteli: Elia lacht mich aus, weil ich seit Jahren Radiohead höre. Ich bin ein melancholisches Mädel, mich macht melancholische Musik fröhlich. Aber ich höre auch viele 80ies Sachen und Partymusik. Ich bin ein bunter Hund.
Was bedeutet euer Bandname eigentlich?
Anna Gosteli: The bianca Story steht für das weiße, unbeschriebene Blatt: bianca ist italienisch und heißt weiß. Das bedeutet im übertragenen Sinn, dass wir uns bei jedem neuen Album wieder neu erfinden dürfen. Das ist die Lizenz, die wir uns selbst geben, wie ein weißes Baltt eben, das immer neu beschrieben werden darf:
Was erwartet Besucher bei euren Konzerten?
Elia Rediger: Der ganz normale Wahnsinn. Es geht rauf und runter. Am Schluss schwitzen alle auf der Bühne. Im schlimmsten Fall zieht sich der Keyboarder aus. Es gibt ruhige Songs, es gibt sehr tanzbare Songs. Wir lieben Livekonzerte so fest, dass wir das mit großem Herzblut für unsere Zuschauer umsetzen und dann erschöpft nach einem Konzert ein Bier trinken.
Was mögt ihr lieber – Auftritte in großen Hallen oder in kleinen Clubs?
Elia Rediger: Wir waren gerade an der deutschen Oper und haben da vor vollem Haus gespielt, das war toll. Jetzt spielen wir eine kleine Clubtour in Deutschland, das macht auch Spaß, weil man ganz nah an den Leuten ist. Das ist ein intensives Zusammensein.
Anna Gosteli: Geht mir genauso. Wir haben auch schon ganz kleine Lokale bespielt, wo alle so eng stehen, dass sie fast nicht mehr tanzen können, und trotzdem siehst du überall Lächeln auf den Gesichtern. Das ist Wahnsinn. Natürlich ist es auch toll, vor den Sportfreunden Stiller in ner ganz großen Hallo vor 2800 Leuten zu spielen, da merkst du auch schon die Energie. Wir sind da ziemlich flexibel.
Anna, wie ist es so als einziges Mädel in der Band?
Anna Gosteli: Ach die Jungs sind total süß. Das sind wirklich ganz gut erzogene, anständige Jungs, Vielleicht habe ich mir sie auch so ein bisschen anerzogen. Aber ich bin auch geprägt von ihnen. Es sind wirklich tolle Leute, ich genieße es sehr, mit ihnen unterwegs zu sein.
Elia Rediger: Ja, es läuft gut mit uns. Anna ist der Mann der Band.
Was steht als nächstes bei euch an?
Elia Rediger: Wir haben ja kürzlich unser Album „Digger“ an der deutschen Oper inszeniert. Das war der absolute Wahnsinn. Damit gehen wir jetzt auch in der Schweiz auf Tournee – gemeinsam mit der Deutschen-Oper-Crew. Das ist cool und ziemlich verrückt.