Coburg/Bamberg – Am 12. Januar 1948 bescheinigt die von den Alliierten eingesetzte Spruchkammer Bamberg-Land dem Dresdner Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, dass er „aus der Gewaltherrschaft der NSDAP, aus der Aufrüstung, aus dem Kriege und aus seinen politischen Beziehungen für sich oder andere keine persönlichen und wirtschaftlichen Vorteile in eigensüchtiger Weise herausgeschlagen“ habe. Und weiter: „Der...von Gurlitt erzielte Gewinn dürfte vielmehr auf seine Geschäftstüchtigkeit und die in diesen Jahren bestehende Konjunktur im Kunsthandel zurückzuführen sein...Das Verfahren ist demnach einzustellen“, heißt es in der Entnazifizierungsakte, die im Staatsarchiv Coburg aufbewahrt wird. Um zu diesem Urteil zu kommen, hatte Hildebrand Gurlitt zahlreiche prominente Zeugen aufgeboten. Das sei exemplarisch für die Entnazifizierung, erläutert Johannes Haslauer, Leiter des Coburger Staatsarchivs. Viele Beschuldigte hätten versucht, ihre Verstrickungen ins verbrecherische NS-Regime „als nicht gegeben darzustellen. Das ist etwas, was wir in vielen solchen Akten haben“, sagt Haslauer. „Da bleibt die Frage, wo die Wahrheit liegt.“ Es müsse jedem selbst überlassen bleiben, sich ein Urteil über Gurlitt zu bilden. Vor der Spruchkammer stellte er die Vorwürfe seiner ehemaligen Mitarbeiterin Ingeborg Hertmann (siehe nebenstehender Artikel) als Ausfluss eines persönlichen Zerwürfnisses dar. Dagegen bescheinigten ihm Größen aus der damaligen Kunstszene, dass er keine gemeinsame Sache mit den Nazis gemacht habe. Gurlitt hatte jüdische Wurzeln, war Doktor der Philosophie und Kunsthistoriker. Der NSDAP gehörte er nie an. Von 1925 bis 1930 war er Direktor am Stadtmuseum Zwickau, wo er nach eigenen Angaben „schwerste Kämpfe mit den Vertretern der NSDAP, die meine Entlassung durchsetzten“, hatte. Von 1930 bis 1933 war er Direktor des Kunstvereins Hamburg, wo er – wieder auf Betreiben der Nazis – entlassen wurde. Anschließend war er als Kunsthändler tätig, auch im Auftrag des NS-Regimes. Hier hat er sich nach Angaben prominenter Zeugen, die in der Entnazifizierungsakte dokumentiert sind, nichts zuschulden kommen lassen. Albin Ritter Prybram von Gladcna, von den Nazis als „Volljude“ gebrandmarkt und ausgebürgert, beschrieb Gurlitt als „konsequenten Anti-Nazi“. Max Beckmann, einer der bedeutendsten deutschen Maler, schrieb 1946 aus Amsterdam, in das er vor der NS-Diktatur geflüchtet war, er bezeuge gerne, dass Hildebrand Gurlitt keine gemeinsame Sache mit den Nazis gemacht habe. wb