Besser Einrichten Was wir beim Wohnen brauchen

Chiara Sterk
„In 80 Prozent der Wohnungen, die ich betrete, ist zu viel drin“, sagt die Wohnpsychologin Barbara Perfahl. Foto: Wolfgang Lehner

Die Wohnungseinrichtung kann Stress oder Wohlgefühle erzeugen. Worauf es ankommt und was der größte Fehler ist, erklärt die Wohnpsychologin Barbara Perfahl.

 
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Es heißt, die Psyche eines Menschen spiegele sich in seiner Einrichtung. Das funktioniert auch andersherum: Ausstattung, Farbe und Licht können beeinflussen, wie wir uns fühlen – und ob es uns gut geht. Welche Wohnbedürfnisse Menschen haben und was der Minimalismustrend mit dem Gemüt macht, erklärt die Wohnpsychologin Barbara Perfahl.

Wie wirken Räume auf den Menschen?

„Wir erleben in Räumen eine Ansammlung von Reizen“, sagt die Psychologin und Wohnexpertin Barbara Perfahl. Je nachdem, wie die Umgebung eingerichtet sei, löse diese entsprechende Emotionen in uns aus. Es gebe Umgebungen, die entspannen, in denen man sich konzentrieren kann, die einem gefallen – und Räume, die überlasten und stressen. Studien zufolge haben Räume auch Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Stresslevel – und die Art, wie wir denken und Probleme lösen. Räume wirken dabei auf drei Ebenen: auf einer baulichen, einer symbolischen und einer ästhetischen Ebene. Zu baulichen Kriterien zählen die Größe des Raumes, die Anzahl an Fenstern und Türen sowie die Materialien. Unter der symbolischen Ebene versteht man die Bedeutung, die ein Raum hat, was damit assoziiert wird. Die ästhetische Ebene setzt sich aus der Anzahl an Reizen zusammen; relevant ist hierbei auch, ob diese Reize in Zusammenhang stehen und ob es im Raum etwas zu entdecken gibt. Ein mittleres Ausmaß dieser Kategorien ist für das Gehirn ideal – dort fühlen sich Menschen am wohlsten, das gefällt ihnen am besten. „Was wir schön finden, hat oft damit zu tun, was psychologisch oder für unser Wahrnehmungs- und Denksystem optimal ist“, erklärt Perfahl. Umgebungen, die wir nicht schön finden, sind oft solche, die uns auf der Wahrnehmungsebene stressen.

Welche Rolle spielen Farbe und Licht?

„Farben haben eine starke Wirkung auf den Menschen, denn Farben wirken körperlich auf uns“, so die Psychologin. Studien zufolge erhöhe sich zum Beispiel der Puls, wenn man zehn Minuten auf eine rote Folie schaue. Blaue oder grüne Farben hingegen wirken entspannend. Daneben habe Farbe auch eine symbolische Bedeutung. „Licht ist die Einrichtungsebene, auf der ich mit wenig Aufwand viel erreiche“, berichtet die Wohnexpertin, „weil ich mit wenig sehr viel Atmosphäre schaffen kann.“ So ist es ein großer Unterschied, ob im Wohnzimmer eine industrielle Leuchtstoffröhre hängt oder ein Stimmungslicht. Perfahl empfiehlt daher mehrere Lichtquellen, am besten eine Arbeitsleuchte und mehrere zusätzliche Lichtquellen.

Welche Bedürfnisse haben Menschen, was das Wohnen angeht?

Eine Wohnung kann sechs Bedürfnisse erfüllen: Das Basisbedürfnis ist Sicherheit. Rückzug und Erholung und der Gegenpol dazu: Kommunikation und Geselligkeit. Hinzu kommen Selbstdarstellung – das Gestalten der eigenen Umgebung – sowie ästhetische Bedürfnisse. „Unter Letzteres fällt etwa, wie empfindlich oder sensibel ich gegenüber Dingen bin, die ich ästhetisch als abweichend betrachte“, erläutert Perfahl. Diese Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich ausgeprägt und bestimmen, wie wohl wir uns in einer Wohnung fühlen. „Wie stark diese Bedürfnisse ausgeprägt sind, kann man mit Schlüsselfragen herausfinden“, erzählt Perfahl. Was die Sicherheit angeht, könne die Frage lauten: Kann man gut schlafen, auch wenn sich die Tür weder abschließen noch zuziehen lässt, weil das Schloss defekt ist?

Was machen viele falsch, was die Einrichtung angeht?

„In 80 Prozent der Wohnungen, die ich betrete, ist zu viel drin“, berichtet die Wohnpsychologin. Zudem sind Wohnungen oftmals nach Wohnidealen eingerichtet – und nicht nach den eigenen Bedürfnissen. Die Menschen haben eine rationale Vorstellung dessen, wie ideales Wohnen für sie aussieht – gespeist durch die eigene Wohngeschichte sowie von dem, was wir sehen und was die Wohn- und Möbelindustrie bereithält. „Mit diesen Eindrücken sind viele überfordert, weil sie nicht wissen, was zu ihnen passt und für sie gut ist – denn nur wenige Menschen setzen sich bewusst mit ihren eigenen Wohnbedürfnissen auseinander.“

Was die Psychologin empfiehlt

Weniger! „Als Nächstes geht es darum, Zusammenhänge zu schaffen und Zonen einzurichten“, so die Psychologin. Eine Bilderwand etwa wirke harmonischer und weniger überladen, wenn die Bilder in zwei Gruppen aufgeteilt und in einen klaren Zusammenhang gebracht sind. „Zonen kann man schaffen, indem man beispielsweise mit einem Teppich die Couch und den dazugehörigen Tisch gruppiert“, empfiehlt Perfahl. Das reduziere die Reizintensität, wirke ordentlicher, und die einzelnen Objekte seien präsenter.

Was bedeutet der Minimalismustrend für die Psyche?

Mit dem Aufkommen des Minimalismus wurde auch beim Wohnen mehr reflektiert, welche Stücke einem wirklich wichtig sind. „Und das ist beim Wohnen sehr wichtig: keine Sachen in der Wohnung stehen zu haben, die ich nicht mag“, betont die Expertin. Problematisch werde der Minimalismustrend erst, wenn etwa die Fläche zu klein werde, sodass die Wohnbedürfnisse nicht mehr adäquat erfüllt werden könnten. Im Tiny House etwa könnten manche Wohnbedürfnisse nicht mehr erfüllt werden – wie etwa sich zurückzuziehen, wenn man zu zweit ist, oder die Geselligkeit, weil nicht ausreichend Platz ist, um viele Leute einzuladen.

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