Ausbildungsmarkt „Wer flexibel und motiviert ist, findet etwas“

Christian Licha
Bei einem Pressegespräch der Agentur für Arbeit wurde am Donnerstag, 3. November, der Ausbildungsmarkt im Landkreis Haßberge unter die Lupe genommen. Foto: Christian Licha

Zahlreiche Ausbildungsstellen bleiben derzeit noch unbesetzt. Beste Chancen also für junge Menschen, die noch keine Stelle gefunden haben. Viele wissen jedoch auch noch gar nicht, was sie machen wollen. Grund dafür sind unter anderem fehlende Praktika aufgrund von Corona.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die Auswirkungen der Coronapandemie sind auf dem Ausbildungsmarkt noch deutlich zu spüren. Das zeigt die Bilanz der Agentur für Arbeit, die am Donnerstag, 3. November, in Haßfurt die Zahlen für den Landkreis Haßberge vorgestellt hat. Geschäftsstellenleiterin Franziska Schnitzer, Bereichsleiterin Melanie Geheb-Müller und Berufsberaterin Vanessa Bachmann, zeigten in einem Pressegespräch auf, dass viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben. So kommen rein statistisch auf einen Jugendlichen gut 1,4 Ausbildungsstellen.

Im Laufe des Ausbildungsjahres 2021/2022, das am 30. September für die Agentur für Arbeit endete, gab es 543 Stellen auf 386 Bewerber. Damit setzt sich der Trend eines Bewerbermarktes fort, der sich im Jahr 2017 zu einem solchen wandelte, sagte Geheb-Müller. Waren in den Jahren davor noch mehr Bewerber als Stellen zu verzeichnen, drehte sich zu diesem Zeitpunkt die Schere um. Nach der Spitze im Jahr 2019 mit 517 Bewerbern auf 621 Ausbildungsstellen, flachten die Zahlen in den Coronajahren 2020 / 2021 ab, sodass es insgesamt weniger Angebot und Nachfrage gibt.

Bei den Betrieben ist noch eine kleine Unsicherheit zu spüren, wie sich die Wirtschaft weiterentwickeln werde. Genauso unsicher sind die Bewerber, in der Regel Schulabgänger, die die Qual der Wahl zwischen den verschiedensten Ausbildungsangeboten haben. Auch seien nicht stattfinden könnende Praktika während der Pandemie ein Problem, erklärte Geheb-Müller. Die Jugendlichen konnten nicht ausprobieren, ob ein angedachter Beruf zu ihnen passe. Gleichzeitig sei der ein oder andere noch nicht bereit für eine Ausbildung und wollen lieber in der schulischen Umgebung bleiben, zum Beispiel mit Wiederholung der Klasse oder dem Wechsel auf eine weiterführende Schule. Dazu komme noch, dass die sogenannten „Altbewerber“, also diejenigen, die schon vor dem aktuellen Ausbildungsjahr die Schule verlassen habe, auch immer weniger werden. Waren es 2021 noch 81 Altbewerber, so sank die Zahl aktuell auf 59.

Dennoch sollte niemand „die Flinte ins Korn“ werfen, weder Bewerber noch Arbeitgeber, so Geheb-Müller. Der erste Schritt ist auf jeden Fall, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden. Auch wenn die für manch einen im September dieses Jahres begonnene Ausbildung sich vielleicht nicht als Glücksgriff erwies und an einen Wechsel der Ausbildungsstelle gedacht ist, so bestehen noch jetzt im November durchaus gute Chancen. „Wer flexibel und motiviert ist, findet etwas“, ergänzte Geschäftsstellenleiterin Franziska Schnitzer. Grundsätzlich könne auch jetzt noch mit der Ausbildung neu begonnen werden, solange eben, wie die Handwerkskammer beziehungsweise die Industrie- und Handelskammer zustimmen. Und das wird wohl noch bis Dezember so ein, schätzt Schnitzer. Und sollten alle Stricke reißen, bestehen weiterhin hervorragende Chancen für den Ausbildungsbeginn im September 2023. Die Agentur für Arbeit kann die Zeit bis dahin mit entsprechenden Maßnahmen oder dem Angebot einer befristeten Beschäftigung für den Ausbildungssuchenden unterstützen.

