Burgkunstadt - "Das Haus und das Buch sind die existenziellen Dinge der Menschheit." Davon ist Michael Krüger überzeugt, und er erinnert sich an das winzige Zimmer seiner Kindertage, das "kleine Urhaus", wie er es nennt. Und da Haus und Buch für Michael Krüger also untrennbar zusammengehören, lag es auf der Hand, ein Buch über ein Haus zu schreiben. Nicht irgendein Haus. "Das Irrenhaus" heißt Krügers im vergangenen Jahr erschienener Roman, den er am Sonntagnachmittag in der Alten Vogtei in Burgkunstadt den zahlreich erschienenen Literaturfreunden vorstellte.

Der Autor

Michael Krüger wurde 1943 in Wittgendorf/Sachsen-Anhalt geboren und wuchs in Berlin auf. Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre als Verlagsbuchhändler und arbeitete von 1962 bis 1965 in London. Ab 1968 war Krüger als Verlagslektor beim Carl Hanser Verlag tätig. Er wurde 1986 dessen literarischer Leiter und war von 1995 bis 2013 Geschäftsführer. Seine eigene literarische Arbeit beschränkte sich zunächst auf Vor- und Nachworte zu Anthologien und Sammelbänden, die er herausgab. Erst 1976 erschien der Gedichtband "Reginapoly". Seither veröffentlichte er Erzählungen, Novellen und Romane. 2013 wurde Michael Krüger von den Mitgliedern der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zu deren Präsident gewählt.


Der Autor entwirft einen amüsant-charmanten Plot, indem er seinen Ich-Erzähler ein lukratives 16-Parteien-Mietshaus in München-Schwabing erben lässt - von der Tante einer Tante. Nun wollte der Protagonist, von Beruf Archivar bei einer Tageszeitung, schon immer einmal ausprobieren, wie es wäre, ohne Sorge, ohne Verpflichtung zu leben: "Einfach nur leben, nur existieren." Sich mit Hingabe langweilen: Das ist sein Ideal. Er will sein Leben von jeder Planung befreien. Er kündigt seine Arbeit, verlässt sein bisheriges Leben und zieht anonym in sein eigenes Haus ein, in die leer stehende Wohnung des - abwesenden?, verschwundenen? - Schriftstellers Georg Faust. Der unerkannte Hausbesitzer schreibt Zitate auf Zettel und dekoriert damit die Wohnung, er hört Musik von Jean Sibelius, er philosophiert mit einem italienischen Restaurantbesitzer und beobachtet ansonsten die Welt vom Fenster aus. Mehr und mehr annektiert er Georg Fausts Leben, gibt sich als Autor aus und wird als solcher anerkannt.

Dieses Literaturszenario eröffnet dem ehemaligen Verlagschef Michael Krüger die Gelegenheit, aus dem Nähkästchen zu plaudern, indem er Schriftsteller/innen und deren Befindlichkeiten, die Lesungen und Kongresse mit Ironie und Süffisanz beschreibt. Köstlicher Höhepunkt ist die Schilderung des grotesken Auftritts eines lispelnden finnischen Autors, der versucht, seine Elegie über einen Kranich auf einer Polarfichte vorzutragen.

Ebenso skurril gelingt dem Autor das Pandämonium der Mieter. Einer will dem Ich-Erzähler faule Anleihen andienen, ein anderer versucht, ihn von einer Revolutionierung des Bestattungswesens - Friedhöfe zu Wohngebieten, Verkehrsinseln zu Urnengräber - zu überzeugen. Und seine aufdringliche Nachbarin Annika möchte ihn gar heiraten. Da bleibt dem Helden am Ende nur ein Ausweg: "Es war die Zeit gekommen, mir eine eigene Geschichte auszudenken."

"Das Irrenhaus". Roman von Michael Krüger. Haymon Verlag.

ISBN: 978-3709972526.