Briten-Virus Klinikum Bayreuth macht dicht: 3000 in Quarantäne

, aktualisiert am 26.01.2021 - 19:21 Uhr
 Foto: Ralf Münch

Nur noch, was dringend notwendig ist: Klinik behandelt keine Patienten mehr – mehr als 3000 Mitarbeiter in Quarantäne geschickt. Alle Mitarbeiter und Patienten getestet. Elf Personen mit gefährlicherer Briten-Variante infiziert. Dauer: unbekannt. Ob das Virus in der ganzen Region ist: unbekannt. Landrat: „Harter Schritt“.

 
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Bayreuth - Erstmals in der Geschichte Bayreuths ist eine ganze Klinik in Quarantäne. Schuld daran ist das Auftauchen der englischen Mutation des Corona-Virus. Aufgenommen werden nur noch dringende Fälle. Wie lange das dauert, steht nicht fest. Es hängt auch davon ab, ob und wenn ja wie stark sich die Virus-Mutation außerhalb des Klinikums verbreitet hat.

In Pendel-Quarantäne

Der Notfall hat sich bereits am Montagabend, 18 Uhr, angedeutet. Da hat die Klinik das Gesundheitsministerium in München informiert, dass elf Fälle der neuen Briten-Variante aufgetaucht seien. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte bei einer Pressekonferenz zusammen mit dem Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in München, es werde „entschlossen gehandelt“, und in enger Abstimmung mit den Behörden vor Ort. Er warnte vor der Virusmutation, die „ansteckender ist“. Es sei „das Gebot der Stunde“, die Regeln klar zu halten, „dass sich die Mutation nicht ausbreitet“.

Alle Mitarbeiter stecken in einer sogenannten Pendel-Quarantäne, die inzwischen überarbeitet wurde. Hieß es ursprünglich, sie dürfen sich ohne öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen nur zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort bewegen und befinden sich ansonsten im häuslichen Umfeld in Quarantäne, heißt es inzwischen: „Grundsätzlich soll auf die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verzichtet werden.“ Außer es gehe nicht anders, etwa bei den Schülern oder den Mitarbeitern, die gar kein Auto hätten. Dies sagte Landrat Florian Wiedemann (Freie Wähler) im Gespräch mit dem Kurier.

"Harter, aber konsequenter Schritt"

Wiedemann, der als Aufsichtsratsvorsitzender quasi der Chef des Klinikums ist, spricht von einem „harten, aber konsequenten Schritt“. Allerdings sagt er auch: „Das braucht niemanden zu verunsichern.“ Absolute Notfälle, bei denen abzusehen sei, „dass die Patienten nicht in adäquater Zeit in andere Häuser gebracht werden können, werden selbstverständlich in Bayreuth behandelt“, so Wiedemann.

Wiedemann weist darauf hin, dass die auf die Schnelle getroffenen Akut-Maßnahmen vom Vormittag in einer Konferenz am Nachmittag „nachgeschärft“ worden seien: So würden Behandlungen, die „zwingend notwendig“ seien, am Klinikum weitergeführt. Herzinfarkte würden, das betont Wiedemann, auf jeden Fall aufgenommen.

Nach den ersten Untersuchungen am Klinikum Bayreuth auf die neue Mutation aus Großbritannien, die sogenannte englische Mutation, hat die Einrichtung am Dienstagmittag in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass in den 30 eingesandten Proben „bei elf der Verdacht auf das Vorliegen der Variante“ bestehe. Zwei weitere Proben seien fraglich gewesen, was die Zuordnung zur Briten-Variante angehe. Bis die Ergebnisse aller Proben endgültig geklärt sind, wird es laut Klinikum zehn bis 14 Tage dauern. 

Am Dienstagmittag waren 99 Mitarbeiter des Klinikums positiv auf Corona getestet. „Alle sind in Quarantäne und nicht im Dienst“, so ein Sprecher der Einrichtung. Von Samstag bis Dienstag lief eine Reihentestung von mehr als 2800 Mitarbeitern. Bis Dienstag tauchten 18 positive Fälle auf. Das Klinikum habe die Kontaktnachverfolgung „deutlich verstärkt“. „Es wurden und werden auch alle Patienten getestet“, heißt es in der Pressemitteilung.

Den Hinweis, dass bei mehr als 3300 Mitarbeitern der Prozentsatz der möglicherweise mit der Briten-Variante Infizierten gering sei, kontert Wiedemann: „Wir verlassen uns auf die Fachleute, die auf das höhere Ansteckungsrisiko hinweisen.“

Zuletzt hatte das Klinikum auf mehreren Stationen Corona-Ausbrüche zu verzeichnen. Die schlechte Nachricht: „Diese Entwicklung hält an.“ Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und die Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) in München hätten dem Klinikum Bayreuth „zugesichert, weitere Sequenzierungen zur genauen Klärung der Situation zeitnah zu ermöglichen“.

