Cannabis gegen Multiple Sklerose Angeklagter macht Richter ratlos

Martin Schweiger
Weil die Krankenkasse medizinisches Cannabis nicht bezahlt und er selbst sich dieses nicht leisten kann, griff ein Mann auf das normale „Gras“ zurück. Die Polizei griff ihn auf. Weil Cannabis derzeit immer noch nicht legal ist, wurde er verurteilt. Foto: picture alliance/dpa/Volker Hartmann

Ein Mann leidet unter der Krankheit Multiple Sklerose. Dabei zittern seine Körperteile manchmal unkontrolliert. Aus Verzweiflung konsumiert er Cannabis – was ihn nun vor Gericht brachte.

 
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Mit sieben Gramm Marihuana, das er in seinen Handschuhen versteckte, wurde ein 31-jähriger Arbeiter im November letzten Jahres unweit der Polizeistation in Haßfurt von einer Polizeistreife erwischt. Am Mittwoch musste er sich deshalb am Amtsgericht verantworten. Dort nutzte es ihm nichts, dass er beteuerte das Gras „nicht zum Spaß“ zu konsumieren, sondern um Nebenwirkungen seiner Multiple-Sklerose-Erkrankung zu lindern. Richter Christoph Gillot verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu 35 Euro, also 1050 Euro.

Auf der Anklagebank räumte der Mann den Vorwurf ein. Nachdem er von den beiden Polizeibeamten anlässlich einer Routinekontrolle angehalten wurde, gab er von sich aus das Rauschgift heraus. Seit dem Jahr 2013 leide er unter der Krankheit MS mit der Begleiterscheinung, dass Körperteile zittern (medizinischer Fachausdruck: Tremor). Das Marihuana wirke beruhigend. Fünf Gramm medizinisches Cannabis kosteten in der Apotheke rund 100 Euro. Er bekomme es jedoch von der Krankenkasse nicht bezahlt und könne es aus eigener Tasche nicht bezahlen. Mit herkömmlichen Medikamenten komme er nicht zurecht. Damit fühle er sich „wie in Watte eingepackt“, gab er zu Protokoll. Gegen MS gebe es Medikamente, die ihm helfen, nicht jedoch gegen die Nebenwirkungen.

Ungeschickt war es, dass der Angeklagte mit seinem Fahrrad und dem Gras im Gepäck unmittelbar an der Polizeistation vorbeifuhr. Die ausrückende Polizeistreife entschied sich spontan, den Angeklagten zu kontrollieren. Denn der ist bereits polizeibekannt. Bereits im Februar letzten Jahres wurde er wegen eines einschlägigen Delikts zu einer Geldstrafe verurteilt. „Was machen wir mit Ihnen?“, fragte der Vorsitzende etwas ratlos. Die Anklagevertreterin plädierte wegen der einschlägigen Vorstrafe und der hohen Rückfallgeschwindigkeit auf eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu 35 Euro, also 1400 Euro.

Der Vorsitzende blieb 350 Euro darunter. Er ließ durchblicken, dass ihm die Hände gebunden seien und er so urteilen müsse, da der Cannabiskonsum in Deutschland immer noch strafbar sei. Es mache für den Verurteilten Sinn, das medizinische Cannabis selbst zu zahlen, um weiteren Geldstrafen und eventuell Freiheitsstrafen zu entgehen. „Oder Sie warten auf die Legalisierung“, gab er ihm mit auf den Weg. Der Angeklagte nahm das Urteil an.

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