Im Europa-Vergleich haben die Schweden - das zeigt die Statistik - einen hohen Preis bezahlt: Auf die Einwohnerzahl gerechnet starben bis heute etwa fünfmal so viele Infizierte wie in Deutschland oder Dänemark. Auch die Gesamtzahl der Infektionen liegt um ein Vielfaches höher.
Dennoch verteidigt der Architekt der schwedischen Corona-Strategie, der Staatsepidemiologe Anders Tegnell, das Vorgehen konsequent. Dass Ältere nicht besser geschützt werden konnten, betrübt ihn sehr. "Unser großes Versagen lag im Bereich der Langzeit- und Altenpflege. Die regionalen Ämter hätten besser vorbereitet sein müssen, dann hätte es weniger Tote gegeben", sagte er kürzlich der "Bild"-Zeitung. Die Schweden haben dazugelernt: Die Zahl der Neuinfektionen ging seit Ende Juni deutlich zurück. Wer im Homeoffice arbeiten kann, soll es weiterhin tun.
"Meinen Alltag hat Corona nicht sehr verändert", erklärt Carin Berging. "Da ich genauso wie früher arbeite, denke ich vielleicht nicht ständig an Covid-19." Um sich selbst mache sie sich wenig Sorgen, "ich mache mir Sorgen um meine Familie und meine Freunde", betont sie. "Erst hat man gesagt, dass Covid 19 nur gefährlich ist für ganz alte Leute. Das hat sich als falsch herausgestellt." Das stimme nachdenklich. "Natürlich werde ich verzweifelt, wenn ich höre, dass auch jüngere Leute daran sterben, aber man kann nicht ständig nervös sein. So kann man nicht leben."
Das soziale Leben außerhalb der Arbeit sei eingeschränkt. "Wenn mein Mann und ich Freunde treffen, machen wir das am liebsten draußen. Die meisten von unseren Freunden wollen warten bis Covid-19 vorüber ist, bevor sie sich bei jemandem zu Hause treffen." Restaurants und Cafés waren in Schweden immer offen, einen Lockdown gab es nicht. Doch öffentliche Versammlungen mit mehr als 50 Leuten sind auch in Schweden verboten, Besuche in Altersheimen ebenfalls, in Lokalen darf nur am Tisch bedient werden. "In Lokalen muss man Abstand halten, sie dürfen dort nicht so viele Gäste haben", erzählt Carin Bergling. Doch ganz zu Hause bleiben die Schweden nicht. "Wir gehen am Samstag in ein Konzert", sagt sie. "Mein Mann, mein Sohn und ich haben Glück gehabt: Wir haben drei von den 50 Karten bekommen."