Die Bilanz der Agentur für Arbeit für den Bezirk Haßfurt ist sehr gut, wie die Zahlen belegen. Wurden bayernweit 57 Prozent und deutschlandweit sogar nur 47 Prozent der registrierten Bewerber in die Berufsausbildung vermittelt, liegt der Landkreis Haßberge weit an der Spitze. Hier sind es stolze 72 Prozent der Bewerber, die eine betriebliche Ausbildung suchten und auch tatsächlich in eine Berufsausbildung begonnen haben. 18 Prozent der Jugendlichen, die eine Ausbildungsaufnahme angestrebt hatten, haben sich dann letztlich doch für den Verbleib im schulischen System entschieden. Diese Jugendlichen werden eventuell später wieder als Bewerber auftreten. Zwei Prozent haben sich entschieden, zunächst die Ausbildungssuche durch Aufnahme einer Arbeitsstelle zu beenden.

Häufig suchen diese Jugendlichen für den nächsten Ausbildungsbeginn weiter nach einem passenden Ausbildungsplatz. Für gemeinnützige Dienste (Freiwilliges soziales Jahr usw.) haben sich nur 1 Prozent der Schüler entschieden. Die Zahl der Bewerber, die zum 30. September des Berichtsjahres tatsächlich keine Alternative zur Berufsausbildung gefunden haben, ist seit Jahren sehr gering. Im Bezirk Haßfurt sind es in diesem Jahr gar keine, so die Geschäftsstellenleiterin. Gleichzeitig sinkt auch der Bedarf an Maßnahmen der Agentur für Arbeit (insbesondere berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen und außerbetriebliche Berufsausbildungen) seit Jahren. Das ist ein Indiz dafür, dass der Markt mittlerweile auch schwächeren Bewerbern eine Chance gibt. Die Agentur für Arbeit Schweinfurt unterstützt bei Problemen in der Ausbildung mit dem Instrument der assistierten Ausbildung.

Was sind denn die Wunschberufe der jungen Erwachsenen? Männliche Bewerber streben nach wie vor in männerdominierte Berufe, wie zum Beispiel Industriemechaniker, Kfz-Mechatroniker und Elektroniker. Bewerberinnen suchen weitergehend „Frauenberufe“ wie Einzelhandels- oder Industriekauffrau oder Verkäuferin. Die in den vergangenen Jahren unternommenen Anstrengungen, das geschlechterspezifische Verhalten bei der Berufswahl mit Aktionen wie „Girls Day“ oder Boys Day“, zeigen kaum Wirkung, attestiert Berufsberaterin Vanessa Bachmann.

Insgesamt ist festzuhalten, dass das positive Verhältnis von Bewerbern zu Ausbildungsstellen insgesamt, nicht zu der Vermutung verleiten darf, dass jeder Jugendliche in seinem Wunschberuf letzten Endes einmünden kann. Es ist festzustellen, so die drei Damen der Haßfurter Agentur für Arbeit, dass viele junge Menschen nach wie vor eine Ausbildung im Bereich Informatik oder Büro anstreben, obwohl hier die Chancen auf einen Ausbildungsplatz ungleich schlechter sind, als zum Beispiel im Einzelhandel oder Großhandel.

Die Folge hiervon ist, dass Ausbildungsstellen, die für viele Jugendliche weniger attraktiv erscheinen, besonders schwer zu besetzen sind. Weitere Gründe, warum eine Stelle nicht besetzt werden konnte, waren die sehr hohen Anforderungen einzelner Arbeitgeber oder die schlechte Erreichbarkeit des Ausbildungsortes. Die Agentur für Arbeit appelliert weiter an die Betriebe Ausbildungsstellen zu melden, um jetzt die Fachkräfte für die Zukunft auszubilden. Vor allem sollten Betriebe die schulischen Praktika nutzen, um für ihre Unternehmen und die von ihnen angebotenen Ausbildungsberufe zu werben.

Bilder