Über viele Monate galt eine strenge Ausgangssperre und die Maskenpflicht, sobald man das Haus verlässt, ist eingeübte Routine. „Auch mit Maske weichen sich die Leute auf dem Gehsteig aus“, erklärt die Medizinerin. Die Akzeptanz sei hoch gewesen, trotz viel geringerer sozialer Absicherung gegenüber Deutschland. Erst jetzt werde in Spanien so etwas wie Grundsicherung oder Sozialhilfe auf ganz niedrigem Niveau eingeführt.
Inzwischen gibt es auch Lockerungen, etwa im Handel oder für die Außengastronomie, „aber eben gerade nicht zu Ostern – zu den Feiertagen hatten wir eher strengere Regeln als sonst“. Intensiv sei überprüft worden, welche Regel sinnvoll ist und welche nicht. „Das hat sicher auch zur Akzeptanz beigetragen, während ich das Gefühl habe, die Regeln in Deutschland treiben die Leute eher quasi in die Illegalität, also zu internen Treffen.“
Dabei sei sehr deutlich, dass gerade diese die Ansteckungsgefahr hochtreiben – auf Mallorca wie in Deutschland. Dabei sei auch das Verhalten am Arbeitsplatz zu hinterfragen. Vor einigen Wochen gab es in Unterhaching eine ganze Belegschaft, die sich angesteckt hatte. „Den ganzen Tag saßen die einzeln an ihren Schreibtischen und in der Rauchpause haben sie sich infiziert“, beschreibt Schreiner. Solches Verhalten führt die Medizinerin auf „eine grottenschlechte Kommunikation“ zum Thema Covid in Deutschland zurück. Und „das, was da bisher nicht rübergebracht wurde“, sei auch schlecht nachzuholen. „Da gibt es zum Beispiel die Erkenntnisse der Aerosolforscher, die viel stärker in die Verhaltensregeln einfließen müssten. Und diese Erkenntnisse können den Leuten auch gut verständlich vermittelt werden“, findet die Medizinerin.
Das Fazit dieser Forschungen ist, dass im Freien bis auf wenige Ausnahmen eigentlich vieles möglich sei, ohne sich anzustecken, erklärt Schreiner. In der Praxis treffe sie auf viele Patienten die „subdepressiv“ sind. „Die einen langweilen sich in Kurzarbeit zu Tode, die anderen kennen im Homeoffice keine Grenzen mehr und arbeiten rund um die Uhr“, erzählt sie. Fast alle hätten Verständnis für die Maßnahmen der Regierung und dass deren Entscheidungen nicht einfach zu fassen seien. „Aber mittlerweile wäre ein Plan schön, auch was die Rolle der Arztpraxen betrifft“, wünscht sie sich und lobt den klaren Kurs der mallorquinischen Ministerpräsidentin Francina Armencol.
Diese sei auch auf Konfrontationskurs zum spanischen Präsidenten Sanchez gegangen und ihr Weg habe sich als richtig erwiesen: „Wir hatten strenge Regeln den ganzen Winter über, aber seit September durchgängig Präsenzunterricht, weil Hotels und sogar Bahnhöfe als Schulsäle genutzt wurden.“ Die Klassen seien zudem geteilt worden. „Einen Tag war der Lehrer live in der einen Klasse und die andere hatte eine Liveübertragung, am nächsten Tag wurde gewechselt“, erzählt Ute Schreiner. Alle zwei Wochen würden Schnelltests an den Schulen durchgeführt, der Schulbeginn getaktet, sodass nicht alle Kinder gleichzeitig kommen.
Und wie ist das mit dem Mallorca-Urlaub? „Was sollte dagegen sprechen?“, so Ute Schreiners persönliche Meinung. „Die Regeln, die zu den niedrigen Inzidenzen geführt haben, gelten nach wie vor“. Auf die Insel komme nur, wer einen negativen PCR-Test vorweisen könne, „und viele Menschen, vor allem in den Städten, sind so frustriert, dass sie einfach mal raus wollen aus den vier Wänden“.
Schreiner nimmt die Mallorca-Urlauber auch ein Stück weit in Schutz. „Die meisten, die zu uns kommen, sind doch nicht die Ballermann-Touristen, sondern die wollen ein bisschen schöneres Wetter als daheim, wandern und ein wenig am Strand liegen“. Sie spricht hier auch aus einer anderen Perspektive, wie sie erklärt, denn Schreiner selbst ist Vermieterin eines Ferienappartements. Ein bisschen raus, das gehe auf Mallorca auch, wenn Maskenpflicht auf der Straße herrsche, wenn Gastronomie und Hotelbar um 17 Uhr schließen – „und zwei Stunden Flug mit Maske, das ist auch auszuhalten“.
Und ihre Meinung zur Impfung? „Auch hier ist wieder die Kommunikation das Problem“, sagt Ute Schreiner, „wer halbwegs weiß, wie ein Impfstoff funktioniert, der will auch geimpft werden. Es ist nun mal die einzige Lösung, an einer Infektion halbwegs vorbeizukommen.“ Nebenwirkungen gebe es bei jedem Impfstoff wie bei jedem Medikament und immer seien die Vorteile gegenüber den Risiken abzuwägen. „Covid verursacht auch Thrombosen“, so Schreiner, und „die Nebenwirkungen der Impfung sind ja auch im Blick der Mediziner.“ Im Juni wird Ute Schreiner wieder einen Einsatz im Impfzentrum in Zeil. Was sie sich bis dahin wünscht: „Ein Plan wäre schön“, wiederholt sie.