Bayreuth/Plech Fall Sophia - wie zudringlich war der Trucker?

Manfred Scherer

Was hat die Tramperin mit ihrer Ohrfeige im Fernfahrer ausgelöst? Im Prozess um den Tod einer Anhalterin ist das Gericht einem möglichen Motiv auf der Spur.

 
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Bayreuth/Plech - Im Prozess um den gewaltsamen Tod der Anhalterin Sophia Lösche hat der Schwurgerichtsvorsitzende Bernhard Heim angedeutet, welchen Tathintergrund das Gericht für möglich hält. Aus Fragen, die der Richter dem Psychiater Thomas Wenske stellte, ergibt sich, dass der wegen Mordes angeklagte Fernfahrer Boujeema L. am Parkplatz Sperbes seine letzte Chance genutzt haben könnte, um auszuprobieren, ob bei der leicht bekleideten Anhalterin "was geht". Sie hatte ihn zuvor an einem Rastplatz bei Leipzig auf Arabisch um eine Mitfahrgelegenheit gebeten, auf der Fahrt einen Joint geraucht. Er hatte ihr einen Espresso ausgegeben und seine marokkanische Haschpfeife geschenkt. Und 30 Kilometer weiter wollte Sophia Lösche aussteigen, um von Hersbruck nach Amberg zum Geburtstag ihres Vaters zu kommen.

Auf dem Parkplatz Sperbes war ein laut den GPS-Daten dreistündiger, laut Polizei "unsinniger" Halt, Boujeema L. sollte am 15. Juni früh in Lauf Ladung aufnehmen.

Wie berichtet, reklamiert Boujeema L. für die Geschehnisse vom 14. Juni abends in seinem Führerhaus einen Streit aufgrund eines Missverständnisses. Sophia Lösche soll nach einem Brocken Hasch gesucht, den Fernfahrer des Diebstahls bezichtigt, ihn mit dem A-Wort beschimpft und ihn geohrfeigt haben. Angehörige und Freunde der 28-Jährigen schlossen das aus: Sophia Lösche hätte sicher nur dann zu körperlicher Gewalt gegriffen, wenn der Trucker zudringlich geworden wäre.

Die von dem Angeklagten behauptete Tatversion wäre nach Einschätzung des Psychiaters Wenske eine affektiv aufgeladene Situation: "Er kriegt eine Ohrfeige - und dann auch noch von einer Frau." Eine Affekt-Tat, für die man eine Schuldminderung annehmen könne, vermag der Gutachter nicht zu erkennen: Vor allem die von Boujeema L. geschilderten zwei Phasen des Tathergangs sprächen dafür, dass spätestens bei der zweiten Tatphase keinerlei Affekt vorgelegen haben könne: "Er schlägt zu, geht raus, nimmt seine Zigaretten mit, raucht eine und kehrt zurück, um erneut zuzuschlagen" - da könne ein Mensch weit genug herunterfahren, um nachdenken zu können.

Die Angehörigen der Getöteten brachten Indizien ins Spiel, die zur angedeuteten Tatversion des Gerichts passen könnten: Laut dem Angeklagten war die Beifahrertüre verriegelt: Vielleicht, damit Sophia Lösche bei dem für sie überraschenden Halt nicht aus dem Führerhaus fliehen konnte? Oder suchte die Anhalterin, als sie das Führerhaus durchwühlte, nur ihr Mobiltelefon, das der Trucker hatte verschwinden lassen? Sollte der Halt in Sperbes von Boujeema L. geplant gewesen sein, dann wäre das Verschließen des Führerhauses laut Psychiater Wenske keinesfalls ein Affekt, sondern eine Vorbereitungshandlung gewesen.

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