Schmalkalden (dpa) - Der Krater von Schmalkalden bedroht weiterhin die ihn umgebende Wohnsiedlung. «Es ist Gefahr im Verzug», sagte der Sprecher des Umweltministeriums, Andreas Maruschke, am Dienstag über die Risiken für die Häuser an einem Steilhang des Erdlochs. Die Behörden wollen so schnell wie möglich tausende Kubikmeter Kies in den rund zwölf Meter tiefen Erdfall kippen, um dessen Rand abzusichern. Fachleute warnen derweil vor ähnlichen Fällen «überall in den deutschen Mittelgebirgen».

«Für mich wirkt das immer noch wie eine Katastrophenschutzübung, ich habe das noch nicht verarbeitet», sagte eine Frau einen Tag nachdem sich der Abgrund direkt neben ihrem Haus auftat. «Man kann sich nicht vorstellen, dass das bei uns passiert ist», beschrieb Irene Pastowski ein weit verbreitetes Gefühl unter den 20 000 Einwohnern der Fachwerkstadt. Inmitten einer Wohnsiedlung klafft seit dem frühen Montagmorgen eine Wunde. «Man wundert sich, dass kein Haus darin verschwunden ist», sagte die Passantin Wally Günther.

Experten wollen den Krater mit Hilfe eines Baggers und einem 30 Meter langen Förderband mit Kies füllen. «So baut man einen Gegendruck auf, damit die Flanken nicht weiter einstürzen», erklärte der Direktor des Instituts für Geowissenschaften der Friedrich- Schiller-Universität Jena, Gerhard Jentzsch. Doch ob die Aktion zum Erfolg führt, ist ungewiss. Selbst wenn das Loch mit Kies gefüllt sei, könne es noch eine Weile dauern, bis sich der Erdfall beruhige. Noch könne Gestein nachrutschen oder lockeres Material im Untergrund nachgeben. «Auch gegen die Gefahr, dass sich unter dem Krater noch ein weiterer Hohlraum befinden könnte, kann man nichts tun.»

Ähnliche Erdkrater drohen Experten zufolge überall in den deutschen Mittelgebirgen. «Im Thüringer Wald und dem Südharz ist die Wahrscheinlichkeit aber besonders groß», sagte Jentzsch der Nachrichtenagentur dpa. Sein Amtskollege von der Universität Frankfurt, Peter Prinz-Grimm, pflichtete dem bei: Das Risiko steigt nach Darstellung des Geologen, wenn sich mehr Gestein im Boden befindet, das von Wasser gelöst werden kann. Dazu gehörten Kali- und Steinsalze ebenso wie Zechstein und Gips.

Um mehr über das unbekannte Geschehen im Untergrund zu erfahren, gebe das Land eine Untersuchungsbohrung in Auftrag, sagte Umweltminister Jürgen Reinholz (CDU) nach einer Kabinettssitzung. Die Landtagsfraktion der Linken forderte die Ausrufung des Katastrophenfalls, um Betroffenen unbürokratisch helfen zu können. Am Krater selbst, wo am Dienstag kaum mehr Schaulustige zu sehen waren, ließen Wissenschaftler der Universität Jena für Messungen eine Drohne - ein unbemanntes Flugzeug - kreisen.

Kurz darauf durften die Bewohner der neun geräumten Häuser noch einmal einige Habseligkeiten von dort bergen. Die meisten Familien kamen nach Angaben der Stadtverwaltung zunächst bei Verwandten und Bekannten unter. Für zwei Familien besorgte die Stadt Unterkünfte. Die Polizei will nun nach Angaben von Sprecher Fred Jäger in nächster derzeit Zeit verstärkt ein Auge auf das Gebiet am Krater haben, um die fluchtartig verlassenen Häuser vor Dieben zu schützen.

Bauzäune sicherten den Krater mit gut 35 Metern Durchmesser. Dort umlagerten Journalisten Anwohner und Eigentümer der Häuser wie Martin Holland aus Eschwege, der sein geerbtes Haus plötzlich als Fernsehereignis am Rand des Kraters sah. «In der Praxis sieht das ganz anders aus - größer, gewaltiger», meinte er.

CDU-Landrat Ralf Luther kündigte an, der Kreis werde zunächst die Kosten übernehmen. Allein die Kiesmenge, die für das rund 20000 Kubikmeter große Loch nötig sei, werde rund eine halbe Million Euro kosten. Die Bergung eines in das Loch gefallenen Autos sei für ihn kein Thema, fügte Luther hinzu.