Oberfranken Aus des Verbrennermotors kostet viele Jobs

Von Roland Töpfer

Die IG Metall ist alarmiert und fürchtet eine erhebliche Schwächung des hiesigen Industriestandortes. Arbeitsplätze dürften nicht ins Ausland verlagert werden.

 
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Bei Bosch in Bamberg – hier ein Mitarbeiter bei der Prüfung von Einspritzsystemen – gibt es eine befristete Beschäftigungssicherung. Dennoch herrscht Unsicherheit bei den Mitarbeitern. Foto: Bosch

Bamberg – Der Umstieg vom Verbrenner zum Elektroauto belastet immer mehr oberfränkische Autozulieferer. Martin Feder, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Bamberg, fordert: „Wir müssen den Umbau der Industrie so gestalten, dass wir auch in Zukunft ein starker Industriestandort mit guten Arbeitsplätzen sind. Niemanden hilft es, wenn unsere Arbeitsplätze nach Asien oder Osteuropa verlagert werden – auch dem Klima nicht.“

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Am Freitag organisierte die Gewerkschaft eine Kundgebung in Bamberg, an der auch eine Delegation aus Coburg teilnahm, und übergab ihre Forderungen an die Politik: Keine Verengung auf das Batterieauto, die Wasserstofftechnologie endlich voranbringen. Feder im Gespräch mit unserer Zeitung: „Viele tausend Arbeitsplätze in der Region stehen auf dem Spiel.“ Zum Bosch-Werk in Bamberg sagte Feder: „Wenn dieser große Laden fällt, dann fallen viele mit.“

Wegen der weiterhin bestehenden Corona-Maßnahmen konnten nur 200 Personen an der Kundgebung teilnehmen. Die 200 Kolleginnen und Kollegen kamen nach Angaben der IGM aus allen Betrieben der Region und stehen stellvertretend für die knapp 20 000 Beschäftigten in der regionalen Metall- und Elektroindustrie.

Scharfe Kritik an Bundesregierung

Mario Gutmann (Betriebsratsvorsitzender Bosch Bamberg), Markus Zirkel (BR-Vorsitzender Schaeffler Hirschaid) und Sonja Meister von FTE-Valeo Ebern berichteten, wie ihre Betriebe durch das geplante Verbrenner-Aus betroffen sind. Im Gespräch mit unserer Zeitung fährt Gutmann schweres Geschütz auf. Der Bundesregierung wirft er eine „einseitige ideologische Kampfansage gegen den Verbrenner“ vor. Die Regierung habe energiepolitisch keinen Plan, gehe raus aus Atom und Kohle, obwohl immer mehr Energie verbraucht werde und Sonne und Wind dies nicht kompensieren könnten. Gutmann: „Wir retten weder die Umwelt noch das Klima und machen die Wirtschaft kaputt.“ Ergebnis werde sein, dass Deutschland im großen Stil Energie zukaufen müsse – Atomstrom aus Frankreich oder auch Kohlestrom aus Polen. Gutmann spricht von „Bilanzfälschung“ beim E-Auto. „Auf dem Papier funktioniert es, aber nicht in der Realität.“ Schlimmstenfalls drohe am Ende Massenarbeitslosigkeit.

Bei Bosch in Bamberg, wo hauptsächlich Bauteile für Verbrenner produziert werden, gebe es noch 6500 Beschäftigte. Vor zwei Jahren seien es noch 7500 gewesen. Bis 2026 gilt ein Beschäftigungssicherungsvertrag.

Durch Fluktuation und andere Abgänge schmelze die Belegschaft aber weiter um 100 bis 250 Köpfe im Jahr. Gutmann will nun über einen Zukunftstarifvertrag verhandeln, um die aktuelle Mitarbeiterzahl abzusichern, denn: „Es geht ums Überleben des Standorts Bamberg.“ Mit stationären Brennstoffzellen, vielleicht künftig auch einmal Wasserstoffventilen für Verbrenner und Geschäft aus anderen Unternehmensbereichen des Konzerns will Gutmann versuchen, den Standort zukunftsfest zu machen. Einer Untersuchung des Wirtschaftsministeriums zufolge stehe Bamberg unter den 40 am meisten von der Transformation betroffenen Regionen auf Platz drei.

Aufträge, aber keine Chips

Laut Feder schlägt die Chipkrise in der Autoindustrie bei Schaeffler voll durch. Das Unternehmen werde wohl im November/Dezember Kurzarbeit anmelden müssen. „Die haben Aufträge, kriegen aber keine Chips.“ Valeo-FTE in Ebern sei stark auf den Verbrenner fokussiert. „Die haben schlicht keine Zukunftsprodukte. Das ist ein Problemfall.“ Vor fünf Jahren seien in Ebern noch 1600 Beschäftigte tätig gewesen, heute seien es noch 1300. Bosch in Bamberg habe zwar bis 2026 Beschäftigungssicherung vereinbart, aber die Frage sei, was danach komme. Man könne bei den Konzernen schon manchmal den Eindruck gewinnen, sie würden wie folgt vorgehen: „Wir melken die Kuh, solange es noch geht. Dann machen wir zu.“

Bei Valeo-FTE in Ebern befürchten Betriebsrat und IGM, dass die Weichen Richtung Mobilitätswende und alternativer Produkte zu spät gestellt werden. Gerade der Standort Ebern sei mit seinen Produkten fast ausschließlich vom Verbrennungsmotor abhängig. Statt Strategien für die Zukunft zu entwickeln, solle weiter Personal reduziert werden. Erst im Frühjahr sei ein Abbauprogramm von 95 Arbeitsplätzen abgeschlossen worden. „Die Tinte dieser Verträge ist noch nicht ganz trocken, schon kommt die Geschäftsführung mit einer weiteren Personalabbaumaßnahme daher.“ Laut IGM sollen weitere 80 Arbeitsplätze in Niedriglohnländer verlagert werden. Die Gewerkschaft fordert eine „Zukunftsvereinbarung“, in der Konzepte, Produkte und Technologien für den Standort Ebern festgelegt werden.

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) arbeiten hierzulande mehr als drei Millionen Menschen direkt oder indirekt für die Automobilwirtschaft. Etwa die Hälfte davon (1,2 Millionen) sei in 44 000 Betrieben in produktionsnahen Bereichen tätig.