Ausstellung im Rathaus 100 Jahre Puppen aus Mönchröden

Christoph Scheppe

Seit mehr als 100 Jahren werden in Mönchröden Puppen hergestellt. Eine Ausstellung soll die Bedeutung dieses Zweigs der Spielwarenindustrie wieder ins Bewusstsein rücken.

 
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Mönchröden - Zeitlose Begleiter, Kindheitserinnerung, begehrte Sammlerobjekte: Puppen gehören zu den ältesten und beliebtesten Spielzeugen auf dem Globus. Sie schreiben als Klassiker Geschichte, zu der seit dem 19. Jahrhundert auch das Coburger Land mit Manufakturen in Neustadt und Rödental gewichtige Kapitel beisteuert. Von hier aus eroberten zahlreiche Firmen einst wie heute Kinderstuben in der ganzen Welt. Von der unternehmerischen Vielfalt und Kreativität zeugt die Ausstellung „1920-2020: 100 Jahre Puppen aus dem bayerischen Puppendorf Mönchröden“, die noch bis 29. Oktober während der Öffnungszeiten des Rödentaler Rathauses im Foyer zu sehen ist.

„Sie kommen im wahrsten Sinne des Wortes zurück in die Heimat“, freut sich Ingrid Ott. Selbst aus einem Puppenbetrieb stammend, ist sie als Mönchrödenerin, Mitglied des Heimatvereins, Kreisheimatpflegerin und Ausstellungsorganisatorin gleich in mehrfacher Hinsicht involviert. Mit ihrem Vorschlag, zum 50-jährigen Stadtjubiläum Rödentals die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der hiesigen Puppenproduktion wieder ins Bewusstsein zu rücken, sei sie bei Bürgermeister Marco Steiner auf offene Ohren gestoßen. „Wir wollen mit der Ausstellung diese erfolgreiche wie prägende Epoche auch gezielt unseren Neubürgern, Schulen und Kindertagesstätten näherbringen“, erläutert Ott die Intention von „Heimatkunde zum Anfassen“.

Mehr als 150 Exponate

Gezeigt werden mehr als 150 Spiel-, Trachten- und Porzellanpuppen. Die Exponate sind repräsentativer Querschnitt einer über 100-jährigen Herstellungstradition, die 1920 mit dem Anschluss des Herzogtums Coburgs an den Freistaat Bayern begann. Anfänge gab es bereits im Spätherbst des Jahres 1896. Damals gründeten Edmund und Emilie Knoch die erste Puppenfabrik in Mönchröden, die 1976 von Helmuth Engel übernommen wurde und seither unter Engel-Puppen firmiert. 3-M-Puppen, Emaso, Goebel, Hans Völk, Neubauer, Wilhelm Trachtenpuppen, Götz, Max Zapf/Zapf Creation: Schnell entwickelte sich ein wichtiger Industrie- und Zuliefererzweig, der seine Blütezeit zwischen 1950 und 1990 erlebte, vielen Menschen Lohn und Brot gab oder durch Heim- und Ferienarbeit einen Zuverdienst ermöglichte.

„Die Firmen waren als Familienbetriebe sehr sozial eingestellt“, verweist Ingrid Ott auf heutige Diskussionen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beispielsweise seien Pausen so gelegt worden, damit Mütter für ihre Kinder zuhause das Mittagessen kochen konnten. „Das war damals Luxus“, sagt die Kreisheimatpflegerin.

Wettbewerb und Image

So sehr sich die Firmen um das Wohlergehen ihrer Belegschaften gekümmert hätten, so ausgeprägt sei bei den Chefs aber auch der Wettbewerbs- und Imagegedanke gewesen. Ott: „Da ging es darum, wer die schönsten Puppen oder die besten Arbeiter hat, weshalb es vielfach zu Abwerbungen gekommen ist.“ Auftritte bei den Nürnberger Spielwarenmessen seien lange vorher bis ins kleinste Detail geplant und in puncto Präsentation nichts dem Zufall überlassen worden. „Jeder wollte den schönsten Stand haben, und das Messepersonal wurde sorgsam ausgewählt und top eingekleidet. Für alle, die dazugehörten, war das eine riesige Auszeichnung.“

Apropos riesig: Puppen wie „Baby Born“ oder „Kullertränchen“ haben Weltruhm erlangt und genießen seit Generationen Kultstatus. „Lilli“ - Barbies Vorgängerin – wurde zwar in Neustadt gefertigt, hat ihre Wurzeln ebenfalls in Mönchröden. Gleiches gilt für die von Goebel in Lizenz gefertigten ZDF-Mainzelmännchen oder Wum und Wendelin. Selbst die berühmten Hummelfiguren gab es als Puppen. Große Erfolge erzielten auch Heinrich und Emilie Wilhelm, die sich ab 1950 auf die Produktion von Trachtenpuppen spezialisierten und mit ständig wechselnden Kollektionen für Furore sorgten.

Fast zu jedem Exponat oder Hersteller gebe eine spannende Geschichte zu erzählen, sagt Ott und verrät, dass sie derzeit damit beschäftigt ist, Fotos, Dokumente, Expertisen und weitere Unterlage zu beschaffen. Damit einher geht der Wunsch, dass die Unesco die Mönchrödener Puppenproduktion demnächst in die Liste als Immaterielles Kulturerbe Deutschlands aufnimmt.

Führungen

Den Schwerpunkt der Ausstellung, die Bürgermeister Marco Steiner am Freitagnachmittag eröffnet, bilden Kunststoff- und Porzellanpuppen der 1950er- bis 1990er-Jahre. Die Exponate stammen größtenteils aus dem Fundus des Coburger Puppenmuseums oder sind Leihgaben der Firmen Engel, Zapf und Götz.

Die Organisatoren hoffen während der nächsten zwei Wochen auf ein reges Interesse. Ingrid Ott denkt dabei besonders an Schulklassen und Kindergärten: „Hier können die Jungen mal mit eigenen Augen sehen, wo ihre Großeltern gearbeitet haben.“ Bei Bedarf sei auch am Wochenende eine Führung machbar, bittet Ingrid Ott um Anmeldungen unter Telefon 09563/50650 oder 09563/960.

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