"Lage angespannt, aber unter Kontrolle"

Frank Schmälzle, Sprecher des Klinikums, sagt: „Aktuell ist die Lage in dem Bayreuther Großkrankenhaus angespannt, aber unter Kontrolle.“ Am Dienstag wurden 80 Covid-Patienten behandelt, davon elf intensiv. „Alle Hygienemaßnahmen werden aufs Genaueste beachtet, insbesondere die Verwendung von umfassender Schutzausrüstung.“

Landrat Wiedemann hatte nach eigenen Angaben am Sonntag noch die Hoffnung, dass es sich bei den positiv Getesteten nicht um die Mutation handle. „Am Sonntagabend gab es sieben positive Befunde“, sagte er dem Kurier. Und das bei knapp 1000 Getesteten. Im ersten Moment wirke das wenig. Wiedemann betont: Erst wenn klar sei, „wo das Ausbruchsgeschehen ist, kann man die Maßnahmen zurückfahren.“ Solange sei „konsequentes Handeln gefragt“, sodass sich die Briten-Variante nicht noch mehr verteile und das Klinikum verlasse.

Nach Informationen des Kuriers soll es in mehreren Gesprächsrunden im Laufe des Dienstagnachmittags genau darum gehen, wie und ob sich die Mutation verbreiten konnte. Diese hätte sich etwa durch in Seniorenheime verlegte Patienten ausbreiten können.

Unterdessen richtet sich Kulmbach auf Patienten aus Bayreuth ein. Auch dort sind die sogenannten elektiven Behandlungen auf null gefahren. Nur noch das, was medizinisch notwendig ist, wird operiert und behandelt. Der Landkreis Kulmbach testet seit Montag präventiv auch auf die Briten-Variante. Allerdings gibt es laut Behörden-Aussagen keinen konkreten Verdacht.

Auch positive Befunde im Testzentrum von Stadt und Landkreis Bayreuth werden auf die Mutation untersucht, um zu sehen, ob die Mutanten schon in der Bevölkerung angekommen ist.

Das geht noch am Klinikum:

1.    Laufende Chemo-/Strahlentherapie werden fortgesetzt.

2.    Besuch bei Sterbenden ist zulässig.

3.    Mitarbeiter dürfen ihre Kinder in eine Betreuungseinrichtung bringen. Voraussetzung ist das Tragen einer FFP 2-Maske.

4.    Väter/Partner dürfen bei der Geburt dabei sein. Voraussetzung ist ein negativer Schnelltest.

5.    Ärzte der Klinikum Bayreuth GmbH können weiterhin Notarztdienste versehen.

6.    Die Spezialisierte Ambulante Palliativersorgung kann ihre Aufgaben wie gewohnt wahrnehmen.


Die Gesundheitsbehörden haben folgende Akutmaßnahmen angeordnet: Aufnahmestopp für Klinikum Bayreuth und Hohe Warte für alle geplanten Eingriffe, Operationen und Behandlungen.

  • Aufgenommen werden Patienten mit Tracer-Diagnosen (Herzinfarkt, Reanimation, Sepsis, Polytrauma, Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall) sowie zwingende Notfälle.
  • Geburten werden je nach Dringlichkeit versorgt. Für Akutsituationen und Risikogeburten ist vorgesorgt.
  • Patienten werden nur dann entlassen, wenn bei ihnen zwei Abstriche im Abstand von 48 Stunden negative Ergebnisse erbracht haben.
  • Für alle Mitarbeiter des Klinikums gilt ab sofort eine Pendel-Quarantäne. Sie dürfen sich ohne öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen nur zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort bewegen und befinden sich ansonsten im häuslichen Umfeld in Quarantäne. Diese Anordnung gilt vorläufig, solange die Aufklärung der Corona-Ausbrüche erfolgt und bis die Gefährdungslage genauer abgeschätzt werden kann.
  • Es erfolgt eine Anpassung des Testkonzepts für Mitarbeiter und Patienten durch das Klinikum Bayreuth mit dem Ziel, fortlaufend den Infektionsstatus zu erfassen.

Die Zahlen können sich nach den Reihentestungen noch nach oben verändern. Die Gesundheitsbehörden überwachen die Situation engmaschig. Gegebenenfalls sind noch weitere Maßnahmen zu erwarten.

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