Montagsdemo in Coburg Polizei greift erstmals durch

Ein paar Dutzend  maskenlose Spaziergänger werden aus dem Zug herausgegriffen. Dabei gibt es viel Gezeter. Aber es bleibt friedlich.

 
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Coburg - Es hat alles nichts genützt: Unterstützt von einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei durften rund 600 „Spaziergänger“ am Montagabend fast überall hin. Sogar ein Abstecher über die Arkaden in den Hofgarten war erlaubt. Nur der Marktplatz: Der war tabu.

An die Auflage der Stadt, bei der – wie immer unangemeldeten – Demonstration medizinische Masken zu tragen, hielten sich diesmal zwar tatsächlich mehr Menschen als sonst. Die meisten legten es aber darauf an, Bekanntschaft mit der Polizei zu machen. Um 18.12 Uhr war es dann soweit. Nach einer Runde ums Schlossplatzrondell wurden die ersten sechs mit und ohne Kerzen zur Feststellung der Personalien aus dem Zug herausgenommen – oder je nach Sichtweise „entführt von Söldnern“, wie ein Dreitagebärtiger unter lautstarken „Hilfe, Hilfe“-Rufen in die Menge brüllte. Der zweite Zugriff erfolgte vor dem Stadtcafé. Auch hier pochte eine ältere Dame vehement auf ihre „Rechte unter freiem Himmel“, während der Ehemann glaubte, einen Akt der „Gefangenenbefreiung“ starten zu müssen. Zwei Versuche, an einem Bereitschaftspolizisten vorbeizukommen, und einen erigierten Mittelfinger später war dann Schluss mit lustig. Auch der Ehemann durfte seine Sicht der Dinge zu Protokoll bringen.

Wie dem Ehepaar erging es diesmal zahlreichen Teilnehmern der Montagsdemo. Kurz vor Ende des „Spaziergangs“ betonte Stefan Probst, Sprecher der Polizeiinspektion Coburg, gegen 19.15 Uhr, dass für Anzeigen Personalien „im mittleren zweistelligen Bereich“ aufgenommen wurden. Dank Unterstützung der Bereitschaftspolizei („hat einen Super-Job erledigt“) sei die Demo bis kurz vor Schluss friedlich verlaufen.

Zuvor hatte Martin Lücke, Notarzt und Regiomed-Betriebsratsvorsitzender, bei einer Kundgebung eines breiten Bündnisses politischer Jugendorganisationen unter dem Motto „Danke sagen statt spaziergehen“ vor dem Rathaus ein leidenschaftliches Plädoyer gehalten mit der Bitte, sich impfen zu lassen. Allen, die das bereits getan haben, sagte er Dankeschön auch im Namen seiner Kollegen. Und er richtete auch einen Appell an alle ungeimpften Pflegekräfte, die sich Mitte März entscheiden müssten, wohin ihr Weg geht. „Aber auch sie haben uns in fast zwei Jahren immer geholfen, die Pandemie in den Griff zu bekommen“, sagte Lücke. „Und sie tragen jetzt ein sehr viel größeres Risiko als ich, der schon sehr früh geimpft werden durfte. Jetzt ist noch Zeit, sich den Piks zu holen.“

Bei vielen Videokonferenzen und Telefonaten mit Kollegen habe er von Schwerstkranken immer wieder Worte wie diese gehört, bevor sie auf die Intensivstation verlegt werden mussten: „Hätte ich gewusst, wie schlimm Corona ist, hätte ich mich impfen lassen.“ Lücke: „Sie haben das gesagt mit der letzten Luft, die sie noch hatten.“

Es klingt wie unfreiwillige Ironie: „Sie haben uns die Luft geraubt. Doch wir sind aufgewacht. Wir stehen für Wahrheit und Freiheit“: So erschallt eine Hymne der Querdenkerbewegung nur wenig später aus der Lautsprecherbox eines jungen Mannes, der die Spaziergänger mit ein paar anderen anführt.

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