Nach dem Vorfall kündigt Herrmann an, alle bekannten "Reichsbürger" im Freistaat nochmals genau zu überprüfen - vor allem hinsichtlich ihres Waffenbesitzes. Auch die Bundesregierung will die Einschätzungen über die Gruppierung prüfen. Die SPD im bayerischen Landtag kritisiert die Staatsregierung heftig, weil sie die "Reichsbürger" bislang sträflich vernachlässigt habe. "Diese schlimme Tat zeigt, welche immense Gefahr von dieser rechtsradikalen Bewegung ausgeht", sagt der Rechtsextremismus-Experte Florian Ritter. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert ein bundesweites Lagebild über die von "Reichsbürgern" gegenüber Behördenvertretern begangenen Straftaten.
Das Schwierige dabei: Die "Reichsbürger" sind eine sehr heterogene und zersplitterte Bewegung. Unter ihnen sind laut einem Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz "Querulanten, Spinner, Verschwörungstheoretiker und Geschäftemacher". Sie zahlen oft keine Steuern oder Bußgelder, nerven Behörden mit Widersprüchen oder ellenlangen schriftlichen Einlassungen.
Nach Angaben des baden-württembergischen Justizministers Guido Wolf, CDU, machen "Reichsbürger" auch zunehmend den Gerichten zu schaffen, indem sie bei Prozessen gegen Mitglieder verstärkt Präsenz zeigen und über die sozialen Medien Mitstreiter mobilisieren.
Viele "Reichsbürger" vertreten ziemlich abwegige Meinungen, doch sie verhalten sich weitgehend rechtskonform. Oft ist bei ihnen jedoch "eine große ideologische Nähe zum Rechtsextremismus offensichtlich", heißt es vom bayerischen Verfassungsschutz. Etwa 30 bis 40 Angehörige der Reichsbürgerszene, die gleichzeitig dem Rechtsextremismus zuzuordnen sind, werden derzeit beobachtet. Dabei geht es vor allem um die Gruppe der "Exilregierung Deutsches Reich". "Ihre Ideologie ist völkisch und antisemitisch. Das ist klar rechtsextremistisch", teilt ein Verfassungsschützer mit.
Auch die Hofer Justiz ist gleich mehrfach mit der Reichsbürger-Bewegung befasst. Im März dieses Jahres wurde hier der 51-jährige Peter Fitzek, selbst ernannter "König von Deutschland", wegen Fahrens ohne Führerschein zu fünf Monaten Haft verurteilt. Fitzek, der schon mehrfach zuvor wegen dieses Deliktes aufgefallen war, ist seit 2012 das selbst gekrönte Oberhaupt eines bizarren "Königreichs Deutschland". Geografisch umfasst es aber nur das Gelände eines ehemaligen Krankenhauses am Stadtrand von Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Vor dem Hofer Strafrichter verlas Fitzek im März ein 91-seitiges Schlusswort. Nach dem Urteil stieg er vor dem Gerichtsgebäude gleich wieder in ein Auto und fuhr bis zur nächsten Kreuzung. Umgehend leitete die Staatsanwaltschaft ein neuerliches Strafverfahren ein, auch gegen den Sympathisanten, der ihm sein Auto überließ, wird ermittelt. Gegen das erste Urteil legte Fitzek Berufung ein. Zu neuen Gerichtsterminen ist es bislang noch nicht gekommen, weil Peter Fitzek im Juni dieses Jahres in Untersuchungshaft genommen wurde. Er soll bei Wirtschaftsstraftaten einen Schaden von rund 1,3 Millionen Euro verursacht haben. Das Verfahren gegen ihn soll am heutigen Donnerstag vor dem Landgericht Halle beginnen.
Querulanten, Spinner, Verschwörungstheoretiker und Geschäftemacher. Ein Sprecher des Landesamtes
für Verfassungsschutz