14 Zentimeter
Nachgeschaut beim Naturschutzbund (Nabu), um was für Gewürm es sich hier handelt. Dort heißt es: „Bei uns kommen über 40 Arten von Regenwürmern vor. Am bekanntesten sind der Tau- und der Kompostwurm. Der Kompost- oder auch Mistwurm ist mit vier bis 14 Zentimetern Länge kleiner als der Tauwurm und ist rot mit gelblichen Ringen um seinen Körper. Er braucht zum Überleben Erde, die reich an organischem Material ist.“
Na dann mal los. Elegant werden die Tauwürmer mitsamt der mitgelieferten, mineralhaltigen Erde in die Kiste gekippt und mit einer Sprühflasche wellnessmäßig mit Wasser verwöhnt. Zum Kuscheln gibt es Karton-Schnipsel, ebenfalls angefeuchtet.
Füttern darf man laut Betriebsanleitung erst ab Tag drei. Dann regnet es aber Leckereien in die Kiste und zwar so richtig: Spargelreste, Erdbeerstrunk, grüner Salat – die Würmer werden kulinarisch entschädigt für ihre Strapazen.
Koffeinshock vom Barista
Nach ein paar Tagen scheinen sich die Tierchen auf wundersame Weise vermehrt zu haben. Der Anblick bei der Übergabe des Biomülls ist nicht ganz so zuckersüß wie der von Hundewelpen oder Kätzchen und wirft Fragen auf: Wieso verheddern sich die Viecher in großer Zahl auf und in der Hanfmatte? Fluchtreflex wegen einseitigem Superfood?
In Foren finden sich Erfahrungsberichte von Kistenbesitzern über Würmer, die geflohen sind und es sich hinter dem Wohnzimmersofa bequem gemacht haben, weil das Futter zu sauer war oder man den Tipp, dass Würmer Kaffeesatz mögen, leicht übertrieben hat: Hobby-Barista treiben Würmer durch Koffein-Schock in die Flucht.
Die Fixierung auf die Hanfmatte ist laut Betriebsanleitung kein Problem: „Die Würmer genießen in der Eingewöhnungszeit die perfekte Feuchtigkeit in der Matte und verwenden sie daher gerne als Kinderstube. Auch das Turnen der Würmer in und auf der Hanfmatte ist ganz normal.“ Wir sind beruhigt.
Und was ist mit Urlaub?
Die Tierschutzorganisation Peta dagegen nicht. Sie warnt: „Bei Wurmkisten kann man viel falsch machen. Wer sich ein wenig in Foren umschaut, merkt schnell, dass vielen Besitzern von Wurmkisten Pannen unterlaufen und die Tiere dabei versehentlich sterben.“
Bei uns bisher nicht. Dennoch bleiben viele Fragen offen, darunter die klassische Haustierfrage: Was machen die Würmer, wenn wir in die Ferien fahren? Spoiler: Sie werden mit Wurmkisten-Urlaubs-Langzeitfutter in Form von Kokosfasern versorgt.
Das Schmatzen der Würmer
Zum Schluss stellt sich die alles entscheidende Frage, wann endlich Humus geerntet werden kann. Alle sechs Monate, sagen die Macher, und beweisen dabei Wortwitz. Sie warnen vor einer aufwühlenden Aktion fürs Wurmvolk und bieten Tipps fürs temporäre Umvolken: „Streue drei Tage vor der Ernte zwei bis drei Esslöffel rohe Polenta oder Mehl ein. Das lockt auch die letzten verirrten Würmer nach oben.“
Vielleicht laden wir zur Ernte ja den Schweizer Wissenschaftler und Klangkünstler Marcus Maeder ein. Der belauscht die Geräusche im Boden, indem er sie mit einem eigens entwickelten Aufnahmegerät etwa tausendfach verstärken kann. Damit das Schmatzen der Würmer nicht mehr zu überhören ist und wir endlich herausfinden, ob sie untereinander Österreichisch sprechen.