Caritasverband warnt Kronach wird ärmer

Heike Schülein
Reicht’s noch? Diese Frage müssen immer mehr Menschen mit Nein beantworten. Foto: /Franz-Peter Tschauner

Zahlen der Caritas sprechen eine deutliche Sprache. Immer öfter fehlt es an elementaren Dingen des Lebens. Das muss nicht immer nur Geld sein.

 
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Kronach - „Die Armen habt ihr immer bei euch.“ Unter diesem Leitwort des Papstes steht der Welttag der Armen am Sonntag. Wie sich Armut vor unserer Haustür darstellt und welche Hilfsangebote der Caritasverband vorhält, darum ging es in einer Pressekonferenz am Mittwoch im Kronacher Caritas-Haus.

Wenn man von Armut vor Ort spricht, dann denkt man laut Barbara Borschert weniger an absolute Armut wie beispielsweise bei einer Hungersnot, sondern vielmehr an relative Armut. Dieser Begriff umschreibe die „Möglichkeit, am üblichen Lebensstandard in einer Gesellschaft teilzunehmen“. Armut gehe in Deutschland einher mit Ausgrenzung und Chancenungleichheit. „Je länger der Zeitraum anhält, umso schwieriger wird die Situation“, verdeutlichte die Leiterin der Abteilung Kinder-, Jugend- und Familienhilfe beim Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg.

Die Caritas begegnet dieser Armut mit unkomplizierten praktischen Hilfen in akuten Notlagen wie auch begleitender Fachberatung. Das umfassende Hilfsnetzwerk erfolgt durch die Allgemeine Soziale Beratung, spezialisierte Beratungsstellen sowie Angebote materieller Art. In der Erzdiözese Bamberg gibt es seitens der Caritas 15 Allgemeine Soziale Beratungsstellen, die 2020 zusammen 6748 Klienten berieten. Hiervon leben 45 Prozent überwiegend von Transferleistungen. „Es handelt sich dabei aber nur um die, die unsere Hilfe suchen“, verinnerlichte sie, dass viele Betroffene oftmals aus Scham keinen Antrag stellten.

Anlaufstelle für Ratsuchende

Die Soziale Beratungsstelle in Kronach sei dabei Anlauf- und Clearingstelle für Ratsuchende in der Region. 2020 wurden 683 Familien und Einzelpersonen beraten und begleitet. 82 Prozent verfügen über eine abgeschlossene Schulausbildung; 53 Prozent über eine abgeschlossene Berufsausbildung. „Sie sind also keineswegs faul, wie es oft in unserer Gesellschaft heißt“, verdeutlichte sie, dass „lediglich“ 44 Prozent davon überwiegend von Hartz-IV, Grundsicherungsrente oder Sozialhilfe leben. Vielmehr liege mehr als die Hälfte von ihnen mit einem Erwerbseinkommen nur geringfügig über der Sozialleistungsgrenze. Das Beratungsangebot umfasst Hilfe in psychosozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen Angelegenheiten, bietet Unterstützung bei familiären Problemen sowie bei Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags. Beim überwiegenden Teil (501) der Ratsuchenden standen finanzielle Probleme im Fokus.

Ein fester Bestandteil des Hilfsangebots in Kronach ist der derzeit von 998 Menschen genutzte Sozialladen „Lädla“, der gespendete Lebensmittel und Hygieneartikel für zehn Prozent bis zwölf Prozent des regulären Verkaufspreises anbietet. Für den Einkauf ist eine gültige Berechtigungskarte erforderlich; gleiches gilt auch für die Kleiderkammer in Kronach und Nordhalben. Dieses Angebot wird ausschließlich von Ehrenamtlichen getragen und wurde 2020 rund 1400 Mal in Anspruch genommen. „Wir verlangen zehn Cent pro Teil, damit sich die Leute nicht wie Bittsteller, sondern wie Kunden fühlen. Es geht hier um Menschenwürde“, betonte die Sozialpädagogin. Gerade in der jüngeren Vergangenheit kamen neue Bausteine zur Vervollständigung des Hilfsnetzwerks dazu. Hierzu zählt auch die Fachstelle für Wohnraumsicherung und Wohnungslosenhilfe. Diese zielt darauf ab, dass Menschen in Wohnungsnot möglichst zeitnah passenden Wohnraum finden. Vom 15. Dezember 2020 bis 30. September 2021 wurde das Angebot von 106 Klienten in Anspruch genommen. 43 konnten bereits in ein neues Mietverhältnis vermittelt werden.

Neue Surfstation

Erst seit wenigen Wochen steht die Surfstation „Digital d@bei“ zur Verfügung. Der datensichere Computer-Arbeitsplatz mit Internetzugang, Drucker und Scanner soll Menschen den Zugang zu digitalen Angeboten erleichtern. In der kurzen Zeit wurde der PC bereits zum Schreiben von Bewerbungen, Stellen von Anträgen oder zur Recherche während der Wartezeit bei einem Waschgang in der „Waschküch“ genutzt. Das vor rund zwei Jahren eingerichtete Hilfsangebot einer Waschmaschine und eines Trockners wurde bisher 229 Mal in Anspruch genommen

Wichtig war der Kreisgeschäftsführerin des Caritasverbands Kronach, Cornelia Thron, in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass alle Angebote im Bereich Soziale Hilfe komplett aus Eigenmitteln – also durch Spenden und zum großen Teil aus Kirchensteuermitteln – finanziert werden. „Wir könnten sonst nicht in dieser Form helfen. Jeder, der aus der Kirche austritt, schadet damit unserem Hilfsnetzwerk“, verdeutlichte sie.

Die Klienten mit Erwerbseinkommen kämen laut Irene Piontek eigentlich recht gut zurecht, wenn nichts Unvorhergesehenes anfalle; aber nicht, wenn zum Beispiel die Waschmaschine kaputt gehe. Der Hartz-IV-Regelsatz für einen Erwachsenen beinhaltet für „Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Gegenstände“ 27,16 Euro. Eine Familie müsste also mehrere Monate lang sparen, um sich einen Kühlschrank oder Herd kaufen zu können.

„Der Regelsatz zwingt diese zur Anschaffung möglichst billiger Geräte, also zumeist „Stromfresser“, prangerte stellvertretende Diözesan-Caritasdirektorin Ursula Kundmüller an, dass dabei der Klimaschutz völlig außer Acht gelassen werde. Sie forderte, ALG-II-Empfängern einen festen Betrag zuzubilligen, der für die einmalige Wiederbeschaffung von Haushaltsgeräten ausreiche.

Kein Gottesdienst

Aufgrund der angespannten Corona-Lage wurde der Gottesdienst mit Lichter-Aktion zum Welttag der Armen am Sonntag abgesagt. Beides soll im Frühjahr nachgeholt werden.

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